Interview mit der Gründerin der Naturkosmetik-Marke "UND GRETEL"
Stephanie Dettmann: "Ich möchte die Wechseljahre enttabuisieren"

| Dagmar Zimmermann 
| 30.10.2024

"UND GRETEL" ist eine der bekanntesten Naturkosmetik-Marken – Stephanie Dettmann hat sie gemeinsam mit Christina Roth gegründet. Vor rund einem Jahr hat sie sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und konzentriert sich nun auf die Rolle als Gesellschafterin. Mit LEADERSNET spricht sie über ihre Pläne, Gründer:innen von heute und das Urvertrauen, das ihr ihre Eltern mitgeben haben.

LEADERSNET: Frau Dettmann, in letzter Zeit widmen Sie sich verstärkt dem Thema Wechseljahre, auch auf Social Media.

Stephanie Dettmann: Ich habe mich dem Thema angenommen, weil ich es als enorm wichtig empfinde. Am Anfang habe ich überlegt, ob ich mich wirklich persönlich dafür einsetzen möchte, aber ich möchte einfach dazu beitragen, die Wechseljahre zu enttabuisieren. Derzeit durchleben neun Millionen Frauen die Wechseljahre – es ist meine intrinsische Motivation, hier für Aufklärung zu sorgen.

LEADERSNET: Die Wechseljahre und der weibliche Zyklus sind Themen, die zunehmend in der Geschäftswelt an Bedeutung gewinnen.

Stephanie Dettmann: Das ist richtig – und wichtig. Frauen werden bei diesen Themen oft allein gelassen. In England ist man beispielsweise schon viel weiter und geht auf das Thema ein, indem man zum Beispiel Ventilatoren gegen Hitzewallungen im Büro bereitstellt. Wenn ich mir vorstelle, dass ich heute noch jeden Tag 10 bis 12 Stunden im Büro verbringen müsste, wird mir bewusst, wie wichtig solche Maßnahmen sind. Insgesamt sind wir auf einem guten Weg. Es wird zwar dauern, aber wir schaffen das schon.

LEADERSNET: Es passt ins Bild und in Ihre Vita, dass Sie sich dem Thema Wechseljahre widmen. Mit Ihrer Beauty-Marke "UND GRETEL" waren Sie eine Pionierin im Bereich Natur-Kosmetik.

Stephanie Dettmann: Ich engagiere mich grundsätzlich nur für Projekte, von denen ich fest überzeugt bin. Bei dem Thema Wechseljahre glaube ich, ähnlich wie bei "UND GRETEL", dass ich einen echten Mehrwert schaffen kann. Mein Ziel ist es, Menschen glücklich zu machen – und ich denke dabei stets an die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe.

LEADERSNET: Was meinen Sie damit genau?

Stephanie Dettmann: "UND GRETEL" war von Anfang an nicht als Marke für 16-Jährige konzipiert. Natürlich wollte ich diese Zielgruppe erreichen, aber ich war mir stets bewusst, dass der Schlüssel dazu über die Mütter geht. Mein Traum war es, beide Generationen durch "UND GRETEL" miteinander zu verbinden. Im Hinblick auf Nachhaltigkeit ist es entscheidend, dass wir als ältere Generation den Jüngeren das Thema näherbringen. Ich beobachte das bei meiner Tochter: Die Generation Z legt Wert auf gute Produkte, doch oft genügt es schon, wenn auf dem Etikett "vegan" steht. Die Marke, die Performance, das Packaging und die Influencer oder TikToker, die das Produkt bewerben, stehen im Vordergrund. In letzter Zeit gab es viele Trittbrettfahrer und Greenwasher, aber das Bewusstsein für Nachhaltigkeit wird zunehmend gestärkt.

LEADERSNET: Könnten Sie sich vorstellen, in Zukunft verstärkt als Speakerin in diesem Bereich tätig zu werden? Schließlich bringen Sie eine große Expertise mit.

Stephanie Dettmann: Wenn ich auf einer Bühne stehe, möchte ich authentisch sein – ich möchte mein Wissen gerne teilen, Menschen begeistern und motivieren, aber ich muss nicht erklären, wie man ein Unternehmen erfolgreich aufbaut oder einen Exit macht. Für diese Themen stehen andere Speaker:innen. Ich wähle sorgfältig aus, wo und mit wem ich spreche. Ich umgebe mich ausschließlich mit Menschen, die mir guttun. Vor Kurzem war ich auf einem Panel, auf dem nur alte, weiße Männer gesessen sind, danach wusste ich: Das mache ich nicht mehr. Dazu kommt: Es ist nicht einmal ein Jahr her, dass ich bei "UND GRETEL" das operative Geschäft verlassen habe, ich lasse mich zurzeit gerne treiben – das ist ein spannender Prozess. Natürlich habe ich tausend Ideen im Kopf und ich könnte mir auch wieder vorstellen zu gründen – und trotzdem habe nicht mehr den Druck, etwas beweisen zu müssen.

