Das Gegenteil von gut: gut gemeint
Danke für nichts – Der ungebetene Ratschlag und wie man ihn stilvoll ignoriert

| Redaktion 
| 10.04.2025

Es beginnt meist harmlos. Ein Kollege lehnt sich beiläufig rüber, lächelt gönnerhaft und sagt: "Du, das ist jetzt nur ein gut gemeinter Tipp …" Was folgt, ist selten gut und nie gemeint. Willkommen im Paralleluniversum der ungefragten Ratschläge – dort, wo Menschen meinen, mit einem Halbsatz deine Karriere, dein Selbstbewusstsein und deine Kaffeetassenwahl retten zu können.

Ungebetene Ratschläge sind die Staubflusen der Bürokultur: Man hat nie darum gebeten, aber sie sind plötzlich da. Auf dem Tisch. In deinem Postfach. In deinem Leben. Nicht alle ungefragten Tipps kommen im Tarnanzug daher. Manche marschieren in voller Montur durchs Großraumbüro:

Der Lebenscoach light findet, Sie sollten "einfach mal loslassen" – vor allem den sicheren Job.
Die HR-Schattenmacht empfiehlt, sich "mehr einzubringen". Vorzugsweise bei Dingen, die sonst niemand machen will.
Der informelle Flurfunk-Kurator weiß von einem Gerücht über Sie, das Sie selbst noch nicht gehört haben – und will Ihnen "nur helfen, vorbereitet zu sein".

Was diese Ratgeber:innen eint: Sie wollen helfen, ohne gefragt worden zu sein. Und nicht selten geht es dabei weniger um dein Wohl als um ihr Bedürfnis, sich wichtig zu fühlen. Oder – noch perfider – um subtile Kritik im Kostüm der Kollegialität.

Warum tun Menschen das eigentlich?

Die Psychologie kennt das Phänomen. Wer anderen ungefragt Ratschläge erteilt, will oft Kontrolle ausüben – oder zumindest Zugehörigkeit signalisieren: "Ich weiß, wie’s läuft. Und du nicht." Es geht um Status, um Einfluss, manchmal auch um gut gemeinte Unsicherheit, verpackt als Übergriff. Soziale Dominanz im PowerPoint-Kleid.

Fun Fact am Rande: Studien zeigen, dass ungefragte Ratschläge fast immer schlechter ankommen als konstruktive Kritik – und trotzdem häufiger geäußert werden. 

Kontern mit Klasse – Stilvoll reagieren

Natürlich könnten Sie zurückschlagen. "Und ich rate Ihnen, mal ’ne Minute nachzudenken, bevor Sie sprichen" wäre zwar ehrlich, aber nicht besonders teamförderlich. Stilvoller sind diese Varianten:

  • Die höfliche Abwehr: "Danke – ich denk mal drüber nach." (Spoiler: Werden Sie nicht.)
  • Die subtile Spiegelung: "Interessanter Gedanke. War das bei Ihnen so ein Wendepunkt?"
  • Der Themenwechsel mit Auszeichnung: "Oh, spannend. Sagen Sie mal – haben Sie die neue Nobelpreisstudie zum Teamverhalten gelesen?"
  • Die Königsdisziplin: Das Lächeln-und-nicken-und-nichts-ändern.

Manchmal hilft auch eine gezielte Gegenfrage: "Möchten Sie gerade einen Ratschlag loswerden oder einfach plaudern?" – wirkt Wunder. Vor allem, weil sich die wenigsten darüber klar sind, was sie eigentlich bezwecken.

Zwischen Zuhören und Zuklappen: Was bleibt?

Natürlich ist nicht jeder Ratschlag automatisch toxisch. Und manchmal liegt in der Fremde eine Wahrheit, die man selbst übersehen hat. Aber der Unterschied zwischen Hilfe und Herablassung liegt oft nur in der Frage: "Möchten Sie einen Tipp?" – Wer die nicht stellt, sollte vielleicht einfach still sein.

Denn: Nicht jeder kluge Satz verdient es, ausgesprochen zu werden. Und oft ist gut gemeint das Gegenteil von gut.

Kommentar veröffentlichen

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV