LEADERSNET: Ihr gemeinsames Buch trägt den Titel "Was du nicht hören willst: Aber wissen solltest, um erfolgreich zu sein". Was sind die Themen, die Sie nicht mehr hören möchten?
Annahita Esmailzadeh: Es gibt im Business viele Themenbereiche, die chronisch unter den Teppich gekehrt werden und über die nicht gerne gesprochen wird – die man jedoch im Blick haben sollte, wenn man erfolgreich an die Spitze gelangen möchte. Und genau darum geht es in unserem Buch. Es ist in 17 Kapitel gegliedert und jedes Kapitel behandelt eine dieser unbequemen Wahrheiten.
LEADERSNET: Wahrheiten, die Sie im Buch schonungslos offenlegen, Frau Esmailzadeh.
Annahita Esmailzadeh: Mir ist wichtig, authentisch zu sein – sowohl im Buch als auch in Keynotes und anderen Inhalten, die ich veröffentliche. Ich möchte, dass Menschen mich wahrnehmen, wie ich wirklich bin, um durch den Blick hinter die Kulissen andere zu ermutigen. Seitdem ich in der Öffentlichkeit stehe, erhalte ich viele Nachrichten und Rückmeldungen, in denen ich oft höre, dass ich für sie ein Vorbild bin. Ich habe allerdings auch sehr viel geopfert, auf wahnsinnig viel verzichtet, viele Fehler gemacht, ich bin oft hingefallen und hatte viele Rückschläge in den vergangenen Jahren – das möchte ich ebenso zeigen, wie meine Erfolge.
LEADERSNET: Glorifiziert Social Media zu oft?
Swantje Allmers: Auf jeden Fall. Der Eindruck "bei den anderen läuft es ja viel besser als bei mir" entsteht aufgrund einer inhaltlichen Verkürzung. Wir sehen meist nur die Erfolge anderer, aber nicht, was es sie gekostet hat. Zusätzlich vergleichen wir uns mit einer Vielzahl anderer Menschen gleichzeitig, die jeweils nur die Highlights ihres Lebens darstellen. Ein Vergleich, bei dem man nur verlieren kann – zumindest, wenn man alles für bare Münze nimmt. Unser Buch macht nicht nur deutlich, dass hinter diesen Erfolgen sehr viel steht, es soll die Leser:innen auch motivieren und unterstützen, ihren eigenen Weg zu finden. Aus dem Bedürfnis heraus, offen zu sprechen, ist auch unser Podcast "To be Honest" entstanden.
LEADERSNET: Im Buch gibt es Übungen für die persönliche Selbstreflexion. Warum?
Swantje Allmers: Die Erfahrungen, die Anna im Buch beschreibt, sind offen und ungeschönt und inspirierend. Dennoch wird sich ihr Leben wohl von dem der meisten Leser:innen unterscheiden: Andere Ziele, andere Umfelder, andere Herausforderungen und vieles mehr. Daher war es uns wichtig, dass das Buch Übungen und Impulse enthält, die den Transfer auf das eigene Leben erleichtern. Selbstreflexion ist dabei ein ganz wesentlicher Ausgangspunkt.
Annahita Esmailzadeh: Ich hatte das Konzept übrigens ursprünglich ohne Übungen geplant, habe jedoch schnell festgestellt, dass sie essenziell sind. Als zertifizierte Coach hätte ich die Übungen auch selbst schreiben können. Aber sie sollten Champions-League-Niveau haben, daher war das Swantjes Part. Ich kenne keine Leadership-Coach, die so smart, innovativ und am Puls der Zeit arbeitet wie sie.
LEADERSNET: Was für ein Kompliment…
Swantje Allmers: Das Kompliment gebe ich gerne zurück. Ich habe aus Annas Kapiteln sehr viel mitgenommen. Sie hat bereits einen erstaunlichen Karriereweg hinter sich, und wer glaubt, es sei ein glatter Durchmarsch gewesen, der irrt. Wer so erfolgreich in Konzern-Hierarchien agiert, muss strategisch denken, clever sein und auch emotional intelligent. Da ist Anna ein großes Vorbild – auch für mich.
LEADERSNET: Wie war das denn genau im täglichen Doing, als Sie beide das Buch geschrieben haben?
Annahita Esmailzadeh: Wenn Sie unseren WhatsApp-Verlauf sehen würden, dann wüssten Sie, wie viel wir jeden Tag kommuniziert haben. Beim Schreiben hat uns aber auch eine klare Aufgabenteilung geholfen: Der Inhalt kam von mir, die Übungen wurden von Swantje erstellt. Ich habe außerdem zu jedem meiner Kapitel Feedback von Swantje bekommen, was sie noch besser gemacht hat. Ich schätze fundiertes, konstruktives und direktes Feedback sehr – und das bekommt man von ihr.
Swantje Allmers: Der Schreibprozess war dennoch nicht friktionslos. Gerade als wir so richtig loslegen wollten, ist Annas Haus aufgrund des Hochwassers in Bayern völlig abgesoffen.
Annahita Esmailzadeh: Oh ja, mein ganzes Leben war zu der Zeit ein Chaos. Ich werde nicht vergessen, dass ich beim Cover-Shooting für das Buch so erschöpft war, dass ich einfach nicht lächeln konnte. Wir konnten die Bilder nicht verwenden, daher ist es am Ende ein Foto aus einer anderen Kampagne geworden. Das Erscheinungsdatum mussten wir aufgrund dessen um einige Monate nach hinten schieben.
LEADERSNET: Was verbindet Sie beide?
