LEADERSNET: Es gab Zeiten, da galt es schon fast als hip zu gründen. Nun haben Sie ein Buch über die Start-up-Welt geschrieben. Ist die Start-up-Welt Fluch oder Segen?
Anastasia Barner: Wie alles im Leben hat es immer zwei Seiten. Es ist auf seine Art beides. Ein Startup zu gründen, verändert dein Leben. Und damit untertreibe ich es noch. Es hat viele Vorteile, angefangen bei der Freiheit bis hin zum Geld, was allerdings in wenigen Fällen wirklich in hohen Summen auf dem eigenen Konto landet. Warum und wieso ich es manchmal dennoch gerne anders gemacht hätte und was es auch für Nachteile hat, (jung) zu gründen, beleuchte ich in meinem Buch sehr selbstkritisch. Ein Thema, was mich immer wieder beschäftigt, ist zum Beispiel die Female-Founder-Bubble, die nach außen hin rosig aussieht, aber bei näherer Betrachtung doch in einigen Bereichen mehr Fake als funktionierend ist. Das ist auch eine Realität, die ich gerne ansprechen wollte.
LEADERSNET: Wie sehr sollte man Erfolge im Unternehmertum feiern, wie offen über Niederlagen sprechen?
Anastasia Barner: In Deutschland haben wir leider keine gesunde Scheiterkultur. Als Beispiel: in den USA gilt Scheitern als Chance zu lernen. Dort wirst du erst richtig ernst genommen, wenn du bereits einmal gescheitert bist, wohingegen es bei uns bedeutet: einmal gescheitert, immer am Scheitern. Gerade als junger Mensch sollte man Fehler machen dürfen und gleichzeitig Erfolge feiern, ohne falsche Bescheidenheit vorzugaukeln, um ja nicht überheblich zu wirken. Gerade Frauen haben die Hürde, stolz auf sich zu sein, weil es sich als Frau "nicht ziert“, man bzw. in dem Fall frau könnte ja arrogant rüberkommen. Ich finde, wir sollten akzeptieren, dass wir Fehler machen dürfen und vor allem müssen. Die Medien spielen da auch eine wichtige Rolle. Es darf nicht nur über die 10 Prozent der Gründer:innen geschrieben werden, die erfolgreich geworden sind, denn dadurch erzeugen wir ein unrealistisches Bild der Startup Szene, dass es jede:r schaffen kann. Das stimmt leider nicht.
LEADERSNET: Müssen Unternehmen heute mehr denken wie ein Start-up, um wieder agiler zu werden und die Gen Z anzusprechen?
Anastasia Barner: Um ehrlich zu sein, sind die meisten Startups sogar noch konservativer als manch ein Großkonzern. Es geht viel mehr um Hierarchien und gleichzeitig gibt es meistens keine geregelten Arbeitszeiten, was dazu führt, dass alle viel zu viel arbeiten und das auf Dauer nicht dem Erfolg des Unternehmens hilft, wenn das halbe Team kurz vor einem Burnout steht. Startup ist Startup, Unternehmen ist Unternehmen. Ich finde das darf auch so bleiben, gerade weil sich die Mehrzahl dann doch nach Sicherheit und den festen Strukturen in einem Konzern sehnt, die über Jahre erwachsen sind. Aber um auf das Thema Gen Z einzugehen: natürlich kann keine Person für eine Generation sprechen, dennoch werde ich oft zu dem Thema gefragt und meine Einschätzung zu dem ist, das Unternehmen ihre Art der Ansprache, des Recruitments und internen Miteinanders ändern sollten, um langfristig die neue Generation im Unternehmen zu halten.
LEADERSNET: Sie selbst haben gegründet, als Sie gerade einmal 20 Jahre alt waren. Ist es Beruf oder Berufung, Gründerin zu sein?
