"Die Marke Hofbräu ist weltweit bekannt und zieht viele internationale Gäste an, die alle von unserer Oktoberfest-Tradition fasziniert sind"

| Dagmar Zimmermann 
| 17.08.2023

Sie ist Wiesn-Wirtin mit Herz und Seele: Silja Steinberg stammt aus einer traditionsreichen Gastro-Familie und leitet seit Mitte 2021 nicht nur den Hofbräukeller am Wiener Platz in München, sondern auch das Hofbräu Festzelt auf dem Oktoberfest als alleinige Wirtin – nach wie vor unterstützt von ihren Eltern. LEADERSNET sprach mit ihr über die Wiesn – und über Umsätze, Fachkräfte und mögliche Nachfolger:innen.

LEADERSNET: Frau Steinberg, in Ihrem Hofbräu Festzelt finden 10 000 Menschen Platz. Es ist dafür bekannt, dass sich Gäste aus aller Welt treffen. Woran liegt’s?

Steinberg: Die Marke Hofbräu ist weltweit bekannt und zieht daher viele internationale Gäste an, die alle von unserer Oktoberfest-Tradition fasziniert sind. Das sieht man auch an ihrer Kleidung, selbst die Touristen ziehen inzwischen gerne Tracht an. Für die Gäste ist es keine Verkleidung, sie wollen sich zugehörig fühlen. Was viele nicht wissen: Unser Hofbräu Festzelt ist auch bei vielen Münchener Firmen beliebt, um Mitarbeiter:innen, Kund:innen und Lieferanten an einen Wiesntisch einzuladen.

LEADERSNET: Jedes Jahr werden die Preise auf dem Oktoberfest aufs Neue diskutiert. Die Maß Bier kostet in Ihrem Zelt in diesem Jahr 14,50 Euro…

Steinberg: Ich würde mir wünschen, dass die Menschen auch beachten, welche Kosten und Risiken wir tragen müssen und dafür Verständnis aufbringen. Die Wiesn ist ein Betrieb, der das ganze Jahr läuft. Das Festzelt ist im Grunde wie ein Haus, das jedes Jahr wieder auf- und abgebaut und gelagert werden muss. Allein der Aufbau dauert mindestens zwei Monate. Für 2023 wurden uns bereits rund 180 Prozent mehr Stromkosten angekündigt. Die Reinigungsfirma und der Sicherheitsdienst sind zirka 30 bis 40 Prozent teurer geworden. Ohnehin sind die Personalkosten insgesamt gestiegen. Der Bierpreis ist auch höher als im vergangenen Jahr, als wir bei 13,60 Euro lagen – mit der Erhöhung auf 14,50 € fangen wir gerade mal die Inflation ab. Und was keiner bedenkt: Das Wetter muss bei der Wiesn mitspielen. Wenn das Wetter schlecht ist, sind die Außenplätze für uns nicht bespielbar. Das ist etwa ein Drittel unserer 10 000 Plätze.

LEADERSNET: Über andere Unternehmen wird nicht zwangsläufig öffentlich diskutiert. Werden bei der Wiesn strengere Maßstäbe angesetzt, weil sie so im Fokus steht?

Steinberg: Lassen Sie es mich so sagen: Die Wiesn ist eine Plattform für alle – und jeder will sich positionieren und profilieren.

LEADERSNET: Viele Firmen klagen über Fachkräftemangel – Sie auch?

Steinberg: Im vergangenen Jahr hatten wir nach Corona ein wenig die Befürchtung, nicht genug Mitarbeiter:innen zu bekommen – dieses Jahr ist es besser. Dennoch: Die Neuregelungen mit dem Mindestlohn und mit dem Arbeitszeitgesetz sind für uns ein Problem. Die Bedienungen brauchen dieses Jahr 14 oder 15 Tage Urlaub, um bei uns mitarbeiten zu können. Viele Arbeitgeber wollen ihren Mitarbeiter:innen aufgrund des allgemeinen Personalmangels ungern dafür freigeben, außerdem ist das für viele mehr als die Hälfte des Jahresurlaubs.