Annahita Esmailzadeh: Wir haben einen sehr klaren Wertekanon. Uns beiden sind Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Authentizität wichtig. Wir sind beide loyale Menschen, leistungsorientiert und auch sehr anspruchsvoll – sowohl hinsichtlich unserer eigenen Arbeit als auch hinsichtlich dessen, was die andere Person leistet. Wir sind, glaube ich, unsere größten Cheerleaderinnen, aber gleichzeitig auch unsere härtesten Kritikerinnen und schaffen es, uns auf Augenhöhe zu challengen und zu ergänzen. Ich glaube, wir sind auch beide ziemlich lustig. Wir sind uns in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich.
LEADERSNET: Und was trennt Sie?
Annahita Esmailzadeh: Wir haben sehr verschiedene Lebenswege und gehören unterschiedlichen Generationen an. Ich bin seit zehn Jahren im Corporate-Bereich unterwegs, während Swantje seit fast 15 Jahren selbstständig ist.
Swantje Allmers: Zwei unterschiedliche Werdegänge, zwei unterschiedliche Generationen – da steckt viel drin. Wir haben zu vielen Themen andere Erfahrungen und Perspektiven, was es so spannend macht, miteinander zu diskutieren. Anna muss in ihrem Alltag außerdem teilweise ganz andere Skills einsetzen als ich. Sie muss Stakeholder-Management beherrschen, strategisch denken und führen. Während ich vor allem Selbstdisziplin und Selbstmanagement brauche, um unser Unternehmen zu führen und zu entwickeln.
Annahita Esmailzadeh: In erster Instanz mochten wir uns aber auch einfach sehr gerne. Und dann hatten wir das Glück, dass wir noch diese unglaubliche berufliche Kompatibilität hatten. Das ist ein sehr seltenes und ein sehr cooles Match.
LEADERSNET: Wie sehr haben Sie als New-Work-Expertin Ihre Themen einbringen können, Frau Allmers?
Swantje Allmers: Wenn das Buch eine große Message hat, dann ist es: Übernimm Verantwortung für dich und dein Leben. Und auch New Work kann nur funktionieren, wenn Menschen dies tun. Das, was gemeinhin daraus gemacht wird – 4-Tage-Woche, Benefits, Workation – ist nicht das, worum es eigentlich geht. Für mich bedeutet New Work, das zu finden, was einen wirklich erfüllt, und daran arbeiten zu können. Und darum geht es auch in unserem Buch.
LEADERSNET: Was macht für Sie gute Führung aus?
Annahita Esmailzadeh: Der erste Punkt ist das aufrichtige Interesse an Menschen. Man sollte keine Führungsposition übernehmen, nur um Karriere zu machen. Ein weiterer Punkt ist, dass man loslassen können muss. Viele Führungskräfte haben das Bedürfnis, in die Arbeit ihrer Mitarbeitenden eingreifen zu wollen und verfallen ins Mikromanagement. Dabei ist es sehr wichtig, vertrauen zu können. Emotionale Intelligenz, Empathie und Kommunikationsfähigkeit sind ebenfalls entscheidend. Als Führungskraft muss ich klar kommunizieren, was die Ziele und Visionen sind, Wertschätzung zeigen und auch Verbesserungspotenziale ansprechen. Eine gesunde Fehlerkultur ist außerdem wichtig, um gemeinsam besser zu werden.
Swantje Allmers: Ich würde noch Selbstführung ergänzen. Eine Führungskraft, die sich nicht selbst führen kann, wird auch andere nicht gut führen und entwickeln können. Empathie ist entscheidend, um andere zu verstehen und zu motivieren. Eine dritte, oft übersehene Kompetenz, ist die Fähigkeit, aus Individuen ein Team zu formen. Es nützt nichts, jeden Einzelnen gut abzuholen, wenn ich nicht auch dafür sorge, dass sie zusammen ein gutes Ganzes ergeben. Ein weiterer Aspekt: die Balance zwischen Fördern und Fordern. Wir diskutieren heutzutage oft nur darüber, dass eine Führungskraft ihre Mitarbeitenden fördern sollte. Dabei ist es ebenso wichtig, dass sie klare Erwartungen formuliert und Ergebnisse einfordert.
LEADERSNET: In Ihrem Buch geht es auch um Resilienz.
Annahita Esmailzadeh: Resilienz ist eine wichtige Eigenschaft, die man unbedingt trainieren sollte. Denn Wachstum findet nicht in der Komfortzone statt. Viele Menschen neigen dazu, herausfordernde Situationen verlassen zu wollen, sei es im Beruf oder wenn es darum geht, sich neue Fähigkeiten anzueignen. In vielen Fällen haben wir jedoch mehr Handlungsspielraum, als wir denken und lernen vor allem aus Herausforderungen. Rückblickend waren es die schwierigen Phasen, in denen ich am meisten gelernt und gewachsen bin. Wäre ich davor geflüchtet, wäre ich nicht an dem Punkt, an dem ich heute bin. Was allerdings nicht heißt, dass man an einem toxischen Umfeld festhalten sollte, wenn es dem Selbstwert oder der Gesundheit schadet. Hier ist es wichtig, klare Grenzen zu ziehen.
LEADERSNET: Was treibt Sie an?
Annahita Esmailzadeh: Mich persönlich treibt es an, eine Inspiration für andere zu sein und dazu beizutragen, einen gesellschaftlichen Unterschied zu machen. Ich habe das Gefühl, dass ich aktuell sowohl in meiner beruflichen Position als auch in meinen nebenberuflichen Tätigkeiten viel Impact habe und Dinge mitgestalten kann, die großartig sind.
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