Interview mit der Co-CEO von BabyOne
Dr. Anna Weber: "Beim Fachkräftemangel gibt es keine schnellen Lösungen"

| Dagmar Zimmermann 
| 09.12.2024

Wirtschaftliche Stärke und menschliche Werte in Einklang bringen: Das möchte Dr. Anna Weber. 2017 stieg sie mit ihrem Bruder in das Familienunternehmen BabyOne ein – eine Baby- und Kleinkinderfachmarktkette mit 105 Fachmärkten und einem Online-Shop. Im LEADERSNET-Interview spricht sie darüber, wie der Generationswechsel gelungen ist, inwiefern ihr Bruder Dr. Jan Weischer und sie Berufliches und Privates trennen und warum sie Wert auf sinnzentrierte Arbeit legt.

LEADERSNET: Sie sind ein Paradebeispiel für ein familiengeführtes Unternehmen, das erfolgreich in die nächste Generation übergegangen ist. Wie ist Ihnen das gelungen?

Dr. Anna Weber: Unsere Unternehmensnachfolge ist gelungen, weil wir sie frühzeitig und klar geplant haben. Bereits mit Ende 50 haben unsere Eltern begonnen, ihren Rückzug vorzubereiten. Mit einem klaren Plan haben wir die Übergabe Schritt für Schritt umgesetzt. Unsere Eltern haben uns dabei begleitet, uns aber auch genügend Freiraum gelassen, um eigene Entscheidungen zu treffen – und Fehler machen zu dürfen.

Von Anfang an war klar, wann sie sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Heute haben sie sich ganz aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, stehen uns aber weiterhin mit Rat und Tat zur Seite – unser Vater ist beispielsweise noch Teil des Beirates. Das Vertrauen unserer Eltern in uns war entscheidend dafür, dass wir neue Ideen umsetzen und das Unternehmen in eine eigene Richtung entwickeln konnten. Diese Mischung aus Planung, Unterstützung und Freiraum war der Schlüssel für eine erfolgreiche Übergabe.

LEADERSNET: Sie leben eine performance- und datengetriebenen Unternehmenskultur. Fällt es Ihnen schwer, an dieser Stelle das Herz als Unternehmerin auszuschalten?

Dr. Anna Weber: Unser Ziel ist es, eine performance- und datengetriebene Unternehmenskultur zu leben. Dass dabei das Herz nicht auf der Strecke bleibt, ist für uns selbstverständlich. Gerade als Familienunternehmen verbinden wir wirtschaftlichen Erfolg mit einer wertschätzenden Führung. Die Zusammenarbeit mit unseren Mitarbeitenden und Franchisenehmern steht für uns im Mittelpunkt.

Wir setzen auf ein vertrauensvolles, respektvolles und partnerschaftliches Miteinander. Echte Wertschätzung bedeutet aber auch, wirtschaftlich verantwortungsvoll zu handeln – im Interesse des Unternehmens und der Menschen, die dazu beitragen. Performance und Herz schließen sich also überhaupt nicht aus. Wir sind überzeugt, dass langfristiger Erfolg nur möglich ist, wenn wirtschaftliche Stärke und menschliche Werte im Einklang stehen.

LEADERSNET: Sie haben BabyOne zu einem Omnichannel-Unternehmen umgebaut. Sehen Sie die Zukunft eher im Online-Shopping oder in den stationären Geschäften? 

Dr. Anna Weber: Beides. Für uns liegt die Zukunft klar im Omnichannel-Ansatz, also der Kombination von Online- und stationärem Handel. In unserer Branche ist das stationäre Geschäft besonders wichtig. Denn viele unserer Produkte, wie Kinderwagen oder Autositze, sind sicherheitsrelevant und brauchen eine persönliche, fachkundige Beratung. Unsere Kund:innen schätzen es, diese Produkte vor Ort sehen, anfassen und ausprobieren zu können.