LEADERSNET: In der Wirtschaft wird viel über Diversity, Female Empowerment und Co. diskutiert. Ein Thema, das Sie in Ihrer täglichen Arbeit berührt?

Steinberg: Ich spüre das Thema so gut wie gar nicht und ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich als Wiesn-Wirtin weniger akzeptiert werde. Was ich auf der Wiesn immer wieder feststelle und schön finde: Hier kommen Menschen und Nationen zusammen, alle haben miteinander Spaß, egal, welche Position du in einem Unternehmen hast, wie deine soziale Herkunft ist, ob du weiblich, männlich oder divers bist.

LEADERSNET: Muss man zur Wiesn-Wirtin geboren sein?

Steinberg: Ich glaube, dass man als Wirtin ein gewisses Gen braucht: Man muss Menschen mögen, schnell und flexibel Entscheidungen treffen und multitaskingfähig sein. Mir ist das Wirtin-Sein durch meine Eltern und meinen Großvater in die Wiege gelegt worden. Bereits im Alter von sieben Jahren stand ich im Zelt und habe gesagt: Irgendwann will ich Wiesn-Wirtin werden. Heute liebe ich es, Leute mit meiner Arbeit glücklich zu machen, ich bin gerne unter Menschen und Dienstleisterin.

LEADERSNET: War es für Sie je eine Frage, ob sie in das Familienunternehmen einsteigen wollen?

Steinberg: Nein, überhaupt nicht. Ich habe das von Anfang an gemocht. Mit 14 habe ich bereits in der Küche und Straßenverkauf mitgeholfen. Mit 18 Jahren habe ich den Krugstand betreut. Egal, ob an der Bon-Kasse, im Rückbereich oder im Büro – ich habe mir alles genau angeschaut. Und es hat mich immer fasziniert und interessiert. Was ich mir heute nicht nehmen lasse und was mir besonders heilig ist: Die Platzierungen der Reservierungen genau anzuschauen. Angie Ofenstein, meine beste Freundin, leitet das Wiesn-Büro und wir beide wissen genau, wer wo wie am liebsten sitzt. Ab zirka 18.30 Uhr, wenn alle platziert sind, machen wir unsere Runde, gehen einmal durch alle Boxen und begrüßen alle, die wir kennen. Netzwerken quasi.

LEADERSNET: Sie sind selbst Mama von zwei Kindern. Ist es Ihr Wunsch, dass Ihre Kinder einmal in den Betrieb einsteigen?

Steinberg: Meine Eltern haben mir immer gesagt, dass ich eigene Wege gehen darf und sie mich bei allem unterstützen würden. So mache ich das auch bei meinen Kindern. Ich übe keinen Druck aus. Meine Tochter ist seit zwei Jahren auf der Tourismusfachschule in Innsbruck. Mein Sohn fängt ein duales BWL-Studium mit Schwerpunkt Gastronomie & Hotellerie-Management in Ravensburg an. Ich würde mich natürlich extrem freuen, wenn sie eines Tages einsteigen. Ich glaube, sie würden sich sehr gut ergänzen. Mal sehen, wie sich alles entwickelt.

LEADERSNET: Was ist Ihr liebster Wiesn-Moment?

Steinberg:  Im Grunde sind es drei.

  1. Der Einzug der Wiesn-Wirte am Anstichtag. Wenn wir mit der Kutsche vor dem Festzelt halten und dann durch das Spalier der Bedienungen gehen – Gänsehaut pur.
  2. Das Platz- und Standkonzert der Wiesnwirte unter der Bavaria am mittleren Wiesn-Wochenende. Wie die Musiker zusammen stehen, die Bayernhymne spielen und wir Luftballons steigen lassen… Da kommen mir die Tränen.
  3. Der Abschluss mit Sternwerfern (bayerisch für Wunderkerzen, d. Red.). Beim Wiesn-Finale am letzten Tag bin ich auf der einen Seite traurig und emotional, weil es vorbei ist, auf der anderen Seite einfach nur dankbar und demütig, dass wir wieder einmal schöne Wiesn-Tage hatten.

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