Umstrittener Vorstoß
Organspende: Gesetzesentwurf zur Widerspruchslösung vorgestellt

| Redaktion 
| 24.06.2024

In Berlin haben Abgeordnete von SPD, CDU, CSU, Grünen, Linken und FDP einen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach mitgezeichneten Antrag vorgestellt, nach dem jede volljährige Person in Deutschland automatisch für eine Organspende in Betracht gezogen würde - sofern sie dieser zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widerspricht.

Im Jahre 2020 haben etwa 39 Prozent der Deutschen einen Organspendeausweis besessen. Sollten diese Menschen in eine medizinische Notlage geraten, die zu ihrem Hirntod führt, dürfen ihre Organe entnommen und zur Transplantation vorbereitet werden. Auf diese Weise können Sterbende mit ihren letzten Atemzügen dazu beitragen, dass womöglich gleich mehrere andere Menschenleben gerettet werden.

Aus dem Jahresbericht der DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation) geht hervor, dass im letzten Jahr 965 Personen insgesamt 2877 Organe gespendet haben. Derzeit stehen wiederum 8325 Menschen auf der Warteliste für eine Transplantation; insbesondere Nieren werden demnach dringend benötigt. In Anbetracht dieser Angaben hat eine parteiübergreifende Gruppe Abgeordneter am Montag einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der die Handhabe der Organspende in Deutschland grundlegend verändern soll.

Das will der Gesetzesentwurf

"Wir sind schlicht und ergreifend nicht zufrieden mit den Zahlen, die uns vorliegen“, wird die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar vom ZDF zitiert. Im Kern des nun von Politikern diverser Lager (außerdem CDU, Grüne, FDP, CSU und Linke) präsentierten Antrags steht deshalb die sogenannte Widerspruchslösung: Organspender wären danach in Zukunft alle Volljährigen, die dem Vorgang für den Falle ihres Hirntods im Laufe ihres Lebens nicht ausdrücklich widersprochen haben.

Bereits vor vier Jahren hatten Abgeordnete versucht, die Widerspruchslösung durchzusetzen, scheiterten jedoch am Votum des Bundestags. Dort soll das neue Gesetz alsbald möglich verhandelt werden, wobei die Bild mutmaßt, dass es im ersten Quartal des kommenden Jahres in Kraft treten würde – eine erfolgreiche Abstimmung natürlich vorausgesetzt. Anschließend müssten alle volljährigen Bürger angeschrieben und hinsichtlich der Gesetzesänderung informiert werden. Die vollständige Umstellung sei nicht vor 2027 zu erwarten.

Widerstand und wirtschaftliche Aspekte

Naturgemäß ist das Thema ausgesprochen umstritten und mit individuellen Sensibilitäten beladen. Dem ZDF zufolge haben bislang 21 Parlamentarier ihre Unterschrift unter den Antrag gesetzt, unter ihnen der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn und der aktuelle Amtsinhaber Karl Lauterbach.

Dagegen sieht FDP-Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr "staatliche Bevormundung“ und einen "massiven Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht“, während Eugen Brysch (Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz) daran erinnert: "Wer schweigt, stimmt nicht automatisch zu“. Ein medizinischer Eingriff ohne Zustimmung wiederum sei prinzipiell Körperverletzung.

Innerhalb Europas ist die Widerspruchslösung die am weitesten verbreite Regelung und gilt unter anderem in Österreich, Italien, Polen oder Frankreich. Welche wirtschaftlichen Aspekte sie hierzulande beeinflussen könnte, ist zu diesem Zeitpunkt noch reichlich spekulativ – theoretisch denkbar ist einerseits ein erhöhter bürokratischer Aufwand durch die Verwaltung eingehender Widersprüche. Grundsätzlich könnte sich die Gesetzesänderung andererseits auch auf den Arbeitsmarkt auswirken, da bei nennenswert steigenden Spenderzahlen womöglich mehr Personal benötigt würde.

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