Die Architektin und Stadtplanerin im Interview
Kristiane Floros: "Sanieren ist besser als neu bauen"

Während die Bauindustrie in Deutschland mit einer beispiellosen Krise kämpft, gelingt es der jungen Architektin und Stadtplanerin Kristiane Floros ihr Büro FINAL binnen drei Jahren von einem Zwei-Personen-Start-up zu einem florierenden Unternehmen mit 16 Mitarbeitenden auszubauen. Das Münchner Büro für Architektur und Stadtplanung trotzt der negativen Entwicklung in der Baubranche und wächst weiter.

Der Schlüssel zum Erfolg? Eine konsequente Ausrichtung auf nachhaltiges Bauen und innovative Stadtplanung. Im Interview mit LEADERSNET spricht sie über ihren Werdegang, die Chancen des nachhaltigen Bauens und ihre Vision für die Zukunft der Branche.

LEADERSNET: Frau Floros, die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 41 Prozent der Unternehmen in der Baubranche berichten über Produktionsbehinderungen durch Auftragsmangel. Die Auftragsbücher sind dünn, viele Bauprojekte stagnieren. Inmitten dieser schwierigen Marktbedingungen beweisen Sie, dass trotzdem Wachstum möglich ist. Wie gelingt Ihnen das?

Kristiane Floros: Wir waren von Anfang an überzeugt, dass Nachhaltigkeit der Bereich ist, der angesichts des Klimawandels nicht nur politisch und gesellschaftlich wichtig ist, sondern auch wirtschaftlich immer relevanter wird.

LEADERSNET: Ihr Weg vom kleinen Start-up zum erfolgreichen Büro für Architektur- und Stadtplanung ist beeindruckend. Was treibt Sie persönlich an?

Kristiane Floros: Der Wunsch, einen positiven Beitrag zu leisten: Ich bin überzeugt, dass wir als Planer:innen und Architekt:innen die Verantwortung haben, die Welt für kommende Generationen lebenswerter zu machen. Jedes Projekt ist ein Schritt in diese Richtung. Und die besten Ideen entstehen immer dann, wenn man nicht nur die Gebäude, sondern auch die Menschen dahinter versteht.

LEADERSNET: Warum ist Nachhaltigkeit eine Chance zum Erfolg?

Kristiane Floros: Die Bauindustrie hat einen enormen ökologischen Fußabdruck: Rund 50 Prozent der globalen Ressourcen und 40 Prozent der Energie fließen in den Bau, hinzu kommen 60 Prozent des weltweiten Abfalls. Es gibt heutzutage viele Forderungen seitens der Politik, aber auch diverse Fördermöglichkeiten.

LEADERSNET: Sie sprechen davon, dass nachhaltiges Bauen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll ist. Wie macht sich das konkret im Wettbewerb bemerkbar? Haben Sie den Eindruck, dass Bauherren und Investoren umdenken?

Kristiane Floros: Ja, definitiv. Nachhaltigkeit ist zunehmend ein Wettbewerbsvorteil. Gerade größere Bauprojekte müssen heute ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) erfüllen. Banken und Investoren fordern Zertifizierungen wie das DGNB- oder QNG-Siegel. Hier helfen wir Bauherren, sich im Dschungel der Möglichkeiten zu orientieren. Wir beraten über Möglichkeiten, führen Zertifizierungen durch, die Voraussetzung für zinsgünstige Kredite und langfristige Wertstabilität sind. Außerdem führt der Fokus auf Kreislaufwirtschaft dazu, dass Materialien wiederverwendet werden können, was in Zeiten steigender Rohstoffpreise große Kostenvorteile bringt.

LEADERSNET: Nach welchen Kriterien gehen Sie vor?

Kristiane Floros: Sanieren ist besser als neu bauen: Wir prüfen immer zuerst, ob ein Gebäude erhalten und weiter genutzt werden kann. Je länger die Lebensdauer eines Gebäudes, desto nachhaltiger ist es. Wir planen Gebäude so, dass sie später leicht in ihre Bestandteile zerlegt und Materialien recycelt werden können. Konzepte der Kreislaufwirtschaft wie Cradle to Cradle spielen dabei eine große Rolle. Es ist uns wichtig, gesunde Gebäude zu planen. Schadstofffreie Materialien sorgen nicht nur für eine bessere Kreislaufführung, sondern auch für gesundes Wohnen und Arbeiten.

LEADERSNET: Viele Mittelständler in der Baubranche stehen vor der Frage, wie sie sich nachhaltiger aufstellen können. Welche Tipps geben Sie Unternehmen, die jetzt umdenken möchten?

Kristiane Floros: Der erste Schritt ist die Bestandsaufnahme: Wo stehen wir aktuell? Oft braucht es nur kleine Anpassungen, um nachhaltigere Prozesse einzuführen – etwa die Wahl anderer Materialien oder der bewusste Verzicht auf unnötige Verschwendung. Entscheidend ist aber der Mut zur Innovation. Mittelständische Unternehmen sollten sich trauen, mit Partnern zu arbeiten, die bereits Erfahrung in nachhaltigen Projekten haben. Kooperationen sind hier der Schlüssel. Es hilft auch, Förderprogramme konsequent zu nutzen – da liegt viel ungenutztes Potenzial.

LEADERSNET: Können Sie ein konkretes Beispiel für nachhaltige Bauprozesse nennen?

Kristiane Floros: Fenster und Türen werden oft mit PU-Schaum verklebt. Das erschwert jedoch den späteren Ausbau und eine Wiederverwendung. Sie können aber auch verschraubt werden. Das ist eine materialsparende Lösung, die eine einfache Trennung erlaubt. In der Theorie klingt das einfach, in der Praxis gibt es aber oft Widerstand. Es ist keine Seltenheit, dass ein Handwerker sagt: "Wir haben das schon immer so gemacht, warum sollten wir es jetzt anders machen?" Da muss man einfach immer in der Kommunikation und im Austausch bleiben. Irgendwann gibt es hoffentlich eine neue, nachhaltige Normalität. Aber genau hier liegt die Chance: Firmen, die sich auf nachhaltiges Bauen einstellen, werden in Zukunft erfolgreicher sein.

LEADERSNET: Wenn Sie in die Zukunft blicken: Wie sieht Ihrer Meinung nach die Bau- und Stadtplanungsbranche aus, und welche Rolle möchten Sie mit FINAL darin spielen?

Kristiane Floros: Ich bin überzeugt, dass die Branche radikal nachhaltiger und digitaler sein wird. Bauprozesse werden stärker automatisiert und Materialien werden zunehmend in Kreisläufen gedacht. Für FINAL wünsche ich mir, dass wir nicht nur gemeinsam weiterwachsen, sondern auch Vorreiter für Innovationen bleiben. Mein Ziel ist es, dass wir mit unserem Team nicht nur Gebäude planen, sondern Lebensräume für Menschen schaffen und die Umwelt schützen. Ich freue mich auf den Moment, wenn nachhaltiges Bauen dann nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel ist.

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