Mehr Frust als Lust
Dating-Apps im Abwärtstrend: Warum Tinder und Bumble an Beliebtheit verlieren

| Redaktion 
| 20.08.2024

Führende Dating-Apps stehen vor erheblichen Herausforderungen. Die Nutzerzahlen sinken, und immer mehr Singles wenden sich von den digitalen Partnerbörsen ab. Dies ist vor allem auf drei zentrale Faktoren zurückzuführen.

Als Tinder 2012 auf einem College-Campus in den USA eingeführt wurde, war es der Beginn einer neuen Ära des Online-Datings. Plattformen wie Match.com existierten bereits seit den 1990er Jahren, doch das Image des verzweifelten Suchenden haftete ihnen lange an. Tinder revolutionierte die Partnersuche, indem es den Nutzern ermöglichte, mit einem einfachen Wisch potenzielle Dates auszuwählen – unkompliziert und spielerisch.

Binnen kurzer Zeit hatten Tinder und ähnliche Apps das Dating-Verhalten verändert. Laut einer Studie des Pew Research Centers haben inzwischen 30 Prozent der amerikanischen Erwachsenen mindestens einmal eine Online-Dating-Plattform genutzt. Unter den 18- bis 29-Jährigen liegt dieser Anteil bei über 50 Prozent, und jedes fünfte Paar in dieser Altersgruppe fand seinen Partner online.

Der Peak scheint vorbei

Die Corona-Pandemie trieb die Nutzung von Dating-Apps zusätzlich in die Höhe, da viele Singles ihre sozialen Kontakte einschränkten und nach neuen Wegen suchten, um Menschen kennenzulernen. Bumble erreichte an seinem Börsengang im Februar 2021 eine Marktkapitalisierung von 13 Milliarden Dollar, während der Wert der Match Group, zu der Tinder gehört, auf nahezu 50 Milliarden Dollar anstieg. Laut dem Marktforschungsunternehmen Business of Apps stieg die Zahl der Menschen, die eine Dating-App nutzen, von 250 Millionen im Jahr 2018 auf heute 350 Millionen. In Japan kündigte die Regierung von Tokio sogar die Entwicklung einer eigenen Dating-App an, um Singles zusammenzubringen.

Doch dieser Boom scheint inzwischen abgeflaut: 2023 wurden weltweit nur noch 237 Millionen Dating-Apps heruntergeladen, ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den 287 Millionen Downloads im Jahr 2020. Auch die Zahl der monatlich aktiven Nutzer sank von 154 Millionen im Jahr 2021 auf 137 Millionen im zweiten Quartal 2024, wie Daten von Sensor Tower zeigen. Bumble gab zuletzt ein geringeres Umsatzwachstum bekannt, woraufhin die Aktienkurse einbrachen.

Drei Gründe für den Rückgang

Der Abwärtstrend bei Dating-Apps hat einer Analyse des Economist zufolge drei Hauptursachen: die wachsende Unzufriedenheit der Nutzer, die sinkende Bereitschaft, für Premium-Dienste zu zahlen, und ein zunehmendes Interesse an realen Begegnungen abseits des Internets.

Was einst als unterhaltsame und innovative Art des Kennenlernens galt, hat sich für viele Nutzer in eine Quelle der Frustration verwandelt. Der Reiz des schnellen Wischens und der unbegrenzten Auswahl hat sich abgenutzt. Viele Singles sind es leid, durch endlose Profile zu scrollen, ohne dabei wirklich Erfolg zu haben. Besonders Frauen fühlen sich von der Flut an Nachrichten überfordert – eine Folge der ungleichen Geschlechterverteilung auf den Plattformen. Bei Tinder sind 84 Prozent der Nutzer Männer, bei Bumble 61 Prozent. Hinzu kommt die wachsende Sorge vor Betrug und falschen Identitäten.

