US-Machtkampf um TikTok
Amazon will TikTok übernehmen

Kurz vor Ablauf der Frist zur Zerschlagung von TikTok in den USA meldet sich ein überraschender Interessent: Amazon. Der E-Commerce-Riese will laut Insiderkreisen das gesamte US-Geschäft der beliebten Video-App übernehmen. Doch Washington reagiert skeptisch – und auch der politische Einfluss von Donald Trump spielt in der Causa eine zentrale Rolle.

Die Zukunft von TikTok in den Vereinigten Staaten steht auf Messers Schneide. Bis zum kommenden Samstag muss die chinesische Muttergesellschaft ByteDance entweder das US-Geschäft der Plattform verkaufen oder mit einem vollständigen Verbot rechnen. Während sich Tech-Konzerne und Finanzinvestoren in Stellung bringen, hat nun Amazon kurzfristig ein Übernahmeangebot unterbreitet – und sorgt damit für neue Dynamik im politischen wie wirtschaftlichen Machtspiel.

Letzter Vorstoß kurz vor Fristende

Amazon hat laut einem Bericht der New York Times ein formales Angebot zur Übernahme des US-Geschäfts von TikTok eingereicht – adressiert an JD Vance, Vizepräsident der USA, und Howard Lutnick, Handelsminister. Das Angebot wurde demnach erst wenige Tage vor dem gesetzlich festgelegten Ultimatum eingebracht, das TikTok zu einem Verkauf zwingt. Obwohl mehrere mit dem Prozess vertraute Personen Amazons Ambitionen als "nicht ernst genommen" bezeichnen, ist der Vorstoß des Online-Giganten ein bemerkenswerter Schachzug im geopolitischen Spiel um eine der weltweit einflussreichsten Social-Media-Plattformen.

Hintergrund ist ein von beiden US-Parteien unterstütztes Gesetz, das ByteDance zur Abgabe der amerikanischen TikTok-Anteile zwingt. Präsident Donald Trump, der sich in seiner zweiten Amtszeit medienwirksam für den Erhalt von TikTok ausspricht, hatte die Frist zur Umsetzung des Gesetzes zwar hinausgezögert – nun aber läuft die Zeit ab.

Politischer Balanceakt im Silicon Valley

Amazon ist nicht der erste Tech-Konzern, der ein Auge auf TikTok geworfen hat. Bereits 2020 versuchten Microsoft und Walmart gemeinsam eine Übernahme, die jedoch scheiterte. Nun bringt sich erneut eine US-Großmacht in Stellung – doch Amazon steht vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits muss das Unternehmen politische Zustimmung gewinnen, andererseits das komplexe regulatorische Umfeld in Washington durchdringen.

Ein möglicher Alternativansatz, der derzeit im Weißen Haus diskutiert wird, sieht eine Beteiligung mehrerer US-Unternehmen wie Oracle und Blackstone vor – allerdings ohne vollständige Veräußerung von ByteDance-Anteilen. Ob ein solches Konstrukt ausreicht, um die rechtlichen Auflagen zu erfüllen, ist jedoch unklar.

Handelsinteressen und Tech-Konkurrenz

TikTok hat sich längst auch zu einem Marktplatz entwickelt – TikTok Shop ist vor allem bei jungen Nutzer:innen beliebt. Für Amazon ist dies ein zweischneidiges Schwert: Einerseits kooperieren viele TikTok-Influencer mit Amazon durch Affiliate-Links, andererseits droht dem Konzern Konkurrenz im eigenen Kerngeschäft.

Diese Entwicklung beschränkt sich längst nicht mehr auf den US-Markt: Auch in Europa baut TikTok seine Handelsaktivitäten konsequent aus – etwa mit dem Start des TikTok Shops in Deutschland, der das Plattformgeschäft weiter in Richtung E-Commerce verschiebt.

Amazon hatte versucht, mit dem Feature "Inspire“ eine eigene TikTok-ähnliche Shopping-Plattform zu etablieren – der Versuch blieb jedoch weitgehend erfolglos und wurde inzwischen wieder eingestellt. Eine vollständige Integration von TikTok ins Amazon-Ökosystem würde strategisch neue Marktpotenziale erschließen – etwa in den Bereichen Social Commerce, KI-gestütztes Targeting und Cloud-Infrastruktur.

Der Hype um TikTok ruft auch andere potenzielle Investoren auf den Plan: Zuletzt machte das Start-up Zoop mit einem skurrilen Übernahmeangebot Schlagzeilen. Die Gründer:innen, darunter ein ehemaliger OnlyFans-Manager, sollen laut New York Times mit einer Krypto-Stiftung kooperieren und Gespräche mit dem Weißen Haus geführt haben. TikTok selbst betont weiterhin, dass man nicht zum Verkauf stehe – insbesondere weil Peking eine Veräußerung untersagen könnte.

Ausblick auf einen globalen Machtkampf

Wie es weitergeht, ist offen: Ob Amazon den Zuschlag erhält oder sich am Ende eine andere Lösung durchsetzt, dürfte maßgeblich davon abhängen, wie Washington auf das Angebot reagiert – und welchen Einfluss China im letzten Moment noch geltend macht. Klar ist: Der Poker um TikTok ist weit mehr als nur ein Wirtschaftskrimi – er ist ein geopolitischer Testfall für die digitale Souveränität der USA.

Kommentar veröffentlichen

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV