Vom Hedonismus zur Selbstoptimierung
Drogenkonsum in den Chefetagen: Stabilität statt Rausch

Ketamin statt Koks, Stabilität statt Rausch: In den Führungsetagen wandelt sich der Umgang mit derlei Substanzen. Elon Musk zeigt exemplarisch, wie Medikamente zur Leistungssteigerung und mentalen Gesundheit eingesetzt werden – ein Trend, der Chancen birgt, aber auch Schattenseiten hat.

Elon Musk sitzt in einem Studio, umgeben von Kameras und dem ehemaligen CNN-Star Don Lemon. Die Atmosphäre ist angespannt. Es ist die Pilotfolge von Lemons neuer Show, und Musk wird von Lemon über seinen Ketamin-Konsum angesprochen. Nach einigem Zaudern antwortet er. Er nehme es in niedrigen, ärztlich verschriebenen Dosen. Es helfe ihm, seine depressiven Episoden zu bewältigen, die er als 'chemische Fluten' beschreibt. Ob er nicht das Gefühl hätte, das Ketamin mitunter zu missbrauchen, hakt Lemon nach.

Der Tesla-CEO argumentiert. „Aus der Sicht von Investoren zählt nur eins: Liefere ich Ergebnisse?“ Seine Argumentation ist ebenso nüchtern wie provokant: „Wenn etwas meine Leistung verbessert und gleichzeitig meiner Gesundheit hilft, warum sollte ich es nicht nehmen?“ Für Musk ist das Thema keine Frage von Moral oder Image, sondern von Effektivität, fast wie ein Leitmotiv für Leader. Er sieht den Konsum nicht als Flucht, sondern als Werkzeug, um funktional und leistungsstark zu bleiben.

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Mentale Gesundheit statt Euphorie

Sein Standpunkt sorgte wie so oft für jede Menge Diskussionen rund um den Globus. Gleichzeitig steht er aber auch exemplarisch für einen Wandel, der sich in den Führungsetagen weltweit abzeichnet: Weg vom unkontrollierten Drogenmissbrauch vergangener Jahrzehnte – hin zu einem bewusst eingesetzten, fast schon optimierten Konsum, der weniger Euphorie als vielmehr Stabilität und Fokus verspricht.

Substanzen wie Ketamin, Microdoses von LSD oder Psychedelika sind längst keine Randerscheinungen mehr. Sie stehen für eine neue Haltung zum Thema Leistungsfähigkeit und mentale Gesundheit – und damit für eine Transformation in der Art, wie Menschen mit Druck und Herausforderungen umgehen.

Alkohol zu Mittag: früher ganz normal

Davon weiß auch Bert V. (Name von Red. geändert) zu berichten. Der Deutsche war über zehn Jahre Im Management in einer europäischen Zentrale eines asiatischen Tech-Konzerns tätig. „Als ich vor rund 20 Jahren beim Unternehmen angefangen hatte, war es ganz normal, dass Leute, die aufreibende Jobs hatten, viel getrunken haben. Man traf sich beim Mittagessen und hat mit seinen Kollegen schon mal drei große Bier getrunken. Abends ist es dann weitergegangen. So etwas wäre heute sehr irritierend“, erklärt er.

Auch die Zeiten, in denen die Chefs unkontrolliert Koks durch die Nase gezogen hätten, seien vorbei. „Das halten die meisten nur für einen relativ kurzen Zeitraum aus. Dann müssen sie komplett hinschmeißen“. Anstelle dieses lustbetonten, genusssüchtigen Konsums ist nun diese Form des maßvollen Einsatzes von Substanzen getreten, die eine gewisse Ausgeglichenheit, Konzentrationsfähigkeit und letztlich die eigene Gesundheit fördern können.

Die kleine Dosis für mehr Leistung

Zwei Gründe sprechen dafür, warum Substanzen wie Ketamin oder andere Psychedelika in geringen und kontrollierten Dosen plötzlich akzeptabel sind. Zum einen sehen wir generell ein geschärftes Bewusstsein für mentale Gesundheit. Sie wird etwa von Managern zunehmend als wesentlicher Teil der Leistungsfähigkeit und als Argument für Innovation in der Medizin gesehen.

Zum anderen ist da die überbordende Optimierungskultur – und Substanzen wie gering dosiertes Ketamin passen in diese Logik der Effizienz, weil sie eher stabilisieren als euphorisieren. Ein langjähriger HR-Manager eines DAX-Unternehmens, der anonym bleiben möchte, sieht die Entwicklung skeptisch: „Es gibt mittlerweile fast schon einen Gruppenzwang, immer eine Lösung für alles parat zu haben – und wenn das eine Pille ist, dann ist das halt so. Das ist für mich keine gesunde Entwicklung.“

Die Schattenseiten

Womit wir bei den dunklen Seiten des Themas wären. Denn mit der derartigen Handhabe geht mit einer gewissen Ökonomisierung des Menschen einher. Die Akzeptanz solcher Substanzen leistet einer Idee Vorschub, den menschlichen Körper nur noch als Werkzeug zu betrachten – ein Ansatz, der langfristig zu noch mehr Druck führt. Zudem herrscht die Gefahr eines gewissen „Normalisierungs-Effekts“. Je häufiger Führungskräfte öffentlich über solche Themen sprechen, desto mehr könnten auch andere Gruppen – Mitarbeiter oder junge Entrepreneure – sich motiviert fühlen, ebenfalls Substanzen zu nutzen, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Für ein Gros der Menschen bleibt Drogenkonsum, egal in welcher Form, moralisch fragwürdig – vor allem bei öffentlichen Personen, die als Vorbilder wahrgenommen werden.

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