Interview mit Investor, DHDL-Juror und CEO der Maschmeyer Group
Carsten Maschmeyer: "Wer auf der letzten Rille fährt, ist kein guter Chef“

Seinem Start ins Leben bezeichnet Carsten Maschmeyer als "nicht unbedingt einfach: aufgewachsen ohne Vater, in ärmlichen Verhältnissen". Heute ist er erfolgreicher Unternehmer, Inhaber und Geschäftsführer der Maschmeyer Group und Juror bei "Die Höhle der Löwen". Im Interview mit LEADERSNET spricht er über die Vier-Tage-Woche, mentale Gesundheit und seinen ganz persönlichen Antrieb.

LEADERSNET: Herr Maschmeyer, Sie sind ein großer Befürworter der Vier-Tage-Woche. Vor einigen Jahren war das noch anders. Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?

Carsten Maschmeyer: Vor allem geht es mir um Offenheit gegenüber der Vier-Tage-Woche. Diskussionen, ob wir mehr arbeiten müssten, halte ich für komplett verfehlt. Es muss um Ergebnisse gehen, nicht um pünktlich angetretene und abgesessene Arbeitszeit. Als ich ein Kind war, gab es die Sechs-Tage-Woche. Und als die Fünf-Tage-Woche eingeführt wurde, unkten einige, das sei der wirtschaftliche Untergang Deutschlands. Dass es so nicht kam, wissen wir alle. Die Vier-Tage-Woche hat einige Vorteile, die uns vielleicht auch aus unserer Wirtschaftsschwäche heraushelfen können. Kreativität entspringt der Freiheit, nicht dem Hamsterrad. Und das brauchen wir vor allem: Kreativität und Ideen.

LEADERSNET: Glauben Sie, Sie hätten Ihr Unternehmen mit einer Vier-Tage-Woche aufbauen können?

Carsten Maschmeyer: Für Gründerinnen und Gründer gibt es keine Vier-Tage-Woche. Aber auch keine Fünf-Tage-Woche und keinen Acht-Stunden-Tag. Vor allem am Anfang vereint man so viele Positionen in einer Person, da ist die ohnehin für alles zu knapp. Gründerinnen und Gründer sind beseelt von ihren Aufgaben, sie bauen ja ihr eigenes Unternehmen nach ihren Vorstellungen auf. Die muss man eher bremsen und mal eine Pause verordnen. Aber nur weil es für Gründerinnen und Gründer nicht geht, heißt es ja nicht, dass es anderswo nicht möglich ist.

LEADERSNET: Wie leben Sie das Thema New Work in Ihrem Unternehmen?

Carsten Maschmeyer: Wir haben Büros in München, Berlin und San Francisco. Da klappt die Kommunikation reibungslos über alle Standorte hinweg und bestätigt mich darin: Es ist egal, wann und von wo aus du arbeitest, entscheidend ist das Ergebnis. Ich vertraue meinen Mitarbeitenden zu 100 %, sonst hätte ich sie nicht eingestellt. Was aber bei Remote Work und Home Office unablässig ist: Die Einarbeitung muss vor Ort passieren, sonst wird die Vermittlung der Firmenkultur und die Bindung zu den Mitarbeitenden schwierig und bremst die Arbeitsleistung. Natürlich gibt es immer wieder arbeitsintensive Hochphasen. Aber genauso nehmen wir uns Zeit für Teamevents, ermöglichen Workations und lassen weitgehende Freiheit bei der Einteilung der Arbeitszeit.

LEADERSNET: Wie achten Sie in Ihrem Unternehmen auf eine Work-Life-Balance?

Carsten Maschmeyer: Zufriedene und selbstbestimmte Mitarbeitende sind essenziell für den Erfolg jedes Unternehmens. Mir geht es nicht um abgesessene Zeit im Büro oder Zuhause am Schreibtisch, sondern um Leistung und Zielerfüllung. Ich komme morgens auch nicht ins Büro und sage: Heute will ich so und so viele Stunden arbeiten, sondern: Was will ich heute erreichen, was ist mein Tagesziel? Und was spricht dagegen, wenn der Kollege mittags seine Laufrunde dreht, um fit zu bleiben oder die Kollegin eher geht, weil sie ihre Kinder von der Schule abholt und sie dafür später noch zwei wichtige E-Mails schreibt?

LEADERSNET: Gerade die Start-Up-Szene ist bekannt dafür, einen hohen Workload zu haben. Was geben Sie Ihren Gründerinnen und Gründer mit?

Carsten Maschmeyer: Als Investor, der selbst gegründet hat, weiß ich, welche kräftezehrende Zeit das ist. Daher nehme ich meine Rolle als Gründer-Mentor sehr ernst. Wir achten auch darauf, dass Gründerinnen und Gründer sich notwendige Pausen nehmen, um mental gesund zu bleiben. Für ein Gründerteam ist wichtig, dass sie mentale Stärke, Kommunikationsstärke und Resilienz besitzen. Diese Eigenschaften brauchen sie im Alltag. Oftmals ähnelt der einem Marathonlauf. Den gewinnt aber niemand, der versucht, die ganze Strecke zu sprinten. Es kam schon vor, dass ich total überarbeitete Gründerinnen und Gründer in den Urlaub geschickt habe. Wenn die Akkus leer sind, lieber eine Runde ausschlafen, Meetings verschieben, sich ein paar Stunden frei schaufeln, um Sport zu machen, Freunde zu treffen. Das Thema Mental Health darf niemals unterschätzt werden, so sehr man auch für sein Unternehmen brennt. Wer immer auf der letzten Rille fährt, ist kein guter Chef und ein schlechter Unternehmer.