Anastasia Barner: Ich habe einen Job, den ich mir selbst erschaffen habe. Aber ich gehe einer Tätigkeit nach, die keinen Tag wie Arbeit anfühlen lässt, sondern mir (meistens) Spaß macht und daher würde ich eher zu Berufung tendieren. Dennoch ist es unglaublich wichtig, sich und sein persönliches Glück nicht abhängig vom Beruf zu machen. Meine Gefühlslage, wie es mir geht, hängt nicht an dem Erfolg von meinem Startup ab, genauso wenig dürfen meine Emotionen meine beruflichen Entscheidungen (zu sehr) beeinflussen. Es ist ein schmaler Grad zwischen Leidenschaft und kompletter Verausgabung. In meinem Buch schreibe ich über Fälle, die mit einer Berufung angefangen haben, aber in der Burnout Klinik geendet sind, weil es eben an dieser Art der Trennung gescheitert ist.
LEADERSNET: Ihre Mutter war auch selbstständig. Wurden unternehmerische Themen bei Ihnen schon diskutiert, als Sie Kind waren?
Anastasia Barner: Unternehmerische Themen wurden nicht besprochen, sondern ich durfte sie hautnah miterleben. Ich verwende bewusst den Begriff "durfte“, denn dadurch hat meine Mutter, alleinerziehend, mir früh gezeigt: Karriere mit einem Kind ist keine Entweder-oder-Entscheidung, sondern eine UND-Entscheidung. Ich glaube, dass Kinder von Unternehmer:innen meistens mehr den beruflichen Alltag ihrer Eltern miterleben. Ob das nun der Familienkonzern, die Bäckerei, das Restaurant oder die Agentur ist. Ich würde mir wünschen, dass auch das Angestelltenverhältnis mehr Möglichkeiten bietet, den Kindern den Beruf nah zu legen und vielleicht einen Tag der offenen Türen für die Kinder der Angestellten zu ermöglichen, um mitzuerleben, was da eben so passiert. Mir hat es enorm viel gebracht, meine Mutter von klein auf zu begleiten, auch wenn mir das erst später bewusst wurde.
LEADERSNET: FeMentor war Ihre erste Gründung, heute treten Sie auch verstärkt als Speakerin auf. Wo sehen Sie Ihre Hauptaufgabe?
Anastasia Barner: In meinem Buch beschreibe ich Gründer:innen als Neogeneralist:innen. Du kannst nicht mehr „nur“ das eine sein, du musst Gründer:in, Geschäftsführer:in, Manager:in, Expert:in, Influencer:in und Speaker:in sein. Mit einem gewissen Erfolg erhält man immer mehr Anfragen für spannende Projekte, Jury-Positionen, Interviews, Kooperationen und auch Auftritte auf Bühnen. Wenn ich mich vorstelle dann genau in der Reihenfolge: Ich bin Anastasia Barner, Gründerin von FeMentor, TEDx Speakerin und Autorin. Das eine schließt das andere nicht aus, dennoch ist es wichtig die Balance zu halten und seine Zeit einzuteilen. Auch nach Hilfe oder Unterstützung zu fragen, gehört zu den wichtigsten Aufgaben, wenn man mehr als nur eins sein will. Aber an erster Stelle, vor Gründerin oder Speakerin bin ich nach wie vor Anastasia Barner und nicht nur meine Berufsbezeichnung.
LEADERSNET: Was wollen Sie mit dem Buch vermitteln?
Anastasia Barner: Wissen. Und natürlich einen ungefilterten Blick in die Start-up-Welt geben, zu der ein Drittel der Generation Z gehören möchte. Das andere ein Drittel möchte übrigens Influencer werden. Das Buch soll ermutigen, aber gleichzeitig auch eine Art Betriebsanleitung sein, was es wirklich heißt zu gründen, warum das WARUM eine große Rolle spielt, was es zu beachten gilt bei der Wahl der Co-Founder, Investor:innen und das man für die Startup Gründung kein bestimmtes Alter haben muss, obwohl Personen über 40 Jahre erfolgreicher gründen.
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