Durchbruch im Kampf gegen Krebs
Deutsche Forscher entwickeln molekulare Waffe gegen Tumorzellen

Spektakuläre Forschung aus Magdeburg: Ein Team der Otto-von-Guericke-Universität hat einen der gefährlichsten Naturstoffe der Welt erstmals synthetisch hergestellt. Der Wirkstoff Disorazol Z1 zerstört Krebszellen mit extremer Präzision und könnte die Tür zu einer völlig neuen Generation personalisierter Krebstherapien öffnen. Wissenschaftler sprechen bereits von einem medizinischen Meilenstein.

Chemikern der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ist es erstmals gelungen, den in der Natur vorkommenden Wirkstoff Disorazol Z1 vollständig synthetisch herzustellen. Der Naturstoff gilt als einer der stärksten zelltoxischen Wirkstoffe weltweit und wird derzeit intensiv auf sein Potenzial in der Krebstherapie untersucht. Die Totalsynthese durch das Team um Seniorprofessor Dieter Schinzer eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung hochspezifischer, nebenwirkungsarmer Krebstherapien.

Modifikation als medizinischer Vorteil

Disorazol Z1 wird von Myxobakterien produziert, die unter anderem in organischen Abfällen wie Ziegenmist vorkommen. In picomolaren Konzentrationen – also in millionstel Millionstel-Größenordnungen – entfaltet der Naturstoff eine extreme Zytotoxizität, indem er die Zellteilung hemmt und Krebszellen gezielt zerstört. Da diese hochaktive Substanz bisher ausschließlich natürlich durch Bakterien erzeugt wurde, war ihre gezielte Anwendung medizinisch stark eingeschränkt.

"Die Substanz ist extrem aktiv", erklärt Schinzer. "Deshalb haben wir aus Sicherheitsgründen zunächst nur zwei Milligramm hergestellt und dabei strenge Schutzvorkehrungen getroffen." Der große Vorteil der chemischen Synthese liege in der gezielten Modifizierbarkeit des Moleküls: Während Bakterien Disorazol Z1 nur in einer festen Form erzeugen, erlaubt die synthetische Herstellung eine Anpassung für medizinische Zwecke.

Von der Laborprobe zur Therapieplattform

Ziel der nächsten Forschungsphase ist es, das Molekül so zu verändern, dass es an ein bestimmtes Eiweiß, einen Antikörper, andocken kann. Über diesen Mechanismus soll der Wirkstoff künftig direkt zu Tumoren geführt und dort gezielt freigesetzt werden. Der dabei ausgelöste Zelltod – die sogenannte Apoptose – würde dann ausschließlich im Tumorgewebe erfolgen.

"Wir haben die Natur nachgeahmt – aber mit einem entscheidenden Vorteil", so Schinzer. Die chemische Synthese ermögliche es, Stabilität, Wirksamkeit und Selektivität der Substanz gezielt zu steuern. Das Team plant nun in Kooperation mit Industriepartnern, den Wirkstoff zu einem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat weiterzuentwickeln, das gesunde Zellen weitgehend verschont.

Die Synthese selbst war laut dem Chemiker eine enorme wissenschaftliche Herausforderung: "Wir haben innovative Strategien entwickelt, um das komplexe Molekül in mehreren Schritten aufzubauen. Modernste Techniken und analytische Verfahren waren nötig, um die exakte Struktur des synthetisierten Disorazol Z1 zu bestätigen."

Nächste Schritte und Förderung

Nach dem erfolgreichen Nachbau strebt das Forschungsteam nun eine rasche Patentierung an. Zusätzlich sind weitere Untersuchungen zur medizinischen Anwendbarkeit und eine Optimierung der Synthese für industrielle Prozesse geplant. Das Projekt wurde mit rund 1,7 Millionen Euro durch das Land Sachsen-Anhalt und den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

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