Aldi wirbt mit kompromissloser Frische, Fritz Kola prangert Plastikflaschen als Werk des Satans an. McDonald's packt zum Pride Month Regenbogen-Sticks in die Tüte. Capri-Sun inszeniert den Frischekick und Fanta ermuntert dazu, dem „inneren Deppen" mal freien Lauf zu lassen. So unterschiedlich diese OOH-Kampagnen in ihrer Aussage und ihrer Umsetzung sind, sie alle eint ein wichtiges Prädikat: Sie sind emotionale "High Performer", das heißt sie erzeugen beim Betrachter hohe emotionale Relevanz. So stärken sie das emotionale Profil der jeweiligen Marke und damit den wichtigsten Erfolgsfaktor für die Wirkung von Werbung und Information.
Aldi, Fritz Kola, Fanta, Capri-Sun und McDonald's sind die beispielhaften "Best Cases" einer neuen, qualitativen Studie des Fachverbands Aussenwerbung (FAW) – durchgeführt durch die September Strategie & Forschung GmbH – die die emotionale Wirksamkeit von OOH durch Bilder untersucht und Aufschluss darüber gibt, wie sich Gedankenwelten durch implizite visuelle Codes erschaffen lassen.
Das emotionale System des Menschen als Antwort
"Dass OOH wirkt, sehen wir in unzähligen Grundlagenstudien für unsere Kunden", erklärt Cornelia Krebs, Head of Media bei September. "Denn Menschen sind wie kleine Schwämme, sie saugen alles auf. Sind sie 'on the go', sind sie besonders 'on' – sie sind auf der Jagd, müssen ihre Umwelt unbewusst scannen, immer 'up to date' sein." Das Problem sei daher nie das Medium als solches, sondern die Frage, wie es ein Motiv angesichts der Fülle an Informationen auf einer Vielzahl von Kanälen in die Bewusstmachung schaffe. Krebs: "Was hat Relevanz, wie wird etwas transportiert – darum geht es."
Die Antwort liefert das emotionale System des Menschen. Es filtert und bewertet ständig und automatisch sämtliche Umwelteindrücke. Und trifft Entscheidungen, ohne sich vom langsam denkenden Bewusstsein bremsen zu lassen. Dieses meist unbewusste Filtern und Zusammenführen von Teil-Informationen führt zu subjektiv sinnvollen Gesamteindrücken – der Wahrnehmung. Um den emotionalen Filter zu passieren, um Aufmerksamkeit zu wecken und die Wahrnehmung zu erreichen, braucht es dominante Signale und Botschaften. Optische Dominanz, das heißt Auffälligkeit, schafft ein Bruch, ein Abheben von der Umgebung in Form, Farbe oder sonstigem Auftreten. Ästhetik spielt dabei eine untergeordnete Rolle, denn auch das gezielte Durchbrechen von Harmonie erzeugt Aufmerksamkeit.
Plakate sind die Ausstellungsstücke einer Stadt
In der Wahrnehmung nimmt Außenwerbung als Medium grundsätzlich eine Sonderstellung ein. Da die Begegnung in der Regel zufällig im öffentlichen Raum stattfindet, ist OOH keine Unterbrechung des medialen Konsums von Inhalten, sondern gehört zum Stadtbild. Diese Form der Werbung wird ebenso als aktuell und relevant wie auch als informativ, wertig und verdeutlichend empfunden, wie die Aussagen der Probanden belegen: "Plakate sind die Ausstellungsstücke einer Stadt".
Die hier werbenden Marken werden entsprechend als Teil dieser Ausstellung gesehen. Und wie im Museum wird aus unbeteiligtem Schlendern und Vorbeilaufen in dieser urbanen Ausstellung erst Interesse, wenn starke Emotionen ins Spiel kommen – Neugier, Befremden, Vergnügen, Schock, Wohlbefinden, Verärgerung oder Verführung überwinden die unbewussten Hürden der Wahrnehmung.
So erweist sich ein Plakat von Fritz-Kola zum "Teufelszeug Plastik" als wahres Ausstellungs-Highlight und "Skalensprenger" im Rahmen der Wirkungsstudie. Hohe Werte für Attraktion und Reflexion machen deutlich, wie sehr das Motiv die Betrachter in den Bann zieht und positiv gedanklich mitnimmt, die Wirkung entwickelt sich weit über die Betrachtungszeit hinaus (Relevanz).
Out of Home ist Street-Art
"OOH ist Street-Art", sagt Cornelia Krebs und resümiert: "Um sich in der Wahrnehmung durchzusetzen, bedarf es schneller, klar decodierbarer Codes, mit Fit zu Kampagnenziel und Marke, die binnen Sekunden produktiv gelöst werden können. Nur dann schafft es die Street-Art, emotional relevant und attraktiv abzuholen." Dabei trägt die Priorisierung von Inhalt und Botschaft ebenso zum schnellen Lösen bei wie die Nutzung bereits etablierter Marken-Codes.
Mehr noch: Markenbekannte Codes sollten nicht nur verwendet, sondern über OOH weiter etabliert werden, denn über diese "Street-Art" einer Stadt lasse sich die Sichtbarkeit von Farbe, Schrift, Logo bis hin zu Kampagnencodes besonders stärken, lautet eine zentrale Empfehlung zur Schaffung möglichst eingängiger Gedankenwelten. Weitere zielführende "Dos" sind zeitgetreue und aktuelle Botschaften sowie die sichtbare Benennung eines klaren Mehrwerts für den Betrachter über die Subline.
Wer die Gesetze der selektiven Wahrnehmung nutzen will, sollte sie beim Aufbau eines Motivs mitdenken und nicht entgegen der Wahrnehmungsreihenfolge arbeiten. Zum Beispiel erst Bild, dann Schrift – niemals umgekehrt. Damit sich die Wirkung eines Motivs entfalten kann, muss es außerdem dem Blick einen Halt geben. Zu viele Codes und Inhalte aber kannibalisieren sich gegenseitig, die Reizüberflutung überfordert den Betrachter. Neben einer visuellen Führung braucht es innerhalb der Geschichte des Plakats auch eine inhaltliche Guidance. "Der rote Faden der emotionalen Story muss sichtbar werden", betont Studienleiterin Krebs und warnt davor, im Plakat eine "zu große Welt" aufzumachen.
Poetry Slam statt Roman oder große Story
Eine spezielle Erkenntnis aus der Wirkungsstudie gilt Digital Out Of Home (DOOH). Da beim Kontakt mit DOOH nicht immer Zeit ist, um den Beginn eines Spots zu sehen, sollte der visuelle Einstieg jederzeit möglich sein, das heiß der Spot muss mehrere visuelle Einstiegspunkte bieten. Auch bei DOOH sei ein attraktives visuelles Abholen enorm wichtig, so Krebs.
Gelingt dieser wichtige Punkt, hat DOOH eine optimale Chance, die Geschichte der Street-Art "konsumig schnell" und vor allem leicht weiterzuerzählen, als Unterhaltung für zwischendurch. Die Möglichkeiten des Bewegtbilds dürfen keinesfalls dazu genutzt werden, so viele Informationen wie möglich in einen Spot zu packen, lautet die eindeutige Mahnung. Gerade weil niemand wisse, wann ein Betrachter in DOOH "einsteigt", solle die Geschichte kein Roman oder die große Story werden, "sondern eher ein Poetry Slam".
www.faw-ev.de
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