Standort auf dem Prüfstand
Viel Bürokratie, wenig Stabilität: Ausländische Unternehmen verlieren Vertrauen in Deutschland

| Redaktion 
| 12.03.2024

Durch Aussagen der führenden Regierungsparteien kann man den Eindruck gewinnen, dass sich Deutschland trotz einiger Herausforderungen auf einem guten Kurs befindet. Dass diese Ansicht im Ausland immer seltener geteilt wird, suggeriert eine neue KPMG-Auswertung.

Ständige Streiks im Güterverkehr, ein kostspieliger Weg durch die Energiewende oder nationale (wie möglicherweise bald auch internationale) Lieferkettengesetze: Allein als treuer Leadersnet-Leser stößt man recht regelmäßig auf Aspekte der derzeitigen Bundesrepublik, die sich negativ auf die Investitionslust ausländischer Unternehmen auswirken dürften.

So sehr man sich redaktionell um eine möglichst ganzheitliche Betrachtung der Dinge bemüht – als Medium aus Deutschland ist es mitunter schwierig, Deutschland aus der Außenperspektive zu sehen. Umso aufschlussreicher ist es deshalb immer wieder, Meinungsbilder aus dem Ausland einzuholen. Dazu können Artikel aus anderen Ecken der Welt genauso dienen wie seriöse Umfragen und Untersuchungen. Durch letztere erlaubt uns KPMG, eine der weltweit umsatzstärksten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die derzeitigen Gedanken externer Unternehmen besser nachzuvollziehen.

Ukraine und Konjunktur lassen krisenresistentes Image bröckeln

Leider werfen die gewonnenen Erkenntnisse kein allzu gutes Licht auf die Attraktivität von Deutschland als Standort: Die Auswertungen der Studie "Business Destination Germany 2024“ ergeben in diversen Vergleichsfaktoren ein negativeres Bild gegenüber der Bundesrepublik als noch vor zwei Jahren. Mehrfach büßt der Standort Deutschland dabei Zustimmungs-Prozentpunkte in zweistelliger Höhe ein.

Mit einem Rückgang von 22 Prozentpunkten führt das Kriterium "Politische Stabilität" diese unrühmliche Verlustliste an. Meinungen wurden zwischen September und Dezember letzten Jahres von insgesamt 350 CFOs ausländischer Unternehmen eingeholt, die auch in Deutschland tätig sind.

Ende 2021 sahen 80 Prozent von ihnen die Bundesrepublik in besagtem Bereich unter den Top Five in Europa – 2023 denken nur noch 58 Prozent so. Zu Pandemiezeiten habe uns das Ausland als "krisenresistent und stabil wahrgenommen", durch den Ukrainekonflikt und eine schwache Konjunktur habe sich dieser Eindruck laut KPMG-Bereichsvorstand und Studienautor Andreas Glunz jedoch gedreht.

Auch andere traditionell hochbewertete Aspekte schneiden in der jüngsten Umfragerunde deutlich schlechter ab: Sowohl der "Lebensstandard" (von 81 auf 72 Prozent) als auch die "Öffentliche Sicherheit" (von 80 auf 69 Prozent) lassen merklich Federn, während sogar die sonst so gern mit dem deutschen Wesen verknüpfte "Arbeitsproduktivität" von 72 auf 55 Prozent purzelt.

Deutschland als digitaler Pflegefall

Großes Sorgenkind der Untersuchung bleibt die "Digitale Infrastruktur". Lediglich elf Prozent aller Befragten räumen Deutschland hier einen Platz in Europas Spitze ein, wodurch der Sturz gegenüber 2021 immerhin nur zwei Prozentpunkte beträgt. Gleichzeitig gehört die BRD in diesem Bereich für 41 Prozent der Befragten zu den fünf rückständigsten Nationen in Europa. In diesem Zusammenhang fällt auch die mangelnde Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung negativ ins Gewicht: Jedem vierten Befragten fiel kein Land auf dem Kontinent ein, das hier schlechter als Deutschland aufgestellt ist.

Dementsprechend stellt die oberste Empfehlung der KPMG-Studien keine Überraschung dar - Bürokratieabbau und damit einhergehend die Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen seien gefragt. Auch eine stärkere Investitionsbereitschaft in Zukunftstechnologien und Megatrends (etwa Klimaschutz oder digitale Sicherheit) wird den Verantwortlichen ans Herz gelegt.

Ferner rät Andreas Glunz zu externer Verstärkung: "Eine Zuwanderung von 500.000 qualifizierten Arbeitskräften pro Jahr wäre nötig, um den Fachkräftemangel in Deutschland auszugleichen. Aber viele der Zuwanderer fassen im Arbeitsleben nicht Fuß oder verlassen das Land schnell wieder. Hochqualifizierte Kräfte meiden Deutschland zunehmend. Wichtig wäre eine modernisierte Einwanderungspolitik respektive eine Migrationsstrategie, die integrations-, produktivitäts- und bedarfsorientiert ist.“

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