Untersuchungen nach Razzia
Engel & Völkers: Ermittler wittern weitverbreitete Scheinselbstständigkeit

| Redaktion 
| 20.03.2025

Vergangenen Dezember fanden bundesweite Durchsuchungen beim Immobilienmakler Engel & Völkers statt. Einschließlich des Hauptsitzes in Hamburg wurden 18 Objekte in ganz Deutschland von insgesamt über 300 Zollbeamten durchsucht. Der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit steht im Raum – und das mutmaßlich über "einen Lizenznehmer" hinaus, wie es zunächst von Unternehmensseite hieß.

"Es geht um Vorwürfe rund um den Verdacht der Scheinselbstständigkeit bei einem Lizenznehmer“, erklärte eine Sprecherin von Engel & Völkers im letzten Dezember in Reaktion auf die eingangs erwähnten Durchsuchungen. "Wir nehmen diese Vorwürfe sehr ernst und kooperieren selbstverständlich vollumfänglich mit den Behörden und sind an einer schnellen und vollständigen Aufklärung der Vorwürfe interessiert."

Im Kern geht es darum, dass Engel & Völkers mit selbstständigen Maklern gearbeitet haben soll, die faktisch jedoch in einem abhängigen Verhältnis für den Immobilienmakler aktiv waren. Daraus ergibt sich der Tatvorwurf der Scheinselbstständigkeit, die dem Staat vor allem aufgrund der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen, die damit einhergeht, ein Dorn im Auge ist.

Zu den wegen Beihilfe Beschuldigten zählen unter anderem CEO Till-Fabian Zalewski, CFO Frederick von Pistohlkors sowie Group CEO Jawed Barna. Die Nennung in den Ermittlungen erfolgt wohlgemerkt aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Funktion und lässt nicht direkt auf ein individuelles Fehlverhalten schließen.

Das Modell

Das Geschäftsmodell von Engel & Völkers setzt auf Lizenznehmer, die unter dem Mantel der Marke operieren. Diese unabhängigen Unternehmen betreiben für gewöhnlich lokale Büros und zahlen Engel & Völkers anfallende Gebühren für Markennutzung, Systemzugang und Marketing. Die Makler wiederum arbeiten für die Lizenznehmer – oft als Selbstständige und nicht als Angestellte.  

Ihr Geld verdienen die Makler durch Provisionen von verkauften oder vermieteten Immobilien, die zwischen ihnen, dem Lizenznehmer sowie Engel & Völkers aufgeteilt werden. Besagtes Modell minimiert die Fixkosten für das Mutterunternehmen und verspricht einfache Skalierung durch lokale Expertise. Zum Spezialgebiet von Engel & Völkers gehören hochwertige Objekte, zum Beispiel Häuser wie das berühmte Alexandrinen Cottage Ende 2023.

Wie viele "lokale Einzelfälle" ergeben ein System?

In einem ausführlichen Bericht zur juristisch angespannten Lage des Immobilienmaklers fasst das Manager Magazin zusammen, dass sich Engel & Völkers seit den Durchsuchungen darum bemüht, "mit dem Verweis auf lokale Einzelfälle das Feuer auszutreten". Allerdings gibt es unter den Ermittlern offenbar den Verdacht, dass Scheinselbstständigkeit im Unternehmen deutlich weiter verbreitet und tiefer verankert ist.

So hält das Magazin fest, dass Zollbeamte auch Standorte in Hamburg, Berlin, Köln und Düsseldorf ins Auge fasst. Statt Lizenznehmern sei Engel & Völkers hier, meist über eine Tochterfirma, selbst Betreiber. Verstöße gegen geltendes Gesetz ließen sich in diesen Fällen also kaum auf Unabhängige, die entgegen der offiziell gewünschten Unternehmenskultur handeln, abwälzen.

Weiter heißt es, dass auch anonyme Hinweise aus anderen Teilen Deutschlands, die "die zuständigen Behörden damals nicht weiterverfolgt hatten, aber jetzt ernst nehmen", für ein flächendeckenderes Vergehen sprechen könnten. Zudem hätten sich nach den Durchsuchungen im Dezember weitere Personen gemeldet, um auf mögliches Fehlverhalten hinzuweisen.

Engel & Völkers weist Vorwürfe entschieden zurück

Das Unternehmen hat inzwischen auf den Bericht des Manager Magazins reagiert. In einer Stellungnahme gegenüber LEADERSNET erklärt Engel & Völkers: 

"Engel & Völkers hat den Bericht des manager magazins zur Kenntnis genommen. Wir weisen den Anfangsverdacht einer systematischen Scheinselbstständigkeit bei Engel & Völkers entschieden zurück. Um dies deutlich zu machen, arbeiten wir selbstverständlich vollumfänglich mit den Behörden zusammen und sind an einer schnellen und vollständigen Aufklärung interessiert.

Zudem halten wir die namentliche Nennung von Geschäftsführern als vermeintlich Beschuldigten aus der E&V Unternehmensgruppe für unzulässig. Insoweit Personen hier namentlich genannt sind, erfolgt dies nur aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Funktion.

Den Betroffenen ist bisher zu keinem Zeitpunkt ein individualisiertes Fehlverhalten vorgeworfen worden. Die Tätigkeit von selbständigen Immobilienmaklern und Lizenznehmern bei Engel & Völkers ist in der Vergangenheit mehrfach juristisch geprüft und bisher nach unserer Kenntnis nicht beanstandet worden."

Die Branche horcht auf

Engel & Völkers verwies schon vorher darauf, dass die eigenen Filialen "nach eigener Kenntnis" nicht von den aktuellen Ermittlungen betroffen sind, während das beschriebene Geschäftsmodell "in der Vergangenheit mehrfach juristisch geprüft" worden sei.

Lizenznehmer wiederum würden durch regelmäßige Audits geprüft und haben bei Rechtsverstößen "natürlich unmittelbar Konsequenzen" zu erwarten, allerdings habe man "keine umfangreichen Regelungs- und Kontrollkompetenzen".

Wie das Manager Magazin außerdem berichtet, interessieren sich Persönlichkeiten der Branche "derzeit brennend dafür, einen Lizenzvertrag von Engel & Völkers in die Hände zu bekommen". Mitbewerber mit vergleichbarem Geschäftsmodell würden offensichtlich gern abschätzen können, inwiefern die derzeit beanstandeten Zustände denen im eigenen Betrieb gleichen – und welche Schwierigkeiten womöglich bevorstehen.

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