Der Filmproduzent im Interview
Nico Hofmann: "Die Digitalisierung hat einen enormen Einfluss auf die Art der Produktion”

Nico Hofmann, eine Ikone der deutschen Filmindustrie, hat die Landschaft des deutschen Fernsehens maßgeblich geprägt. Als einer der erfolgreichsten Filmproduzenten Deutschlands revolutionierte er Anfang der 2000er Jahre das Fernsehen mit der Einführung des Event-TV-Formats.

Produktionen wie "Unsere Mütter, unsere Väter" und "Der Tunnel" setzten neue Maßstäbe für hochwertige Fernsehunterhaltung und läuteten eine neue Ära ein. Hofmanns Karriere erreichte einen weiteren Höhepunkt, als er die Führung der Ufa übernahm, einer der traditionsreichsten und renommiertesten Marken der deutschen Filmgeschichte. Unter seiner Leitung hat die Ufa ihre Position als führendes Produktionsunternehmen weiter gefestigt und sich den Herausforderungen des digitalen Zeitalters gestellt. Im Interview mit LEADERSNET gewährt Nico Hofmann tiefe Einblicke in seine Karriere und teilt seine Perspektiven auf die sich wandelnde Medienlandschaft.

LEADERSNET: Was hat Sie dazu inspiriert, eine Karriere in der Filmbranche anzustreben? Gab es einen bestimmten Film oder eine Person, die Sie besonders beeinflusst hat?

Nico Hofmann: Meine Begeisterung für den Film begann schon in meiner Kindheit, beeinflusst durch den Haushalt meiner Eltern. Beide waren Journalisten – meine Mutter arbeitete bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, und mein Vater war als Journalist auch in der Filmbranche aktiv. Er organisierte die Mannheimer Filmwoche, ein bedeutendes Festival, besonders im Hinblick auf den Ostblock. Viele berühmte tschechische und polnische Filmemacher waren dort vertreten, auch die frühen Werke von Herzog und Fassbinder wurden gezeigt. Mein Vater nahm mich immer mit ins Kino, und so entwickelte sich bei mir schon sehr früh eine Begeisterung für Film und Filmkultur. Diese Mischung aus Journalismus und Film hat mich von klein auf geprägt.

LEADERSNET: Können Sie uns mehr über die Strategie der Ufa erzählen, um sich in einem zunehmend digitalen und globalisierten Markt zu behaupten?

Nico Hofmann: Ich war 26 Jahre bei Bertelsmann, und meine Karriere begann 1998 in einer kleinen Boutique-Firma innerhalb der UFA Holding, genannt teamworx. Wir haben damals viele Event-Produktionen gemeinsam mit Jan Mojto umgesetzt, mit dem ich heute eng zusammenarbeite. Diese Firma entwickelte sich stetig weiter, und wir erzielten schließlich einen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro. Ein bedeutender Schritt war später der Zusammenschluss der verschiedenen fiktionalen UFA-Firmen, wie Phoenix Film, UFA Fernsehproduktion und teamworx, zur UFA Fiction. Dieser Zusammenschluss führte zu einer starken Synergie und einer klaren Ausrichtung im Team. Die Strategie war immer, diese Synergien zu schaffen und eine starke Teamorientierung zu fördern. Das ist entscheidend, um in einem globalisierten Markt erfolgreich zu sein. Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Vor etwa zehn Jahren war das schon spürbar. Jetzt haben Sie KI als nächstes großes Thema. Die Digitalisierung habe ich früh wahrgenommen und sehr ernst genommen. Bei uns geht es ja vor allem um die Ausspielwege, also wohin überall mittlerweile gesendet oder gestreamt wird. Nicht nur über lineare Sender, mittlerweile kann das Handy oder Pad ja überall alles empfangen. Die Digitalisierung hat einen enormen Einfluss auf die Art der Produktion, auf die Kosten, auf die Nutzung. Das haben wir sehr früh erkannt, auch in der RTL-Gruppe. RTL+ ist da ein gutes Beispiel, ein Streaminganbieter, den Bertelsmann vor Jahren schon initiiert hat. Dieser Bereich der Digitalisierung wird in den nächsten Jahren natürlich massiv zunehmen.

LEADERSNET: Ihre Produktionen sind oft von historischen Ereignissen inspiriert. Wie wählen Sie die Themen für Ihre Projekte aus, und was ist Ihnen bei der Umsetzung besonders wichtig?