Dr. Jan-Willem Weischer und Dr. Anna Weber, die beiden CEOs von BabyOne (Bild: Hanna Witte / BabyOne)
Dr. Jan-Willem Weischer und Dr. Anna Weber, die beiden CEOs von BabyOne (Bild: Hanna Witte / BabyOne)

Gleichzeitig ist der Online-Kanal für uns unverzichtbar. Die Kund:innen wollen flexibel entscheiden, wann und wo sie sich informieren oder einkaufen. Deshalb ist es unser Anspruch, beide Welten optimal miteinander zu verknüpfen. Nur so können wir unseren Kund:innen ein nahtloses, flexibles und gleichzeitig persönliches Einkaufserlebnis bieten. Es geht darum, die Stärken beider Kanäle zu nutzen und so zu verknüpfen, dass unsere Kund:innen den besten Service und die beste Beratung erhalten – ob online oder vor Ort.

LEADERSNET: Wie können Innenstädte und Geschäfte so gestaltet werden, dass sie für Käufer:innen attraktiv bleiben?

Dr. Anna Weber: Unsere Märkte liegen meist außerhalb der Innenstädte. Aber egal, ob es sich um ein Geschäft in der Innenstadt oder einen Fachmarkt außerhalb handelt: Um für Kund:innen attraktiv zu bleiben, gilt es, einen durchgängig erstklassigen Service anzubieten. Unsere Kund:innen wollen die Produkte vor Ort sehen, anfassen und ausprobieren. Sie suchen eine persönliche, individuelle Beratung, die ihre Bedürfnisse versteht und darauf eingeht.

Genau dieses Erlebnis bieten wir ihnen und machen unsere Märkte gleichzeitig zu attraktiven Arbeitsplätzen für unsere Mitarbeitenden. Denn wir sind überzeugt: Nur ein Handel, der die Erwartungen der Kund:innen erfüllt und die Menschen begeistert, bleibt langfristig relevant – ob in der Innenstadt oder im Fachmarktzentrum.

LEADERSNET: Wie gehen Sie mit dem Fachkräftemangel um?

Dr. Anna Weber: Der Fachkräftemangel betrifft uns vor allem in den Filialen. Während wir in der Zentrale noch nicht über einen Mangel an Bewerbungen klagen können, ist es im Verkauf schwieriger, neue Mitarbeitende zu finden. Vor allem die langen Arbeitszeiten und der wichtige Arbeitstag Samstag machen die Jobs für viele unattraktiv. Das ist eine große Herausforderung und wir arbeiten aktiv an Lösungen. Dazu gehören eine faire Bezahlung, gute Schulungen und klare berufliche Entwicklungsmöglichkeiten, um die Arbeit in unseren Märkten attraktiver zu machen.

 
 
 
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Wir denken auch darüber nach, wie wir Arbeitsprozesse durch Digitalisierung vereinfachen können. So können sich unsere Teams mehr auf das konzentrieren, was ihnen wichtig ist: Die persönliche Beratung und den Kontakt zu unseren Kund:innen.

Schnelle Lösungen gibt es nicht, aber wir sind zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden Wege finden werden, die Arbeit im Handel wieder interessanter und erfüllender zu gestalten.

LEADERSNET: Neben BabyOne haben Sie ELSA & EMIL gegründet. Was waren die Beweggründe dafür?

Dr. Anna Weber: Mit ELSA & EMIL haben wir uns einen großen Wunsch erfüllt: Ein eigenes Unternehmen zu gründen, zusätzlich zu unserem Familienunternehmen BabyOne. Für uns war es etwas ganz Besonderes, eine Marke von Grund auf neu zu entwickeln. So konnten wir unser Knowhow aus dem Familienunternehmen mit der Freude und Kreativität verbinden, etwas ganz Neues zu schaffen. Die Marke ergänzt mit exklusiven Produkten BabyOne ideal.

LEADERSNET: Spielen bei ELSA & EMIL die Werte und Traditionen Ihres Familienunternehmens eine Rolle?

Dr. Anna Weber: Unsere Werte prägen alles, was wir tun – das gilt natürlich auch für ELSA & EMIL. Die Werte, die unsere Eltern von Anfang an in unser Familienunternehmen eingebracht haben, sind der Grund, warum wir damals wie heute so erfolgreich sind. Diese Tradition nehmen wir mit, auch wenn wir mit einer neuen Marke wie ELSA & EMIL zusätzlich die Chance haben, Dinge neu zu denken.

Bei ELSA & EMIL haben wir von Anfang an auf klare Markenwerte geachtet, insbesondere auf Nachhaltigkeit. Wir wollen Produkte schaffen, die nicht nur hochwertig und schön sind, sondern auch verantwortungsvoll für die nächste Generation. Das, was uns als Familienunternehmen groß gemacht hat – Vertrauen, Verlässlichkeit und Qualität – fließt natürlich mit ein. Gleichzeitig bringen wir bei ELSA & EMIL neue Ideen und Ansätze ein, die eine neue Marke braucht.

