RTL kritisiert Bundeskartellamt
Absage an Ad Alliance: Fairer Wettbewerb zulasten der deutschen Wettbewerbsfähigkeit?

| Redaktion 
| 19.12.2024

Was sich lange Zeit angedeutet hat, ist nun besiegelt: Das Bundeskartellamt hat sich dagegen ausgesprochen, dass Ad Alliance die Vermarktung des Fernsehsenders RTLzwei übernimmt. Nach fast anderthalbjähriger Prüfung des Vorhabens hat man bei RTL und RTLzwei "angesichts der mitgeteilten Begründung kein Verständnis" für die Entscheidung und warnt vor einer zunehmenden Marktdominanz weniger stark regulierter Wettbewerber. 

Ad Alliance ist ein führender Crossmedia-Vermarkter unter Leitung der RTL Deutschland GmbH, die mit 35,9 Prozent zudem größter Anteilseigner bei RTLzwei ist. Nun könnte man als unbedarfter Zaungast denken, dass all diese mehr oder weniger unter einem Dach agierenden Entitäten grundsätzlich frei und bedarfsgerecht zusammenarbeiten dürfen.

In der Praxis sorgt das Bundeskartellamt jedoch dafür, dass einzelne Unternehmen nicht zu viel Marktmacht auf einmal einnehmen, weil das zur Verzerrung des deutschen Wettbewerbs führen könnte. Eine solche Gefahr sieht die Behörde auch bei den Plänen zur Zusammenarbeit zwischen Ad Alliance und RTLzwei gegeben, weshalb sie sich am Mittwoch erneut gegen die Durchführung des Vorhabens gestellt hat.

Prüfungsverfahren seit anderthalb Jahren

Schon im Sommer 2023 hatte RTL das Amt um eine Einschätzung gebeten und wenig später eine "kritische Rückmeldung" zum Thema erhalten. In der Zwischenzeit hatte das Bundeskartellamt Befragungen bei "allen wesentlichen Mediaagenturen und 30 großen Werbetreibenden" durchgeführt. Bestätigt wurde der negative Befund im Frühjahr; trotz eines daraufhin noch einmal modifizierten Kooperationsvorhabens konnten sich die behördlichen Entscheidungsträger offensichtlich nicht überzeugen lassen.

"Die Realitäten in der Medienwelt sind in Bewegung. Deshalb haben wir uns ganz genau angeschaut, ob es angesichts der sich ändernden Sehgewohnheiten hinnehmbar sein könnte, dass RTL und RTL2 bei der Werbevermarktung zusammenarbeiten. Dafür haben wir den Markt im engen Austausch mit den Beteiligten in mehreren Runden eingehend befragt", schildert Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes.

"Dabei hat sich gezeigt, dass das lineare Fernsehen beim Bewegtbild-Werbeflächenangebot nach wie vor sehr stark ist. Neue Player wie Netflix, Amazon Prime oder Disney stoßen zwar in diesen Bereich vor, erreichen aber bislang nicht das Gewicht, dass die dort platzierte Werbung einen nachhaltigen Druck auf die Platzierung von Werbung im linearen Fernsehen ausübt."

Keine Freistellung von Kartellverbot

Mundt begründet außerdem: "RTL2 ist aktuell immer noch eine wichtige Ausweichalternative gegenüber den beiden führenden Anbietern RTL und ProSiebenSat.1. Eine Vermarktungskooperation würde zu klaren Nachteilen für den Wettbewerb und sehr wahrscheinlich höheren Preisen für die Werbekunden führen."

Das Bundeskartellamt ist in Bonn ansässig (Bild: Bundeskartellamt)
Das Bundeskartellamt ist in Bonn ansässig (Bild: Bundeskartellamt)

Da RTLzwei eben kein vollwertiges Tochterunternehmen von RTL ist, können Vereinbarungen untereinander also gegen das Kartellverbot verstoßen. Die Zusammenarbeit "zwischen engen Wettbewerbern mit erheblicher Marktbedeutung" sei ein klarer Nachteil für den Wettbewerb, dem keine zählbaren Vorteile für die Marktgegenseite gegenüberstünden. Eine Freistellung vom Kartellverbot sei daher nicht zu rechtfertigen.

RTL-CEO hat für Entscheidung "kein Verständnis"

Gegenüber dem Branchenmedium DWDL äußert sich Stephan Schmitter, CEO von RTL Deutschland, erwartungsgemäß unzufrieden: "Das Bundeskartellamt hat der Vermarktung der TV-Werbezeiten von RTLzwei durch die Ad Alliance nicht zugestimmt. Für diese Entscheidung haben wir angesichts der uns mitgeteilten Begründung kein Verständnis."

Schmitter resümiert: "Wir haben in den vergangenen zwei Jahren unseren Vorschlag intensiv vorbereitet und in zahlreichen Verhandlungsrunden mit dem Bundeskartellamt wiederholt angepasst. Dabei sind wir an die Grenzen dessen gegangen, was für uns wirtschaftlich darstellbar ist und sind dem Bundeskartellamt bereits deutlich entgegenkommen."

US-Anbieter: "Beispiellose Macht" oder "kein so erhebliches Marktgewicht"?

Besonders stört sich der CEO an den auch schon von Mundt genannten Wettbewerbern wie Netflix, Amazon Prime oder Disney - beziehungsweise dem als vorteilhaft empfundenen Umstand, dass sie als US-amerikanische Unternehmen weniger strengen Regeln und Beschränkungen unterliegen als europäische Medienunternehmen.

"Erneut mussten wir feststellen, dass die Auslegung des Wettbewerbsrechts einer sinnvollen, notwendigen und in diesem Fall auch sehr begrenzten Zusammenarbeit der deutschen Medienunternehmen im Weg steht und die Marktrealitäten nicht widerspiegelt. Gleichzeitig haben die US-Plattformen auch in Deutschland nahezu ungehindert Marktpositionen von beispielloser Macht und Dominanz aufbauen können", mahnt Schmitter.

RTLzwei-Geschäftsführer Andreas Bartl sieht die Verschiebung zugunsten von US-Wettbewerbern ebenfalls kritisch (Bild: RTLzwei)
RTLzwei-Geschäftsführer Andreas Bartl sieht die Verschiebung zugunsten von US-Wettbewerbern ebenfalls kritisch (Bild: RTLzwei)

In seiner Erklärung erinnert das Bundeskartellamt diesbezüglich daran, dass Anbieter wie Amazon oder Netflix "in erster Linie bezahlpflichtig und nur ergänzend werbefinanziert" sind. Daher böten ihre Werbeangebote "jeweils noch kein so erhebliches Marktgewicht, dass sie in naher Zukunft die starke Stellung der RTL-Gruppe im Bereich der Bewegtbildwerbung nachhaltig in Frage stellen."

Und am Ende bleibt alles beim Alten

Auch RTLzwei-Geschäftsführer Andreas Bartl betont gegenüber DWDL ungeachtet dessen, dass die Haltung des Bundeskartellamts "angesichts des sich weiter zu Gunsten der US-Plattformen verschiebenden Werbemarktes schwer nachvollziehbar" sei.

Bartl bestätigt ferner, dass sich für Kunden nichts ändert und die bislang bestehende Vermarktungskooperation schlicht weitergeführt wird: "Wir sind selbstverständlich auf dieses Szenario vorbereitet. El Cartel hat ein hervorragendes Standing im Markt und setzt nun die Vermarktung von RTLzwei erfolgreich fort. Wir haben volles Vertrauen in Stephan Karrer und seine erfahrenen Kolleginnen und Kollegen."

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