Nico Hofmann: Die Themen sind nicht alle historisch, das wirkt immer so, aber ich habe mittlerweile über 500 Filme produziert. Ich würde sagen, von den 500 Filmen sind über die Hälfte nicht historisch. Im Grunde genommen ist es immer ein journalistisches Vorgehen: ein Gespür für Zeitgeist, für das, was die Menschen bewegt. Bei mir war ganz sicher die Schuldfrage meiner Eltern im Nationalsozialismus das prägende Thema. Ich habe mich, wenn Sie so wollen, 30 Jahre mit dem Thema Familie und Nationalsozialismus beschäftigt – und auch daran abgearbeitet.

Ich unterrichte seit Jahrzehnten in Ludwigsburg, an der Filmakademie, bei einer jüngeren Generation. Da sind ganz stark die Themen Identität, sexuelle Identität, Werte, Wertvorstellungen, Umweltschutz und Klima präsent. Jede Generation findet ihr zentrales Thema. Man muss ein durchaus starkes journalistisches Gespür haben. Ich bin jemand, der sehr viel liest, ich habe ein Gespür für Menschen, für Länder, für Befindlichkeiten entwickelt. Daraus speist sich mein Interesse am Stoff.

LEADERSNET: Wenn Sie auf Ihre beeindruckende Karriere zurückblicken, was waren die prägendsten Momente und welche Ratschläge würden Sie jungen Filmemachern geben, die in Ihre Fußstapfen treten möchten?

Nico Hofmann: Einmal ist es wirklich wichtig, dass Sie Partner haben, auf die Sie sich verlassen können. Als ich 2022 den Carl Laemmle Produzentenpreis bekommen habe, habe ich mich bei zwei Menschen bedankt: zum einen Jan Mojto, der mich über 30 Jahre mit vielen Koproduktionen begleitet hat. Wir haben einen sehr ähnlichen Geschmack, also eine gemeinsame Haltung, auch politische Haltung zu dem, was wir machen. Ich habe eine große freundschaftliche Verbindung zu Jan Mojto entwickelt.

Der andere ist Wolf Bauer, mein ehemaliger Chef bei der UFA, der mich mit 38 Jahren gefördert und später zu seinem eigenen Nachfolger gemacht hat. Sie brauchen starke Mentoren. Und das zweite Kriterium: immer bei seinem eigenen Weg zu bleiben. Ich kenne auch viele österreichische Studierende in Ludwigsburg: alle sehr talentiert. Es geht immer wieder darum, beim eigenen Weg und seiner eigenen Haltung, der eigenen künstlerischen Linie zu bleiben und sich in jungen Jahren nicht ablenken zu lassen. Diese Konstanz in der eigenen Energie, in der eigenen kritischen Bewertung dessen, was man macht, ist die zentrale Basis von Erfolg.

LEADERSNET: Welche Trends und Entwicklungen sehen Sie derzeit in der deutschen Film- und Fernsehbranche, und wie beeinflussen diese Ihre Arbeit? Welche Veränderungen in der Medienlandschaft sehen Sie als die größten Herausforderungen für Produzenten in den kommenden Jahren?

Nico Hofmann: Wir erleben im Moment ein extremes Konkurrenzbewusstsein aller Akteure. Sie haben in Deutschland nach wie vor ein sehr starkes öffentlich-rechtliches Fernsehen und mittlerweile auch sehr starke Streamingangebote. Zuschauer und Zuschauerinnen können mittlerweile aus 150 digitalen und linearen Programmen wählen. Der Geschmack wird individueller, immer spitzer. Die Menschen bauen ihr eigenes Programm.

Die Zuschauer suchen nach dem Besonderen, nach dem persönlichen Film, nach der persönlichen Serie, das Mittelmaß rutscht weg. Der Geschmack hat sich deutlich differenziert, weil die Menschen seit Jahren ein sehr viel größeres Angebot an Fiktionalem konsumieren. Sie können Filme wie vor 20 Jahren heute so nicht mehr produzieren, das würde sich kein Mensch mehr ansehen.

Ein anderer wichtiger Punkt ist die europäische Finanzierungsmöglichkeit: wir erleben im Moment aufgrund knapper Kassen eine größere Synergie im Weltvertrieb und der Koproduktionen. Also wohin wird das Programm verkauft? Welcher Sender beteiligt sich mit welchen Schauspielerinnen und Schauspielern, mit welchem Geld? Auch die deutsch-österreichische Achse ist für mich immer extrem wichtig gewesen, besonders mit dem ORF. Es gibt also viele Entwicklungen, die stark auf den Produzentenmarkt einwirken und ihn verändern.

