Mit Baerbock, Wissing, Lindner, Lauterbach
SZ Wirtschaftsgipfel in Berlin: Die ersten beiden Tage im Rückblick

Im berühmten Hotel Adlon Kempinski Berlin findet noch bis Mittwoch, 13. November die inzwischen 18. Ausgabe des SZ Wirtschaftsgipfels statt. Der von der der Süddeutschen Zeitung initiierte Kongress hat im Vorfeld "über 60 hochkarätige, internationale Sprecherinnen und Sprecher" sowie "kontroverse Diskussionen statt langatmiger Vorträge" versprochen. Wir blicken auf die ersten beiden Veranstaltungstage zurück.

Das diesjährige Motto "Die Welt im Umbruch – was tun?" war ebenso von langer Hand und mit konkretem Blick auf die Wahlen in Europa und den USA geplant. Wie aktuell es letztlich sein würde, konnten die Verantwortlichen seinerzeit jedoch keinesfalls absehen: Letzte Woche, fast parallel zum Triumph von Donald Trump im Rennen um die US-Präsidentschaft, ist hierzulande die historisch unbeliebte Ampelkoalition auseinandergebrochen.

Boris Pistorius nicht im "Inner Circle"

In ihrer Eröffnungsrede mahnte Außenministerin Annalena Baerbock jedoch vor allem, dass die die deutschen und europäischen Verteidigungsausgaben in Anbetracht einer unsicheren weltpolitischen Lage zu niedrig seien. Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato sei heutzutage "nicht mehr ausreichend“. Gleichzeitig erinnerte sie daran, dass Investitionen in die Defensive mit Vorteilen für die deutsche Wirtschaft einhergehen könnten.

Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius wies auf die Handlungsnotwendigkeit hin, wenn man weiterhin in "Freiheit und Sicherheit" leben wolle. Wie Annalena Baerbock vor ihm sprach er sich ebenfalls deutlich für eine anhaltende Hilfe für die Ukraine aus. Seine mit Blick auf die Regierungskrise gemachte Bemerkung, nicht zum "Inner Circle" der Ampel zu gehören, sorgte den SZ-Reportern zufolge für ein belustigtes Publikum.

Gipfeltreffen zum Standort Deutschland

Im Laufe des ersten Veranstaltungstages begaben sich außerdem Dr. Markus Krebber (Vorstandsvorsitzender der RWE AG) oder auch Siegfried Russwurm (Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie) auf die Bühne, der mit Dr. Thomas Schulz (Vorstandsvorsitzender der Bilfinger SE) und Airbus-Verwaltungsrat René Obermann den Standort Deutschland diskutierte.

"Im Bereich der Gesundheitspolitik hat die Ampel aus meiner Sicht sehr gut gearbeitet", bewertete Gesundheitsminister Karl Lauterbach die eigene Arbeit, holte dabei allerdings auch den in Ungnade gefallenen Ex-Koalitionspartner mit ins Boot: "Die FDP ist eine marktliberale Partei, aber auch auf Wettbewerb und Qualität gepolt", was den Reformen des Gesundheitssystems zuträglich gewesen ist. Auch die Begeisterung für Digitalisierung seitens der Liberalen hebt der Minister lobend hervor.

Lindner laut Lauterbach hauptverantwortlich für Ampel-Aus

Mit dem Finanzminister sei er zwar "immer über die Runden gekommen", trotzdem sieht Lauterbach in ihm den Hauptverantwortlichen am Koalitions-Aus. Dieses sei "durch das Handeln von Christian Lindner, ich will nicht mal sagen der FDP", zustande gekommen. Das bedauert er eigenen Angaben zufolge insbesondere, da sich einige kurz vor dem Abschluss befindliche Reformen nun wohl nicht mehr werden umsetzen lassen.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer am zweiten Tag des SZ-Wirtschaftsgipfels (Bild: SZ Wirtschaftsgipfel / Lukas Schramm)Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer am zweiten Tag des SZ-Wirtschaftsgipfels (Bild: SZ Wirtschaftsgipfel / Lukas Schramm)

Zweiter Tag

Während nur wenige Meter entfernt die Weichen für Neuwahlen gestellt wurden, fanden sich am zweiten Tag des SZ Wirtschaftsgipfels gleich mehrere in den Koalitionsbruch der letzten Woche beteiligte Personen im Hotel Adlon Kempinski Berlin ein: Der einstige Finanzminister Christian Lindner hatte sich genauso angekündigt wie sein Nachfolger Jörg Kukies und Mehrfach-Minister Volker Wissing, der im Interesse des Amtes aus der von Lindner geführten FDP ausgetreten war.

