Trauen Sie niemanden der Ihnen die Zukunft verkaufen möchte – Welchen Wert haben Prognosen?

| Bernhard Führer 
| 07.11.2022

Auf eine Krise folgt die nächste Krise. Daraus erwachsen komplexe Folgeerscheinungen, deren Auswirkungen sich nur schwer abschätzen lassen. Aber wie steht es um die Prognosekraft von zukünftigen Ereignissen und was heißt das für die Geldanlage? Der Versuch einer Analyse.

Eines vorweg: Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Dabei werden Prognosen an den "Mann" gebracht, entweder im Wissen um deren mangelnder Verwertbarkeit (bewusst) oder die Verkäufer dieser Vorhersagen glauben wirklich daran (unbewusst – es mangelt folglich an nötigen Kenntnissen). Letztendlich muss es sich gut verkaufen und das ist es was zählt. Der Schlüssel für erfolgreiche Veranlagungen und Investments ist dabei nicht die Zukunft vorherzusagen. Wir können diese nicht prognostizieren. Es ist vielmehr das Lernen aus der Vergangenheit und das Verstehen der Gegenwart.

Medien und Experten liegen meist falsch

Da Medien, Marktkommentatoren und vermeintliche Börsenexperten mit ihren Prognosen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle falsch liegen, haben Sie dies bei Ihren Investmententscheidungen zu berücksichtigen. Es gibt folglich eine zuverlässigere und einfachere Möglichkeit, Investitionsentscheidungen zu treffen, die nicht auf mutmaßlichen Prognosen beruhen. Sie basieren stattdessen auf langfristig historischen Daten über die Renditen an den Finanz- und Kapitalmärkten – unter anderem der Aktien- und Rentenmärkte. Sie zeigen, dass Aktien über längere Zeiträume besser abschneiden als Anleihen, aber dass Aktien weitaus volatiler (schwankender) sind als Anleihen. Sowohl Aktien als auch Anleihen zu halten ist sinnvoll, da diese wechselseitig "harmonieren". Unter Einbezug anderer Anlageklassen, kann eine breitere Risikostreuung vorgenommen werden.

In keinem anderen wirtschaftlichen Bereich zahlt es sich mehr aus, mit seinen Vorhersagen richtig zu liegen als an der Börse. Da überrascht es nicht, dass die Suche nach geeigneten Prognosen Jahrhunderte überdauert hat – seit dem Bestehen der Börsen. Die Wahrheit ist jedoch, dass durch diese Prognosen Milliarden von Euros jedes Jahr in den Sand gesetzt werden und es weitaus mehr Verlierer als Gewinner dadurch gibt (Anleger erzielen damit schlechtere Renditen). Anleger und Investoren, welche sich dennoch diesen Versuchungen hingaben und diesen Ratschlägen zuwiderhandelten oder ihre Gelder auf Sparbüchern oder Sparkonten hatten, verpassten enorme Zuwachsraten ihrer Vermögenswerte. Sie verloren unterm Strich Gelder, obwohl Sie durch die richtige Vermögensaufteilung in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gute reale Kapitalzuwächse verbuchen hätten können.

Prognosen und deren Wert

Marktvorhersagen sind allgemein ebenso sinnlos und unglaubwürdig, wie der Verkauf von Fonds oder anderen Produkten durch Vermögensberater und Investmentmanager, die Ihnen "weismachen" wollen, sie hätten eine Strategie im Angebot, wie man Marktkorrekturen und Börseneinbrüche vermeidet oder umgeht. Unterm Strich verursacht das lediglich Mehrkosten für Sie. Dabei handelt es sich um nichts anderes als eine Market-Timing-Strategie, welche gerne unter verschiedenen Deckmänteln, wie "dynamische Asset-Allokation", "Rotations-Strategie", "Golden-Hedge", "Absolute-Return" oder ähnlichem verkauft wird.

Kurzfristig ist es völlig unmöglich vorherzusagen, wann die Märkte fallen werden. Märkte sind volatil: Sie schwanken mit der Zeit auf und ab – sind aber nicht gänzlich zufällig. Die Schwierigkeit besteht darin die Ein- und Ausstiegszeitpunkte korrekt "festzunageln" und dies immer wieder zum richtigen Zeitpunkt zu tun. Es mag verführerisch sein dies zu versuchen, da damit hohe Belohnungen einhergehen. Für die überwiegende Anzahl der Börsenteilnehmer führt dies jedoch zu bösen Überraschungen. Diese Form des aktiven Investierens mündet in unterdurchschnittlichen Renditen, da Einstiegskurse, Zinsen, Dividenden und Verkaufskurse von vielen Unsicherheitsfaktoren abhängig sind.

Die düstere Bilanz der Marktprognostiker

Die Prognosefähigkeit von Kommentatoren in den Medien, Autoren von Newslettern, Aktienmarktanalysten, vermeintlichen Experten und Wirtschaftswissenschaftlern in Bezug auf den weiteren Verlauf der Börse oder die weiteren wirtschaftlichen und konjunkturellen Verläufe halten sich in Grenzen. Aktienmarktprognosen und volkswirtschaftliche Vorhersagen sind routinemäßig fehlgeschlagen, um Umkehrpunkte an den Kapitalmärkten und Konjunkturverläufe vorherzusagen. Dazu zählen die konjunkturellen wirtschaftlichen Aufschwünge nach Rezessionen, die beginnenden Aufschwünge von stark zunehmender oder Phasen abflachender Inflation.