LEADERSNET: Wie scannen Sie Start-Ups in Hinblick darauf, das nächste Unicorn sein zu können?

Carsten Maschmeyer: Wir machen das mit unseren drei Venture Fonds Alstin Capital in München, seed + speed in Berlin und MGV in San Francisco. Wir scannen den Markt gezielt vor allem nach frühphasigen Technologie-Startups, die eine echte Marktlücke besetzen oder neue Märkte eröffnen. Das sind meistens internationale, skalierbare und innovative Geschäftsmodelle, die ein hohes Wachstumspotenzial besitzen. Entscheidend kann neben einem komplementären Gründungsteam auch ein starkes Co-Investoren-Team sein. Ganz genau schaue ich mir den Stellenwert des Vertriebs an. Nicht nur das Produkt ist entscheidend, sondern der Erfolg des Produktes ist vom Vertrieb abhängig.

LEADERSNET: Welche Rolle nimmt KI in Zukunft beim Thema New Work ein?

Carsten Maschmeyer: Im Kontext der Arbeitswelt wird KI fast alles verändern. Sie ist überall einsetzbar und hat großes Potenzial für die Automatisierung und Einsparung von Zeit und Optimierung von Qualität. Dadurch sinkt der Anteil menschlicher Fehler und die Produktivität steigt. Anders gesagt: Sie wird unsere dritte Gehirnhälfte und auch Teile des Lohns refinanzieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass sie die Vier-Tage-Woche in einigen Jobs ermöglichen wird. Wenn Maschinen Routinetätigkeiten ausüben, können sich die Menschen mehr den kreativen Aufgaben widmen, um neue Ideen und Lösungen zu entwickeln. Natürlich werden durch die KI einige traditionelle Jobs obsolet, aber in Summe werden mehr neue Jobs geschaffen als alte wegfallen. Menschen verlieren Jobs nicht an KI, sondern an andere Menschen, die KI einsetzen.

LEADERSNET: Sie haben öffentlich über Ihren Burn-out gesprochen. Muss mentale Gesundheit mehr in der Gesellschaft diskutiert werden?

Carsten Maschmeyer: Definitiv! Wir sollten viel ehrlicher über mentale Probleme sprechen und sie enttabuisieren. Bei ersten Anzeichen von Burnout, Angst und Niedergeschlagenheit und Depression kann ich daher nur jedem raten, offen darüber zu sprechen und sich Hilfe zu suchen. Die Entscheidung, meine 15 Jahre zurückliegende Krankheit öffentlich zu machen, fiel, als ich an meinem Buch "Die sechs Elemente des Erfolgs" schrieb. Zum Leben gehören eben auch Rückschläge und vom Verschweigen wird nichts besser.

LEADERSNET: Sie unterstützen "Women on top" und sind als Frauenförderer bekannt. Warum ist Ihnen das Thema wichtig?

Carsten Maschmeyer: Wir müssen die alten Rollenklischees und Strukturen aufbrechen! Und dabei sind besonders Politik und Arbeitgeber gefragt. Diverse und komplementäre Teams sind der Grundstein für ein erfolgreiches Business. Das ist das wichtigste Kriterium überhaupt, wenn ich mir ein potenzielles Startup-Team anschaue. Denn Diversität führt zu Kreativität und Kreativität führt zu Innovation. Wir haben so unglaublich talentierte und ehrgeizige Frauen in unserem Land und nutzen das Potential noch viel zu wenig. Das fängt ja bei den fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten an, die viele Frauen in die Teilzeitfalle führen.

LEADERSNET: Was treibt Sie heute noch an?

Carsten Maschmeyer: Ich möchte sehen, dass unser deutscher und europäischer Technologie-Standort gestärkt wird und das Unternehmertum in Deutschland gefördert wird. Deshalb ist es mir ein großes Anliegen, den Bürokratieabbau voranzutreiben, damit Gründerinnen und Gründer schneller und leichter ihren Traum von der eigenen Firma umsetzen können und zukunftsträchtige Entwicklungen vorantreiben, die Teile des Lebens der Menschen gesünder, günstiger, nachhaltiger machen. Zum anderen treibt mich meine eigene Geschichte an. Mein Start ins Leben war nicht unbedingt einfach: aufgewachsen ohne Vater, in ärmlichen Verhältnissen, habe ich irgendwann meine Stärke als Verkäufer und in der Kommunikation mit anderen entdeckt. Wenn man nichts zu verlieren hat, kann man viel riskieren und so habe ich den Sprung zu meinem eigenen Unternehmen gewagt. Heute gebe ich mein Wissen unheimlich gerne weiter. So helfe ich den Gründern, wie sie netzwerken, wie sie Türen öffnen, wie sie im Recruiting, im Vertrieb etc. besser werden. Das ist auch ein bisschen Giving Back meinerseits. Wenn es Gründer schaffen, durch meine Tipps und Unterstützung, ihr Unternehmen erfolgreich zu machen, dann macht mich das glücklich.

Sylvia Kleimann
Einfach nur DANKE!

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