Olaf Scholz' XXL-Erbe gefährdet City
Überseequartier Hamburg eröffnet eines der größten Shoppingcenter Deutschlands

Mit eigenem Kreuzfahrtterminal, unterirdischem Mega-Parkhaus und 170 Shops öffnet heute ein Konsumtempel der Superlative in Hamburgs HafenCity. Was als Prestigeprojekt von Olaf Scholz begann, spaltet die Stadt: Während der Handel jubelt, schlagen Anwohner:innen und Innenstadtgeschäfte Alarm. Wird das Überseequartier zum erhofften Segen – oder zum teuren Fluch für die Innenstadt?

Mit der heutigen Eröffnung des Westfield Überseequartiers startet in Hamburg eines der ambitioniertesten innerstädtischen Bauprojekte Europas. Auf zehn Fußballfeldern entstand ein urbanes Konsum- und Erlebniszentrum, das den Einzelhandel revolutionieren soll. Doch hinter der glänzenden Fassade lauern wirtschaftliche, städtebauliche und gesellschaftliche Spannungen.

Ein Konsumgigant mit politischer Vorgeschichte

Das Überseequartier ist mehr als ein Einkaufszentrum. Es ist ein neuer Stadtteil mit Kreuzfahrtterminal, Multiplex-Kino, Gastronomie, 580 Wohnungen und rund 8000 Arbeitsplätzen. Herzstück des Komplexes ist das Westfield-Shoppingcenter mit 170 Mietern auf 92.000 Quadratmetern. Breuninger, Inditex, Thalia, Lego, Zara, H&M – der Markenmix ist hochkarätig. Ergänzt wird das Angebot durch ein Lego Discovery Centre, ein 2500-Stellplätze-Parkhaus sowie eine U-Bahn-Anbindung direkt im Center. Ein eigener Anleger für Kreuzfahrtschiffe macht den Standort auch für Tourist:innen besonders attraktiv.

Doch das Prestigeprojekt hat Schattenseiten. Bereits 2010 geplant, geriet es in der Finanzkrise ins Wanken. Erst 2014, unter dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz, kam Bewegung hinein: Scholz verdoppelte die ursprünglich geplante Handelsfläche, um den Investor Unibail-Rodamco-Westfield (URW) zu gewinnen. Was folgte, war ein Kraftakt mit über acht Jahren Bauzeit, explodierenden Kosten von 2,4 Milliarden Euro und mehreren verschobenen Eröffnungsterminen. Tragisch: Beim Einsturz eines Baugerüsts im Jahr 2023 kamen fünf Bauarbeiter ums Leben. Der Vorfall ist bis heute nicht abschließend geklärt.

Center gegen City: Der Kampf um Kaufkraft

Laut einer exklusiven Studie der Handelsberatung BBE, über die das Handelsblatt berichtet, droht der Innenstadt ein Kaufkraftverlust von bis zu zehn Prozent. Im besten Fall verlieren zentrale Lagen wie Mönckeberg- und Spitalerstraße 4,5 Prozent Umsatz, im schlechtesten sogar 150 Millionen Euro pro Jahr. Besonders stark betroffen ist laut Analyse der Modehandel – rund sechs Prozent Umsatz könnten allein in diesem Segment Richtung HafenCity abwandern.

Die Innenstadt ist dabei nicht per se unterlegen, aber strukturell benachteiligt: Bürokratie, unvollendete Wegeachsen und eine schleppende Modernisierung erschweren die Konkurrenzfähigkeit. Das Westfield-Center hingegen ist als Einheit gemanagt, mit klaren Verantwortlichkeiten und hoher Entscheidungsgeschwindigkeit – ein nicht zu unterschätzender Vorteil im Standortwettbewerb.

Zugleich herrscht in Teilen der Innenstadt bereits jetzt hoher Leerstand. 2024 mussten laut Handelsverband Nord rund 150 Geschäfte schließen. Eine strukturelle Krise trifft auf einen starken neuen Mitbewerber – und setzt zusätzliche Dynamiken frei. Die Stadt Hamburg kündigte zwar an, Gegenmaßnahmen zu setzen: Umbau der Willy-Brandt-Straße, Aufwertung der Dom-Achse, mehr Events im Zentrum. Doch vieles davon befindet sich noch im Planungsstadium.

Hoffnungsträger oder Symbol für Verdrängung?

Das Center könnte als touristischer Magnet auch der Innenstadt Frequenz bringen – sofern die Stadt es schafft, Überseequartier und City intelligent zu verbinden. Doch derzeit fehlen attraktive Fußwege und klare Achsen. Auch Mobilitätsangebote wie E-Shuttles oder Ringlinien zwischen Innenstadt und HafenCity sind in der Diskussion, aber nicht konkret beschlossen.

Gleichzeitig gibt es Kritik an Verkehrsbelastung, Umweltproblemen und dem Bruch mit dem autoarmen Konzept der HafenCity. Die Idee vom grünen Modellquartier droht durch den massiven Verkehr ins Wanken zu geraten. 2500 Stellplätze sorgen für eine hohe Anziehungskraft auch aus dem Umland – mit entsprechenden Folgen für das Mikroklima und die Lärmbelastung.

Trotz Kritik bleibt der Betreiber URW optimistisch. Eine Woche lang wird die Eröffnung mit Events begleitet – ein Auftritt von Rita Ora bildet den Höhepunkt. Ein Glanzlicht für ein Projekt, das Hamburgs Handelslandschaft tiefgreifend verändern könnte. Doch ob die Vision einer symbiotischen Entwicklung von neuer Mall und historischer Innenstadt aufgeht, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.

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