Besonders die jüngere Generation zeigt sich zunehmend enttäuscht von den Apps. Eine Umfrage des Nachrichtenportals Axios ergab, dass nur ein Fünftel der amerikanischen College-Studenten regelmäßig Dating-Apps nutzt. „Es ist oberflächlich, anstrengend und einfach nicht mehr spaßig“, lautet das Fazit eines Influencers auf TikTok. Auch Wunmi Williams, 27, schildert ihre Ernüchterung: Nach Jahren des Suchens auf verschiedenen Plattformen hat sie keinen passenden Partner gefunden.

Diese wachsende Unzufriedenheit führt direkt zum zweiten Problem: Die Zahlungsbereitschaft der Nutzer sinkt. Viele Dating-Apps bieten kostenpflichtige Premium-Funktionen an, doch die Akzeptanz dafür schwindet. Bei Tinder ist die Zahl der zahlenden Nutzer seit sieben Quartalen in Folge rückläufig. Männer zeigen zwar eine höhere Bereitschaft, Geld auszugeben, doch dies verstärkt nur die Probleme mit der ungleichen Verteilung von Nachrichten auf den Plattformen.

Der vielleicht gravierendste Wandel vollzieht sich jedoch in der Rückkehr zum echten Leben. Immer mehr Singles bevorzugen es, offline nach einem Partner zu suchen. Ein Beispiel dafür ist der aquafarbene Ring des Start-ups Pear, der signalisiert, dass der Träger bereit für eine romantische Begegnung ist. Auch das Unternehmen Thursday, das Events für Singles organisiert, erfreut sich wachsender Beliebtheit und hat seinen Service mittlerweile auf etwa 30 Städte weltweit ausgeweitet.

Romantik kehrt in den Alltag zurück

Die Suche nach Liebe verlagert sich wieder zunehmend ins reale Leben. Ob bei Sportveranstaltungen, in Kochkursen oder bei anderen Freizeitaktivitäten – Singles finden sich zunehmend außerhalb der digitalen Welt. Julia Hartz, CEO der Eventplattform Eventbrite, berichtet von einem Anstieg der Teilnehmerzahlen bei Single-Events um 42 Prozent zwischen 2022 und 2023. „Es geht darum, echte Verbindungen zu knüpfen und gemeinsam etwas zu erleben, selbst wenn daraus nicht die große Liebe entsteht“, erklärt Casey Lewis, ein Experte für Jugendkultur.

Angesichts dieser Entwicklungen versuchen die Betreiber von Dating-Apps, neue Wege zu finden, um ihre Nutzer zurückzugewinnen. Einige setzen dabei auf künstliche Intelligenz. Bumble-Gründerin Whitney Wolfe Herd deutete kürzlich an, dass die Zukunft des Datings in der Interaktion von KI-Bots liegen könnte. Eine neue App namens Volar experimentiert bereits in dieser Richtung.

Erfolge in der Nische

Doch ob sich diese technologischen Ansätze durchsetzen werden, bleibt fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass spezialisierte Nischen-Apps weiterhin Erfolg haben werden. Grindr, eine Plattform für schwule Männer, verzeichnet beispielsweise ein starkes Wachstum, ebenso wie Feeld, eine App für polyamore Beziehungen. Die Match Group hat zudem mehrere neue Apps entwickelt, die sich an spezifische Zielgruppen richten, etwa ethnische Minderheiten oder Alleinerziehende.

Diese spezialisierten Plattformen bieten nicht nur eine gezieltere Partnersuche, sondern fungieren auch als Gemeinschaft für Gleichgesinnte. Grindr dient beispielsweise als Informationsquelle für Touristen und als Netzwerk für die LGBTQ+-Community. Der durchschnittliche Nutzer verschickt dort täglich rund 50 Nachrichten – ähnlich viele wie bei WhatsApp. Die CEO von Bumble, Lidiane Jones, will ihr Unternehmen deshalb verstärkt als „Verbindungsplattform“ positionieren und weniger als klassische Dating-App. Doch die Neuausrichtung könnte sich als schwierig erweisen, denn die Liebe bleibt ein komplexes Geschäft.

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