Tatsächlich sind viele Analysen und Prognosen offenkundig ungenau. Sie sind ungefähr so ​​zuverlässig wie ein Meteorologe, der in einer Stadt, in der es viel regnet oder schneit, immer laue Sommerabende prognostiziert. Es ist wahr, dass sie mit der Richtung des Marktes häufiger richtig als falsch liegen. Aber das liegt nur daran, dass die meisten von ihnen sagen, dass der Markt im nächsten Jahr steigen wird, was in etwa 75 Prozent der Fälle der Fall ist.

Paul Hickey, Mitbegründer der Bespoke Investment Group, verglich seit dem Jahr 2000 die jährliche Konsensprognose der Finanzmärkte mit dem tatsächlichen Stand ein Jahr später. Er stellte fest, dass im Durchschnitt der Abstand zwischen der mittleren Prognose und der Marktrendite der Analysten 4,31 Prozentpunkte betrug. Dies entspricht einem Fehler von fast 45 Prozent und die Medianprognose war, dass die Aktienkurse in den letzten 20 Jahren jedes Jahr steigen würden. Tatsächlich fielen diese jedoch in sechs Jahren.

Der Konsens über die grundlegende Richtung des Marktes war in 30 Prozent der Fälle falsch. Es konnte gezeigt werden, dass die Prognosen oft um erstaunliche Beträge danebenlagen, besonders wenn eine genaue Prognose am wichtigsten gewesen wäre. Im Jahr 2008 beispielsweise, als die Aktienkurse um mehr als 38 Prozent fielen, war die Median-Prognose typischerweise fröhlich und der Konsens ging von einem Anstieg der Aktienmärkte von 11 Prozent aus. Diese Prognose lag jedoch um mehr als 49 Prozentpunkte falsch und hatte katastrophale Folgen für jeden, der sich darauf verließ.

Jeff Sommer, ein Finanzautor der New York Times, fasste kürzlich die düstere Bilanz der Börsenprognostiker für die vergangenen Jahre wie folgt zusammen: "Was die Vorhersage der Zukunft betrifft, so ist die Bilanz der Wall Street bemerkenswert für ihre Unfähigkeit." Sommer stellte fest, dass im Dezember 2019 der mittlere Konsens prominenter Wall-Street-Analysten war, dass der S&P 500-Index im Jahr 2020 um 2,7 Prozent steigen würde. Im Ergebnis waren es jedoch mehr als 18 Prozent – ein Prognosefehler von 15 Prozentpunkten. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Diese Liste ist bei weitem nicht vollständig und ließe sich noch viel weiter fortsetzen. Das Problem von Vorhersagen ist dabei, dass es zum einen keinerlei Belege für deren Richtigkeit gibt (zumeist werden Menschen damit enttäuscht oder gar "übers Ohr gehauen"). Zum anderen kann auch die Verarbeitung und Aufnahme dieser Prognosen durch Anleger und Investoren dazu verleiten, gut durchdachte Pläne aufzugeben. Einer der Gründe liegt in Verhaltensverzerrungen.

Ausnahmen von den Regeln

Von 1926 bis 1960 stieg die Aktienmärkte je nach Region und Währungsraum um etwa zehn Prozent pro Jahr an. Selbst wenn Sie die Rendite vom Höhepunkt des Marktes im September 1929 vor dem Crash der Weltwirtschaftskrise gemessen hätten, bei dem die Aktien um mehr als 80 Prozent fielen, hätten Sie bis 1960 etwa 8 Prozent pro Jahr an Rendite verdient. Aktien waren in der Tat die langfristigen Gewinner gegenüber Anleihen. Kaum zu glauben, wie viele Anleger damals mehr oder weniger blind geflogen sind. Die Menschen nehmen die schiere Menge an Informationen, die Anlegern heute zur Verfügung stehen, als selbstverständlich hin. Diese Informationen können hilfreich sein, um Erwartungen und Ausgangswerte festzulegen. Aber Sie können historische Daten nicht verwenden, um die Zukunft mit 100-prozentiger Sicherheit vorherzusagen. Auf den Märkten passieren ständig Dinge, die noch nie zuvor passiert sind.

Das Bedürfnis der Medien nach richtigen oder aufsehenerregenden Marktprognosen, die Aufmerksamkeit erregen, ist leicht zu verstehen, da wir uns von der Idee angezogen fühlen, dass jemand da draußen die Zukunft klar sehen kann. Die Realität ist leider, dass das niemand kann. Nicht ohne Grund versuchen sie eine hohe Anzahl von Menschen auf ihr Medium aufmerksam zu machen. Leser, Hörer, User – sie alle steigern den Umsatz und sind den Werbeeinnahmen dienlich. Deswegen steht nicht zwangsläufig eine glasklare, objektive Informationsmitteilung im Vordergrund, sondern das Erreichen eines breiten Publikums. Menschen wollen Begeisterung und eine "Story". Der "Chorknabe" von nebenan ist nicht das, was Menschen zwangsläufig hören oder sehen wollen. Man erreicht ein breites Publikum nicht, indem über den gewohnten Lauf der Dinge informiert wird. Berichterstattungen über Angst, Gier oder niedrige Beweggründe stoßen da schon auf mehr Interesse.

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