Tod nach Herzinfarkt
Tödlicher Jobstress in Indien zeigt, was Arbeitsüberlastung anrichten kann

Der Tod einer 26-jährigen Berufseinsteigerin in Indien hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Ihre Mutter erhebt schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen: Die immense Überlastung hätte zum frühen Tod ihrer Tochter geführt. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die fatalen Folgen von Arbeitsstress – nicht nur in Indien, sondern weltweit.

Anna Sebastian Perayil war eine junge, ambitionierte Wirtschaftsprüferin. Nach ihrem Studium trat sie eine Stelle bei Ernst & Young (EY) in Pune an. Doch was als vielversprechende Karriere begann, endete tragisch. Ihre Mutter, Anita Augustine, machte in einem offenen Brief an die Unternehmensleitung deutlich, was sie für die Ursache hält: extreme Arbeitsbedingungen und unermüdlicher Druck. „Die Arbeitsbelastung, die neue Umgebung und die langen Arbeitszeiten forderten ihren Tribut – körperlich, emotional und geistig“, schrieb sie in einem Brief an den Arbeitgeber. Nach nur vier Monaten im Job erlitt Perayil einen Herzinfarkt.

Perayil klagte bereits früh über gesundheitliche Probleme. Schlaflosigkeit, Stress und Angstzustände gehörten zu ihrem Alltag. Sogar ein Besuch beim Kardiologen blieb ohne nachhaltige Verbesserung. Ihre Beschwerden wurden auf Schlafmangel und unregelmäßige Mahlzeiten zurückgeführt. Trotz ihrer alarmierenden Symptome arbeitete Perayil weiter, oft bis tief in die Nacht. Laut ihrer Mutter hätte der Vorgesetzte sie selbst nachts noch mit dringenden Aufgaben konfrontiert. „Du kannst nachts arbeiten, das machen wir alle“, soll der Manager auf ihre Bedenken geantwortet haben. Überarbeitung schien Teil der Arbeitskultur zu sein – eine toxische, wie ihre Mutter feststellt.

Stress im Job: Ein unterschätztes Risiko

Dieser Fall ist jedoch kein Einzelfall, sondern Symptom einer globalen Herausforderung: Stress am Arbeitsplatz. Doch wie gefährlich ist Dauerstress im Büro wirklich? Der Mediziner Richard Crevenna von der Universitätsklinik Wien erklärt im Standard, dass chronische Überlastung zu ernsthaften gesundheitlichen Schäden führen kann. „Distress, also negativer Stress, kann Bluthochdruck, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkte auslösen“, warnt Crevenna. Insbesondere bei jungen Menschen seien Herzinfarkte zwar selten, doch ein permanentes Arbeiten unter Hochdruck könne das Risiko erheblich erhöhen.

Die Auswirkungen von chronischem Stress gehen jedoch weit über körperliche Beschwerden hinaus. „Man kann Körper und Psyche nicht trennen“, sagt Crevenna. Anhaltender Druck, das Ignorieren eigener Bedürfnisse und soziale Isolation durch die Arbeit könnten Depressionen auslösen. Diese psychischen Erkrankungen wiederum beeinflussen die Herzgesundheit negativ. Besonders Frauen, so der Arzt, seien anfälliger für stressbedingte Herzerkrankungen. Die Balance zwischen Arbeit und Erholung wird hier zum entscheidenden Faktor.

EY in Indien: Keine Regulierung der Arbeitszeiten

Indien ist bekannt für seine harte Arbeitskultur. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt bei knapp 47 Stunden – deutlich mehr als in vielen westlichen Ländern. Eine Umfrage der Boston Consulting Group im Jahr 2023 bestätigte, dass sich 58 Prozent der indischen Arbeitnehmer ausgebrannt fühlen. Das ist der höchste Wert weltweit. Solche Zahlen verdeutlichen, dass Anna Sebastian Perayil kein Einzelfall ist. Sie steht vielmehr stellvertretend für Tausende von jungen Menschen, die in überfordernden Arbeitsumgebungen tätig sind.

Unternehmen in der Pflicht

Unternehmen wie EY sehen sich nun zunehmend in der Verantwortung. Laut einer Untersuchung des Arbeitsministeriums wies das Unternehmen in Indien keine Vereinbarungen zur Regulierung der Arbeitszeiten auf – ein klarer Verstoß gegen indische Gesetze, die eine maximale Arbeitszeit von 48 Stunden pro Woche vorschreiben. Doch wie EY in einem Statement betonte, nehme man das Wohlergehen der Mitarbeiter sehr ernst. Der Fall zeigt jedoch, dass gesetzliche Regelungen oft nicht ausreichen, um die reale Arbeitsbelastung zu kontrollieren. Somit wirft der tragische Fall in Indien auch Fragen nach der Verantwortung von Unternehmen und Politik auf. 

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