Restwert von Elektroautos
Preisverfall bei gebrauchten Premium-E-Autos: Hersteller kämpfen mit Milliardenrisiken

Der Restwert gebrauchter Elektroautos der Oberklasse sinkt drastisch – mit gravierenden Folgen für Hersteller, Händler und Leasinggesellschaften. Die Industrie reagiert mit Notlösungen.

Gebrauchte Premium-Elektroautos verlieren zunehmend an Wert. Laut Daten der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) und von Autoscout24 sank der Restwert dreijähriger Modelle von knapp 70 Prozent Anfang 2023 auf nur noch 49 Prozent Ende 2024. Ein hochrangiger Manager eines deutschen Autobauers warnt im Handelsblatt: "Das ist eine tickende Zeitbombe."

Besonders betroffen sind demnach die Hersteller selbst – vor allem durch das Leasinggeschäft. Bei Volkswagen etwa, dessen Finanztochter auch Audi-Fahrzeuge vermarktet, belaufen sich die Restwertrisiken 2024 auf rund 1,86 Milliarden Euro – mehr als doppelt so viel wie noch 2020. Auch BMW musste Wertminderungen von 533 Millionen Euro verbuchen. Bei Mercedes belastete der Preisverfall das operative Ergebnis deutlich, Finanzchef Harald Wilhelm sprach von "Gegenwind".

Premium-Kunden wollen Hightech – aber bitte neu

Ein zentraler Grund für die Entwicklung: Käufer im Premiumsegment erwarten stets die neueste Technik. Doch Software, Batterien und Infotainmentsysteme entwickeln sich bei E-Autos rasant weiter. "Kunden im Luxus wollen immer das Neueste fahren", sagt ein Insider aus dem VW-Konzern dem Medium. Das mache gebrauchte Stromer schwer verkäuflich – selbst, wenn sie gut ausgestattet sind.

Thomas Peckruhn, Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), beobachtet bereits Zurückhaltung bei Banken: "Manche Institute scheuen sich, Elektroautos im großen Stil zu finanzieren."

Eine Analyse von Autoscout24 für das Handelsblatt zeigt die Folgen auf Modellebene. So verlor ein elektrischer Jaguar I-Pace zwischen 2022 und 2024 über 23.000 Euro an Restwert. Das vergleichbare Verbrennermodell, der F-Pace, legte im Preis leicht zu. Beim Porsche Taycan beträgt der Wertverlust sogar rund 50.000 Euro – 38 Prozent des ursprünglichen Neupreises. Der vergleichbare Panamera hingegen ist heute im Schnitt 5.000 Euro teurer als vor drei Jahren.

Rückläufer von Sixt und Hertz verschärfen die Lage

Für zusätzliche Dynamik sorgt der Mietwagenmarkt: Hertz verkaufte allein 2024 rund 30.000 E-Autos – viele davon von Tesla und Polestar. Grund: Reparatur- und Instandhaltungskosten seien zu hoch. Auch Sixt äußerte sich zuletzt kritisch und meldete sinkende Restwerte.

Auf Onlineportalen sind gebrauchte Polestar-Modelle bereits ab rund 20.000 Euro zu finden – oft mit hoher Laufleistung, was auf Mietwageneinsätze schließen lässt. Der Neupreis liegt deutlich über 50.000 Euro.

Hersteller steuern gegen – mit begrenztem Erfolg

Um die Verluste zu dämpfen, setzen Hersteller vermehrt auf Mehrfachverwertung: Leasingfahrzeuge werden doppelt oder sogar dreifach weiterverleast. BMW etwa konnte das Gebrauchtwagenleasing 2024 um über acht Prozent steigern.

Gleichzeitig verschieben einige Autobauer wie BMW die Einführung des sogenannten Agenturmodells. Dieses überträgt das finanzielle Risiko vom Händler auf den Hersteller – ein Ansatz, der ursprünglich von Tesla stammt. Doch in der Praxis floppt das Konzept: Der Kundenzulauf konzentrierte sich zuletzt auf Verbrenner. Nun ziehen sich viele Hersteller zurück, das Risiko landet wieder bei Handel und Kunde.

Das Risiko bleibt hoch

Restwertexperte Reinhard Bähr bringt es auf den Punkt: "In Zeiten von Chipmangel und Pandemie wurden zu hohe Wiederverkaufspreise kalkuliert." Jetzt zahlen die Hersteller den Preis. Zwar wächst der Anteil von E-Fahrzeugen in Europa laut Branchenverband Acea langsam auf rund 15 Prozent der Neuzulassungen – doch je mehr Premium-Stromer den Markt erreichen, desto stärker wächst das wirtschaftliche Risiko. Peckruhn warnt: "Die Restwertproblematik wird zunehmen."

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