Bei den Luxusgiganten LVMH und Richemont gingen die Umsätze kürzlich um ein Prozent zurück. Klingt nicht nach viel, löst in einer Wachstums-fixierten Branche jedoch Panik aus. Noch drastischer trifft es Kering, zu denen Gucci gehört – ein Minus von elf Prozent. Burberry spürt die Krise am härtesten, mit einem Rückgang von 22 Prozent. So fasst es die Welt in einem Überblicksartikel zusammen.
Die Zeit, in der sich die Mittelklasse nach einem Kleid von Dior sehnte, scheint vorbei. Luxusmarken haben in den letzten Jahren ihre Preise drastisch erhöht, ohne dabei die Qualität zu verbessern. Ein Symbol dieser Entwicklung: Eine Chanel-Tasche kostet heute doppelt so viel wie vor sechs Jahren. Marken wie Chanel und Hermès reagierten auf die Pandemie mit saftigen Preiserhöhungen, statt sich den Bedürfnissen ihrer Kundschaft anzupassen.
Hoodie um 1000 Euro? Kontakt zu den Wurzeln verloren
"Innerhalb von nur drei Jahren haben die Luxushersteller ihre Preise um 25 Prozent angehoben, ohne ihre Qualität zu verbessern“, bemerkt Trendanalyst Carl Tillessen in dem Medium. Der 1000-Euro-Hoodie und die 1000-Euro-Sneaker sind nicht mehr nur Luxusgüter, sondern Statements einer Branche, die den Kontakt zu ihren Wurzeln verloren hat.
Ein weiteres Problem: Der überzogene Personenkult. Als Virginie Viard nach dem Tod von Karl Lagerfeld 2019 zur Kreativdirektorin bei Chanel ernannt wurde, sah man dies als logische Fortsetzung. Doch schon bei ihrem Abschied in diesem Jahr ging ein Aufatmen durch die Branche. Ähnlich erging es Peter Hawkins, der es bei Tom Ford nur gut ein Jahr auf dem Chefsessel aushielt.
Personenkult als Problem für die Marke
Auch bei Gucci zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Sabato De Sarno, der neue Chefdesigner, sollte die Marke zurück zu klassischen Werten führen. Doch die bisherigen Ergebnisse enttäuschen, und man fragt sich, wie lange er sich im Amt halten kann. Kreative Visionäre werden in der Branche immer seltener – und das zeigt sich deutlich in der Qualität der Kollektionen.
Alessandro Michele, der ehemalige kreative Kopf von Gucci, versucht sich nun bei Valentino. Doch warum sollte das Publikum begeistert sein, wenn er dort weitermacht, wo er bei Gucci gescheitert ist? Die Branche scheint gefangen in einem Kreislauf der Wiederholung. Es fehlt an neuen Ideen, die die Mode wieder aufregend machen könnten.
Pfeifen Marken wie Dior und Armani auf Nachhaltigkeit?
Auch die viel beschworene Moral der Branche entpuppt sich oft als bloßes Lippenbekenntnis. Trotz aller Bekenntnisse zu Transparenz und Nachhaltigkeit wurden Marken wie Dior und Armani kürzlich dabei ertappt, in von Chinesen betriebenen Sweatshops in Süditalien zu haarsträubenden Bedingungen produzieren zu lassen. Kein Wunder, dass gefälschte Produkte für viele junge Menschen eine akzeptable Alternative darstellen.
Die horrenden Preise für Luxusartikel lassen sich nicht nur mit Handarbeit und teuren Rohstoffen erklären. Ein Blick auf Veranstaltungen wie die Biennale in Venedig zeigt: Modefans finanzieren oft die extravaganten Kunstprojekte der Konzernbosse, während die eigentliche Mode zur Nebensache wird.
Mode als Kulturprodukt
Als LVMH den Popstar Pharrell Williams zum Kreativdirektor der Männermode von Louis Vuitton machte, war dies kein verzweifelter Versuch, sondern die konsequente Umsetzung einer Strategie: Luxusmarken sollen nicht nur Mode, sondern "kulturelle Inhalte“ liefern. Doch wirkt eine Modenschau, bei der Superstars wie Jay-Z, Beyoncé und Kim Kardashian aufmarschieren, immer weniger kultiviert und zunehmend wie eine pompöse Inszenierung.
Miu Miu als Lichtblick
Während die großen Marken in einer Krise stecken, gibt es dennoch Lichtblicke. Miu Miu, lange Zeit nur eine Nebenmarke von Prada, hat sich unter der kreativen Leitung von Lotta Volkova neu erfunden und verdoppelte seinen Umsatz in der ersten Hälfte von 2024 fast. Es zeigt, dass es immer noch kreative Köpfe gibt, die die Mode neu definieren können.
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