Zunächst begab sich jedoch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf die Bühne, der den Tag mit einem außerdem durch die Schriftstellerin Anne Rabe und die Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff besetzten Panel eröffnete.

"Wir haben die Bürger sukzessive immer weiter verloren", befand Kretschmar und machte daneben die derzeitige Diskussionskultur in Deutschland als vorteilhaft für Extremisten aus. Während linksextreme Straftaten häufig verharmlost würden, führe Kritik an der Migrationspolitik schnell zur Brandmarkung. "Wir müssen den Diskursraum breiter machen", forderte er, schloss eine politische Zusammenarbeit mit der AfD jedoch weiterhin aus.

Zwischen Verantwortung und Parteibuch

"Ich musste mich entscheiden zwischen der Verantwortung, die ich für das Land übernommen habe und meiner Parteimitgliedschaft, weil das an der Stelle nicht vereinbar war", sagte Verkehrs-, Digital- und Justizminister Volker Wissing bei seinem mit Spannung erwarteten Auftritt zum Verlassen der FDP. Etatmäßig war Wissing vor allem als Digitalminister vor Ort und sprach außerdem über Künstliche Intelligenz.

Über drei Monate vor der Bundestagswahl steht für Christian Lindner unterdessen schon fest, wer die nächste Regierung anführen wird: "Ich glaube, das Rennen um die Kanzlerschaft ist in Wahrheit doch gelaufen“, ließ er die Zuhörer im Adlon wissen und bezog sich damit natürlich auf Friedrich Merz, Vorsitzender der Unionsfraktion. "Die Frage ist aber: Mit wem wird der Bundeskanzler Merz regieren? Schwarz-rot, schwarz-grün?“, gibt der Ex-Minister zu bedenken. "Das ist doch alles Ampel-Light."

Gefragtes Fotomotiv: Volker Wissing (Bild: SZ Wirtschaftsgipfel / Lukas Schramm)
Gefragtes Fotomotiv: Volker Wissing (Bild: SZ Wirtschaftsgipfel / Lukas Schramm)

"Wir müssen die wenigen verbleibenden Sitzungswochen des Deutschen Bundestages nutzen, um die wichtigsten Projekte der Bundesregierung, die bereits auf den Weg gebracht wurden, im Deutschen Bundestag zur Abstimmung zu stellen", appellierte der neue Finanzminister Jörg Kukies bei seinem ersten größeren Auftritt im Amt.

Weiter: "Wir sind uns natürlich der gegenwärtigen Lage völlig bewusst, dass da nur ein Teil der Maßnahmen, die vorgesehen sind, tatsächlich umgesetzt werden kann – aber wir sind alle gefragt, möglichst viel verantwortungsbewusst im Sinne unseres Landes umzusetzen, auch wenn die Zeit bis zur Wahl sehr knapp ist."

Nicht nur Ampel auf der Bühne

Zum Abschluss des ersten Veranstaltungstags hat Sahra Wagenknecht mit SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach über das Leben nach der Ampel diskutiert – dazwischen durften sich Gäste jedoch ebenso über einen breiten Block an etwas weniger politisch aufgeladenen Themen erfreuen: Milena Roveda, CEO von Gauss Fusion, warb für Kernfusion und stellte in Aussicht, dass sie die "Menschheit verändern" wird.

Sahra Wagenknecht im Gespräch mit Wolfgang Krach (Bild: SZ Wirtschaftsgipfel / Lukas Schramm)
Sahra Wagenknecht im Gespräch mit Wolfgang Krach (Bild: SZ Wirtschaftsgipfel / Lukas Schramm)

Jörg Eberhart von der Lufthansa warnte derweil, dass Flugtickets bei einem steigenden Anteil an Öko-Sprit ihren ganz eigenen Höhenflug erleben könnten, ehe "der Mann, der die KI-Revolution möglich machte", über das Tech-Trend-Thema unserer Zeit sprach: Jakob Uszkoreit ist Mitautor des einflussreichen Papers "Attention Is All You Need", das unter anderem die Entwicklung generativer KI geprägt hat.

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