Die Unternehmerin und DHDL-Investorin im Interview
Dagmar Wöhrl: "Eine Geschäftsidee sollte immer aus einer echten Leidenschaft heraus entstehen"

Während Deutschland in einer Rezession ist, startet die Gründershow "Die Höhle der Löwen" in die nächste Runde – und zeigt mutige Gründer:innen. Dagmar Wöhrl ist erneut in der Jury und spricht im Interview mit LEADERSNET über erfolgreiche Geschäftsmodelle, Authentizität – und warum sie kein Fan der Vier-Tage-Woche ist.

LEADERSNET: Was sind die wichtigsten Kriterien, die Sie bei der Bewertung von Geschäftsideen und Investitionsmöglichkeiten berücksichtigen?

Dagmar Wöhrl: Bei der Bewertung von Geschäftsideen ist es mir wichtig, mehrere Aspekte zu berücksichtigen. An erster Stelle steht das Gründerteam – ich achte darauf, dass die Gründerinnen und Gründer eine klare Vision haben und eine große Leidenschaft für ihre Idee entwickeln. Dazu gehört auch ihre Fähigkeit, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und ihr Team zu führen. Darüber hinaus überlege ich, ob für das Produkt eine echte Nachfrage besteht und wie gut die Idee am Markt positioniert werden kann. Wichtige Fragen sind: Wie einzigartig ist das Produkt oder die Dienstleistung? Wie skalierbar ist das Geschäftsmodell? Und natürlich: Wie sieht das langfristige Potenzial aus? Die finanziellen Rahmenbedingungen, der Businessplan und das Wachstumspotenzial spielen ebenso eine Rolle.

LEADERSNET: Welche Tipps geben Sie den Gründern von DHDL mit?

Dagmar Wöhrl: Meine wichtigste Empfehlung an Gründerinnen und Gründer ist, authentisch zu bleiben und sich nicht von kurzfristigen Trends oder äußeren Erwartungen beeinflussen zu lassen. Eine Geschäftsidee sollte immer aus einer echten Leidenschaft heraus entstehen. Außerdem ist es entscheidend, ein starkes, vertrauensvolles Team aufzubauen, das die Vision teilt und gemeinsam an einem Strang zieht. Ich rate auch dazu, sich immer wieder mit der Zielgruppe auseinanderzusetzen, Feedback zu suchen und die eigene Idee kontinuierlich weiterzuentwickeln. Gründung bedeutet, auch in schwierigen Phasen flexibel und anpassungsfähig zu bleiben. Und schließlich: Ein Unternehmen aufzubauen, geht nicht über Nacht. Dazu braucht es einen langen Atem.

LEADERSNET: Welche wertvollen Lektionen haben Sie selbst aus den Gesprächen mit den Start-ups mitgenommen?

Dagmar Wöhrl: Eine ganze Menge! Zum Beispiel, wie unglaublich wichtig es ist, durchzuhalten und auch in Krisenzeiten nicht den Mut zu verlieren. Wir meinen immer, dass Rückschläge uns nicht voranbringen. Dabei helfen sie, uns und unsere Idee immer wieder selbst zu reflektieren. Von Bedeutung ist, dass man aus den Fehlern lernt und sie nicht wiederholt. Eine weitere Lektion war, dass Innovation nicht immer riesige, bahnbrechende Erfindungen erfordert. Oft sind es die kleinen, kreativen Ideen, die den Unterschied ausmachen. Ich habe auch festgestellt, wie wichtig es ist, ein starkes Netzwerk aufzubauen und Unterstützung von anderen Unternehmerinnen und Unternehmern zu suchen – Kooperationen können viel weiterbringen als der Versuch, alles allein zu schaffen. Man muss das Rad nicht neu erfinden.

LEADERSNET: Gibt es ein bestimmtes Investment aus der Show, auf das Sie besonders stolz sind?

Dagmar Wöhrl: Es ist nicht leicht, nur eins daraus zu nennen. Denn zum Glück habe ich wirklich das Privileg, großartige Gründerinnen und Gründer in meinem Portfolio zu haben. Aber vielleicht ist Happy Po ein ganz besonderes Start-up aus "Die Höhle der Löwen" gewesen. Das Team hatte nicht nur eine unglaublich klare Vision, sondern hat es auch geschafft, diese Vision umzusetzen und das Produkt wirklich zu skalieren. Die Gründer haben sich von Anfang an nicht von Rückschlägen – und davon gab es einige – entmutigen lassen und sich immer wieder neu aufgestellt, was mir sehr imponiert hat. Für mich ein Beispiel dafür, wie beharrliches, fokussiertes Arbeiten und die Bereitschaft zur ständigen Weiterentwicklung langfristig zu einem nachhaltigen Erfolg führen können. Mittlerweile haben wir das Unternehmen sehr erfolgreich weiterverkauft.