LEADERSNET: Die Geburtenrate sinkt. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Dr. Anna Weber: Der Geburtenrückgang wirkt sich auch auf unser Unternehmen aus, da unsere Zielgruppe kleiner wird. Das bedeutet, dass wir unser Angebot weiter verbessern müssen, um die Kund:innen zu überzeugen, zu uns zu kommen. Zwar können wir die Geburtenrate nicht beeinflussen – auch wenn wir es uns wünschen würden – aber wir können dafür sorgen, dass wir unsere Kund:innen mit hervorragendem Service und qualitativ hochwertigen Produkten für uns gewinnen. Und das ist unser Ziel.

 
 
 
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Übrigens betrifft der Geburtenrückgang nicht nur uns oder den Handel, sondern die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft. Es ist ein Thema, über das viel mehr gesprochen werden sollte, wie ich finde.

LEADERSNET: Auf LinkedIn schreiben Sie, dass Ihnen sinnzentrierte Arbeit wichtig ist. Warum ist das für Sie bedeutend?

Dr. Anna Weber: Sinnzentrierte Arbeit ist für mich wichtig, weil sie die Grundlage für Motivation und Zufriedenheit schafft. Jeder muss für sich selbst herausfinden, was ihn erfüllt und motiviert. Es geht darum, einen Bezug zu dem zu finden, was man tut, und nicht nur aus Pflicht oder Routine zu arbeiten. Ich glaube, dass man nur dann langfristig erfolgreich und motiviert ist, wenn man hinter seiner Arbeit steht und einen persönlichen Bezug dazu hat. Sinn ist also etwas sehr Individuelles und kann für jeden anders aussehen – daher kann es keine pauschale Antwort geben. 

LEADERSNET: Es wird oft gesagt, man solle Berufliches und Privates trennen. Gelingt es Ihnen und Ihrem Bruder, dies zu tun?

Dr. Anna Weber: Die Trennung von Beruflichem und Privatem gelingt uns nur bedingt. Das lässt sich in einem Familienunternehmen nie ganz ausblenden – aber so ist das auch gewollt. Auch persönliche Themen haben zwischen mir und meinem Bruder Raum – in unseren wöchentlichen Meetings sprechen wir zum Beispiel oft über das Wochenende oder wichtige familiäre Ereignisse wie die Einschulung eines Kindes. Dennoch stehen die geschäftlichen Themen im Vordergrund, denn die sind unsere Verantwortung als Geschäftsführer.

Dr. Jan-Willem Weischer und Dr. Anna Weber, die beiden CEOs von BabyOne (Bild: Hanna Witte / BabyOne)
Dr. Jan-Willem Weischer und Dr. Anna Weber, die beiden CEOs von BabyOne (Bild: Hanna Witte / BabyOne)

LEADERSNET: Haben Sie Mentor:innen?

Ich habe keine spezielle Mentorin, aber ein starkes Netzwerk – und das ist für mich mindestens genauso wichtig. Es ist entscheidend, Menschen zu haben, an die man sich wenden kann. Menschen, die verstehen, was man tut, und die einem sowohl beruflich als auch persönlich mit wertvollen Ratschlägen zur Seite stehen. Ich habe das Glück, Unternehmerinnen und Unternehmer zu kennen, von denen ich viel lerne und die mich inspirieren. In einem guten Netzwerk unterstützen sich die Mitglieder gegenseitig, teilen ihre Erfahrungen und wachsen gemeinsam.

LEADERSNET: Sind Sie selbst Mentorin für andere?

Ja, ich bin selbst Mentorin für eine junge Familienunternehmerin. Es ist mir wichtig, meine eigenen Erfahrungen zu teilen und anderen zu helfen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und sich weiterzuentwickeln. Dabei geht es nicht nur um konkrete fachliche Unterstützung, sondern auch darum, den Austausch zu fördern, wie man als Führungskraft authentisch bleibt und eine Balance zwischen Beruf und persönlichen Werten finden kann. Das ist übrigens auch für mich eine Gelegenheit, dazuzulernen und neue Sichtweisen kennenzulernen. 

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