LEADERSNET: Wohin wird sich Ihrer Meinung nach die deutsche Filmbranche in den nächsten Jahren entwickeln? Welche Trends und Themen werden Ihrer Ansicht nach an Bedeutung gewinnen?

Nico Hofmann: Zunächst einmal sehen wir ein unglaublich starkes Talent, auch in Österreich: Kreative wie David Schalko oder viele andere. Es gibt im Moment eine sehr lebendige österreichische Filmszene, hier auch dieser Trend zur eigenen Sprache, zur eigenen Haltung, also zum Nichtkonformen, weg vom Langweiligen, schon tausendmal Dagewesenen. Dieser Wunsch nach individuellem, radikalem Programm nimmt im Moment zu, weil die Studierenden sehr gut ausgebildet sind.
Ich bin ein großer Fan von Michael Haneke. Haneke hat eine ganze Epoche geprägt. Es gibt im Moment gerade in Österreich eine starke Talentbasis, auch bei den Jüngeren – und die ist sehr individuell. Die größte Veränderung sind die Themen, die Junge stark beschäftigen: Identität, Familie, Herkunft. Ich spüre auch ein anderes Gefühl von Solidarität untereinander, ein anderes Angewiesensein auf die eigene Generation. Unsere Studierenden tauschen sich viel mehr untereinander aus, das ist kameradschaftlich. Ich empfinde diese junge Generation als eine völlig andere als meine Generation.

LEADERSNET: Wie sehen Sie den Einfluss von Streaming-Diensten wie Netflix auf die deutsche Film- und Fernsehproduktion? Streaming-Dienste haben die Medienlandschaft stark verändert. Wie sehen Sie die Rolle des traditionellen Fernsehens in dieser neuen Ära?

Nico Hofmann: Ich bin da objektiv, das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen, auch in der Kofinanzierung mit dem ORF, hat seit Jahren die Herausforderungen der Zeit verstanden. Das deutsche Fernsehen, ZDFneo beispielsweise oder die jungen Serien, die die Degeto in der ARD macht, haben sich sehr modernisiert und sehr radikalisiert. Da gibt es zum Beispiel "Asbest", eine deutsch-türkische Serie bei der ARD oder "Die Zweiflers" – ich könnte auch viele Programme bei ZDFneo nennen. Die Zeichen der Zeit sind also auch bei den öffentlich-rechtlichen längst erkannt worden, es gibt viele Produktionen bei den öffentlich-rechtlichen, die genauso radikal produziert werden wie im Streaming.
Was das Streaming betrifft, so muss man ganz klar sagen, dass hinter den großen Streamingportalen weltweite Konzerne stehen: diese interessieren sich natürlich am stärksten für ein nationales Produkt, das trotzdem in der ganzen Welt funktioniert. Wir haben bei der UFA immer mit Amazon zusammengearbeitet. "Maxton Hall" ist im Moment das erfolgreichste nicht-englischsprachige Programm bei Amazon. Wenn Sie diese Serie anschauen, sieht es so aus, als wäre sie komplett in England gedreht. Es ist aber hier vieles in der Nähe von Bergisch Gladbach gedreht, obwohl die Streamer auch in der Optik ein nationales Produkt wollen, das international erfolgreich ist und überall auf der Welt verstanden wird. Das machen die deutschen öffentlich-rechtlichen nicht so ausgeprägt. Sie schauen stark auf ein lokales Programm, in dem sich auch viele meiner Studierenden wiederfinden und starke Filme machen.

LEADERSNET: Können Sie uns Einblicke in kommende Projekte geben, an denen Sie gerade arbeiten, und was die Zuschauer in naher Zukunft von Ihnen erwarten können? Gibt es ein Projekt oder eine Idee, die Sie schon lange verwirklichen möchten, aber bisher nicht konnten?

Nico Hofmann: Aktuell arbeiten wir weiterhin an der erfolgreichen "Ku'damm"-Serie für das ZDF, die wir innerhalb der UFA mit Annette Hess entwickelt haben. Außerdem plane ich mit BETA eine große Eventverfilmung der Thomas-Mann-Familiengeschichte aus der Perspektive der Kinder Erika und Klaus Mann; wir haben die Rechte an den Büchern von Maxim Leo erworben. Ein weiteres großes Projekt ist die Verfilmung des Lebens von Marlene Dietrich, nach dem neuen Buch von Thomas Huetlin. Ich konzentriere mich derzeit auf wenige, aber dafür sehr große und auch international finanzierbare Projekte.

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