LEADERSNET: Welche aktuellen Trends oder Innovationen sehen Sie beim Thema Gründung?

Dagmar Wöhrl: Aktuell sehe ich sehr viel Potenzial in den Bereichen Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Start-ups, die innovative Lösungen für eine grünere Zukunft bieten, haben nicht nur große Chancen, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Wandel. Ein weiterer Trend, der immer stärker wird, ist der Bereich Künstliche Intelligenz und Automatisierung. Besonders spannend finde ich die Entwicklungen im Bereich der AI-gesteuerten Produkte und Dienstleistungen, die viele Industrien revolutionieren werden. Auch die Themen Gesundheit und Wellbeing spielen eine immer größere Rolle – insbesondere in der Prävention und im Bereich mentaler Gesundheit. Ich glaube, hier wird künftig noch ein größerer Bedarf entstehen.

LEADERSNET: Wie sehen Sie die Entwicklung der Start-up-Kultur in Deutschland?

Dagmar Wöhrl: Die Start-up-Kultur in Deutschland hat sich in den letzten Jahren definitiv weiterentwickelt. Wir haben mittlerweile eine Vielzahl an Gründerzentren, Inkubatoren und Netzwerken, die die Szene unterstützen. Es gibt immer mehr junge Unternehmerinnen und Unternehmer, die bereit sind, Risiken einzugehen und neue Wege zu gehen. Was sich allerdings noch verbessern könnte, ist der Zugang zu Risikokapital und eine größere Bereitschaft der Gesellschaft, Misserfolge zu akzeptieren. In vielen anderen Ländern wird Scheitern eher als Teil des Lernprozesses gesehen, in Deutschland ist das – wie bereits erwähnt – noch oft ein Tabu. Insgesamt aber sehe ich großes Potenzial, und die Entwicklung der letzten Jahre stimmt mich sehr zuversichtlich.

LEADERSNET: Was sind für Sie die wichtigsten Fakten, um als Unternehmer:in erfolgreich zu sein?

Dagmar Wöhrl: Für mich ist der wichtigste Faktor ein starkes Gründerteam. Ein gutes Team ist immer stärker als die Idee alleine, denn ohne eine starke Ausführung wird die beste Idee nicht erfolgreich sein. Unternehmerische Resilienz und die Fähigkeit, Rückschläge zu überwinden, sind ebenfalls entscheidend. Ein weiterer Schlüssel ist die Marktkenntnis – Unternehmer müssen ihre Zielgruppe sehr gut verstehen und flexibel genug sein, sich an Marktveränderungen anzupassen. Und nicht zuletzt ist die Fähigkeit, langfristig zu denken und zu planen, unglaublich wichtig. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer sind zu fokussiert auf kurzfristige Gewinne und vergessen dabei, wie entscheidend es ist, das Unternehmen für die Zukunft zu rüsten.

LEADERSNET: Vier-Tage-Woche, Work-Life-Balance – fehlt es in Deutschland an Fleiß?

Dagmar Wöhrl: Ich persönlich bin kein großer Fan der sogenannten Work-Life-Balance. Wer ein Unternehmen aufbauen will, kann sich das nicht leisten – vor allem nicht im Aufbaustadium. In dieser Zeit erfordert es ein hohes Maß an Einsatz und Durchhaltevermögen, um die eigene Vision, den eigenen Traum zu verwirklichen. Natürlich ist es wichtig, auf die eigene Gesundheit zu achten, aber während der Aufbauphase müssen andere Bereiche des Lebens zurückgestellt werden. Es geht nicht darum, alles gleichmäßig zu verteilen, sondern darum, die notwendige Zeit und Energie in die wichtigen Aspekte zu investieren, die den langfristigen Erfolg sichern. Das eigentliche Problem ist nicht der Mangel an Fleiß, sondern eher die Vorstellung, dass man alles gleichzeitig stemmen kann.

LEADERSNET: Sie waren Miss Germany, Anwältin, Politikerin – was haben Sie in den unterschiedlichen Funktionen gelernt?

