Strom aus der Folie
Solarenergie der Zukunft: Kommt die ultradünne Solarfolie für Autos und Rucksäcke?

Solarmodule haben längst den Sprung von Dächern und Feldern auf Fassaden, Gewässer und selbst Zäune geschafft. Doch Forscher und Forscherinnen arbeiten bereits an der nächsten Revolution: hauchdünne Solarfolien, die überall dort Strom erzeugen könnten, wo herkömmliche Module bislang nicht einsetzbar sind – etwa auf Rucksäcken, Autodächern, Handys oder Sonnenschirmen.

„E-Autos könnten sich während der Fahrt selbst aufladen, und Handys müssten nur alle paar Tage an die Steckdose“, beschreibt Dieter Meissner, Chemiker und Gründer des Unternehmens Crystalsol, die Vision einer zukünftigen Nutzung im Standard.

Der Schlüssel zu dieser Vision liegt in der Entwicklung ultradünner und flexibler Solarfolien. Diese können auf fast jede Oberfläche gedruckt oder aufgedampft werden, was ganz neue Möglichkeiten der Stromerzeugung eröffnet. Bereits seit Jahren wird an solchen Materialien geforscht, doch der Durchbruch blieb bisher aus. Ein Grund dafür ist die bislang geringe Effizienz: Viele dieser Folien wandeln nur fünf bis zehn Prozent der Sonnenenergie in Strom um. „Im Vergleich dazu liegen herkömmliche Module aus Silizium meist bei einem Wirkungsgrad von rund 20 Prozent“, so Meissner.

Heliatek: Vorreiter

Die Flexibilität und Vielseitigkeit der Solarfolien könnten jedoch trotz dieser Nachteile zum entscheidenden Vorteil werden. Dünnschichtsolarzellen, wie sie beispielsweise auch aus Silizium bestehen, können, wenn sie dünn genug sind, gebogen werden, allerdings auf Kosten der Effizienz. Eine Alternative könnten organische Solarzellen sein, die sich wie Druckfarbe auf fast jede Oberfläche auftragen lassen.

Das deutsche Unternehmen Heliatek ist einer der Vorreiter in dieser Technologie. Es produziert extrem dünne, leichte und flexible Solarfolien, die sich an Fassaden und auf gekrümmten oder wenig tragfähigen Dächern anbringen lassen. Bislang finden diese Folien jedoch nur in industriellen Anwendungen Einsatz. Der Grund: „Das Problem mit organischen Solarzellen ist, dass sie nicht nur vor Wasser, sondern auch vor Sauerstoff geschützt werden müssen“, erklärt Meissner. Dies erfordere aufwendige Schutzschichten, die die Produktion verteuern und die Flexibilität einschränken.

Problem Kurzlebigkeit

Einen vielversprechenden Ansatz verfolgen Forschende an der Universität Oxford. Sie setzen auf das Material Perowskit, das in flüssiger Form auf verschiedene Oberflächen gesprüht oder gedruckt werden kann. Diese Solarzellen könnten nicht nur ultradünn und flexibel sein, sondern auch einen Wirkungsgrad erreichen, der mit konventionellen Modulen vergleichbar ist. In Labortests erzielten die Perowskit-Zellen bereits einen Wirkungsgrad von 27 Prozent. „In Zukunft könnten sogar Werte von 45 Prozent oder mehr möglich sein“, prognostizieren die Forschenden.

Allerdings gibt es auch bei diesen innovativen Solarfolien Herausforderungen. „Ein Nachteil ist die Kurzlebigkeit der Perowskit-Zellen“, betont Meissner. Sie halten nicht so lange wie herkömmliche Siliziumzellen und sind ebenfalls empfindlich gegenüber Sauerstoff. Eine Verkapselung mit Glas sei notwendig, was die Herstellung von sehr dünnen Folien erschwere. Dennoch sind die Forschenden zuversichtlich, dass diese Probleme in den kommenden Jahren gelöst werden könnten.

Folien für die Autos

Ein weiteres Einsatzgebiet könnte die Nutzung von Solarfolien auf Autos sein. Forschende am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) haben im vergangenen Jahr Solarzellen auf einer Motorhaube angebracht und mit einer Folie laminiert, um Strom zu erzeugen. Solche Folien könnten in verschiedenen Farben produziert und einfach an bestehende Fahrzeuge angepasst werden. „In sonnenreichen Regionen könnten Solarfolien am Dach und auf der Motorhaube eines E-Autos bis zu 4000 zusätzliche Kilometer pro Jahr liefern“, schätzen die Experten des Fraunhofer-Instituts. Auch bei konventionellen Fahrzeugen könnten sie den Strombedarf für die Bordelektronik decken.

Crystalsol-Chemiker Meissner setzt bei seiner Forschung auf ein anderes Material: Ein Pulver aus Kupfer, Zink, Zinn und Schwefel. „Dieses wird zu einer dünnen, flexiblen Schicht verklebt und kann in einem Rolle-zu-Rolle-Verfahren gefertigt werden“, erläutert Meissner. Der Wirkungsgrad liegt zwar nur bei zehn Prozent, doch die Materialien seien leichter verfügbar, stabil und wiederverwendbar. Meissner ist überzeugt: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich Solarfolien durchsetzen werden – hoffentlich nicht mehr so viel Zeit, wie es seit der ersten Ankündigung von Solarfolien bis jetzt gedauert hat.“

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