LEADERSNET: Ein großer Luxus…

Stephanie Dettmann: Absolut. Und ehrlich gesagt, war ich mir gar nicht so sicher, ob ich überhaupt aus dem Hamsterrad heraustreten kann. Ich habe mich schon immer über Leistung definiert und bin auch so konditioniert. Zwar auf eine sehr liebevolle Art und Weise von zu Hause und von meinen Eltern, die mir auch ein Urvertrauen gegeben habe, aber Leistung war schon immer ein Thema. Das war auch gut so – denn es hat mich auch zu der Person gemacht, die ich heute bin. Ich habe mich kurz nach meinem Rückzug bei "UND GRETEL" am Anfang immer künstlich auf ein Stresslevel hochgepusht, damit ich mich sicher gefühlt habe. Ich konnte überhaupt nicht damit umgehen, dass ich nicht mehr minutiös durchgetaktet war. Heute genieße ich es, dass ich Zeit habe, die Familie priorisieren kann und die Kinder in die Schule bringe.

LEADERSNET: Was ist wichtig beim Thema Gründen?

Stephanie Dettmann: Diese Passion, für ein Thema brennen – das muss im Vordergrund stehen. Wenn du von deiner Vision überzeugt bist, wirst du viele Menschen finden, die dir folgen. Genau das ist auch das, was Investor:innen suchen. Außerdem ist es wichtig, keine Angst zu haben, denn das Leben als Gründer:innen wird immer eine Achterbahn der Gefühle sein. Das Allerwichtigste ist der unerschütterliche Glaube an das, was du erreichen möchtest. Es ist ähnlich wie beim Mutterwerden: Wenn man vorher tausend Bücher liest und alles über die Herausforderungen weiß, die einen erwarten, würde man wahrscheinlich nie den Schritt wagen, ein Kind zu bekommen.

LEADERSNET: Wird das Gründerleben manchmal zu glamourös dargestellt?

Stephanie Dettmann: Aus meiner Sicht ja. Es ist viel Arbeit, es ist harte Arbeit. Und als Gründerin hat man es leider nach wie vor ein Stück weit schwerer, z. B. was die Finanzierung angeht.

LEADERSNET: Das Thema Female Empowerment spielt bei Gründerinnen eine große Rolle, derzeit scheint das Thema aber einen Wandel zu durchlaufen. In einigen Fällen hat es sich zu einem Geschäftsmodell entwickelt und wird nicht mehr als echte Herzensangelegenheit wahrgenommen.

Stephanie Dettmann: Es wird immer Menschen geben, die das Thema Female Empowerment lediglich als Fassade nutzen und versuchen, um Geld damit zu verdienen. Ich kenne auch zahlreiche positive Beispiele und viele Frauen, die sich aufrichtig unterstützen. Ich habe Female Empowerment schon immer gelebt und war schon immer eine "Frau-Frau" – lange bevor es zu solch einem wichtigen Thema geworden ist. Es ist einfach wunderschön, Teil dieser Gemeinschaft zu sein und ich bin mir sicher, dass sich noch viele weitere Frauen dieser Bewegung anschließen. Ich bin übrigens auch Teil der aktuellen Kampagne von Kristina Lunz und Düzen Tekkal, bei der es darum geht, Frauenrechte zu stärken, Abtreibungen zu entkriminalisieren und Femizide zu verhindern.

LEADERSNET: Sie sind am Bodensee, in einer ländlich geprägten Region und sehr bodenständig aufgewachsen. Hat Ihnen das geholfen?

Stephanie Dettmann: Das kann gut sein. Es ist sicherlich eine Persönlichkeitssache, aber natürlich auch eine Generationsfrage. Ich halte mich für extrem mutig und ich behaupte, ich habe auch von nichts Angst. Aber die Gründer:innen heute sind noch mehr "go forward". Ich möchte das nicht werten, aber da wird teilweise gelauncht, wenn man bei 50 Prozent in der Entwicklung steht, dann wird eben während des Prozesses feinjustiert. Das hätte ich mir damals nicht vorstellen können.

LEADERSNET: Sie wirken sehr reflektiert. Haben Sie Sparringspartner:innen bei den beruflichen Themen, die anstehen?

Stephanie Dettmann: Ich bin sehr in meiner Mitte und sehr bei mir, aber natürlich habe ich ein Netzwerk, auf das ich zählen kann. Mein Mann Marcel, der als DJ nun wirklich etwas ganz anderes macht. Meine Eltern sind für mich ganz, ganz wichtig. Und klar, meine Freundinnen.

LEADERSNET: Welche Pläne haben Sie noch?

Stephanie Dettmann: Ich habe keine Bucket List. Wenn ich das Wort höre, schaudert es mich. Ich bin ein wahnsinnig freiheitsliebender Mensch und ich finde, Bucket Lists haben etwas aus dem Startup-Bereich, in dem man Dinge nur abhaken will. Ich würde es eher einen Wunschzettel nennen. Grundsätzlich lebe ich aber sehr im Hier und Jetzt und jeden Tag bewusst.

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