Dagmar Wöhrl: Jede dieser Stationen hat mir geholfen, unterschiedliche Fähigkeiten und Perspektiven zu entwickeln. Als Miss Germany habe ich gelernt, wie wichtig es ist, offen auf Menschen zuzugehen und dabei authentisch zu bleiben. In meiner Zeit als Anwältin habe ich strategisches Denken und Problemlösungsfähigkeiten entwickelt, und als Politikerin habe ich ein tieferes Verständnis für die gesellschaftlichen Strukturen und die Bedeutung politischer Einflussnahme gewonnen. Jede dieser Erfahrungen hat mich zu der Unternehmerin gemacht, die ich heute bin und mir die Augen für unterschiedliche Aspekte des Lebens und der Geschäftswelt geöffnet.

LEADERSNET: Was wünschen Sie sich heute als Unternehmerin von der Politik?

Dagmar Wöhrl: Ich wünsche mir einen massiven Bürokratieabbau! Ich glaube, dass wir das in jedem Bereich unseres öffentlichen Lebens gebrauchen können. Ferner wäre eine bessere Unterstützung von Gründerinnen und Gründern, besonders in den frühen Phasen eines Unternehmens, wünschenswert. Es sollte mehr transparente und zugängliche Förderprogramme geben, die es Unternehmen ermöglichen, schneller zu wachsen. Hier stehen wir oft vor einem schier undurchdringlichen Wald an unterschiedlichsten Fördermöglichkeiten. Das muss sich ändern. Auch steuerliche Anreize für Gründerinnen und Gründer, die in Zukunftstechnologien investieren, wären meiner Meinung nach sehr hilfreich. In der Politik sehe ich einen großen Hebel, um die Unternehmenskultur nachhaltig zu fördern und Menschen, die sich in die Selbständigkeit wagen, die Werkzeuge zu geben, die sie für den Erfolg benötigen.

LEADERSNET: Ihr Ehemann ist ebenfalls unternehmerisch tätig. Sprechen Sie zu Hause über diese Themen auch am Küchentisch? Oder trennen Sie Berufliches und Privates?

Dagmar Wöhrl: Nein. Wir haben das nie getrennt. Das Arbeiten sahen wir ja nie als Belastung an, der wir zu Hause entfliehen müssten. Es hat uns immer geholfen, fernab der Büroräume Dinge Revue passieren zu lassen und Entscheidungen noch einmal nachzusprechen. Wir beide haben im jeweils anderen immer einen loyalen und dennoch kritischen Partner gehabt, der seine Ideen mit dem anderen geteilt hat. Auch als wir bereits Kinder hatten, saß das Unternehmen immer mit am Essenstisch. Unsere Kinder sind so bereits im jungen Alter mit unternehmerischen Sachverhalten vertraut worden. Ich denke nicht, dass das zu ihrem Nachteil war.

LEADERSNET: Sie engagieren sich auf vielseitige Weise sozial. Warum?

Dagmar Wöhrl: Für mich ist soziales Engagement eine Frage der Verantwortung und eine Herzensangelegenheit. Es geht darum, nicht wegzuschauen, sondern aktiv dazu beizutragen, die Welt ein Stück besser zu machen. Besonders am Herzen liegt mir, Kindern weltweit eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Ich glaube, dass Bildung und Chancengleichheit der Schlüssel sind, um einen nachhaltigen Wandel zu bewirken. Unabhängig davon, ob in der Bildung, der sozialen Integration oder der Förderung von Frauen – es geht darum, positive Veränderungen zu schaffen, die für kommende Generationen von Bedeutung sind. Dieses Engagement bereichert mein Leben und gibt mir das Gefühl, dass ich nicht nur für meinen eigenen Erfolg arbeite, sondern auch für das Wohl anderer und eine gerechtere Gesellschaft. Ferner folge ich damit nur den Rat meiner Oma, die zu mir sagte: "Kind, tu etwas Sinnstiftendes oder lass es gleich bleiben."

LEADERSNET: Haben Sie – außerhalb von DHDL – Mentees?

Dagmar Wöhrl: Ja, ich betreue mehrere Mentees, mit denen ich regelmäßig im Austausch stehe. Der Austausch findet über verschiedene Kanäle statt – oft durch regelmäßige Treffen, aber auch durch digitale Kommunikation, da viele der Mentees international tätig sind. Es ist mir wichtig, einen vertrauensvollen Raum zu schaffen, in dem sie ihre Ideen und Herausforderungen offen besprechen können. Der Dialog geht dabei in beide Richtungen – auch ich lerne von ihren Erfahrungen und ihrem Blick auf die Welt.

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