„Prekäre Lage“ bei Volkswagen
Internes Briefing: Thomas Schäfer nennt VW-Probleme beim Namen

| Redaktion 
| 26.02.2024

Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos: In einem Mitarbeiterbriefing hat Volkswagen Pkw-CEO Thomas Schäfer aktuelle Hürden und zu hohe Kostenfaktoren ungeschönt identifiziert. Auch die Verlagerung von Tätigkeiten ins Ausland steht zur Debatte, um im gewünschten Ausmaß zu sparen.

Unverfängliche Formulierungen, motivierende Floskeln und ein Schuss Schönfärberei gehören zu den klassischen Zutaten einer CEO-Ansprache – manchmal auch, wenn es die Lage gar nicht hergibt. Thomas Schäfer wird sich diesen Vorwurf gewiss nicht machen lassen müssen: In einem einstündigen Briefing der Belegschaft hat der Hauptverantwortliche hinter Volkswagens Pkw-Sparte unverblümt über bestehende Schwierigkeiten gesprochen und offen festgestellt, dass sich das Unternehmen "in einer prekären Lage" befindet.

Der Business Insider hat von der vertraulichen Mitarbeiterveranstaltung erfahren, die von Jesko Giessen aus der Internen Kommunikation der Volkswagen AG moderiert wurde. Teilnehmer konnten Fragen per Chat-Funktion einreichen. Statt "Let's talk" wäre "Wir müssen reden" womöglich ein noch treffenderer Titel des Briefings gewesen: Die Redaktion des Magazins hat mit Zeugen der "Brandrede" gesprochen und Mitschnitte zugespielt bekommen, die eine ganze Reihe "brisanter und bedenklicher Botschaften" zum Zustand und zur Zukunft des Unternehmens enthalten.

Schäfer schon vorher schonungslos

Demnach befasste sich Schäfer zunächst mit der wachsenden Konkurrenz aus China, die insbesondere für europäische Autobauer zum Problem wird – auch durch das Kappen von Listenpreisen, das fernöstlichen Anbietern in einer immer weniger ausgabefreudigen Gesellschaft einen Vorteil verschafft. Der VW Pkw-CEO forderte ein sofortiges und nachhaltiges Handeln, damit eigene Erfolge weiterhin dargestellt werden können.

Wichtiges Element ist ein umfassender Unternehmensumbau, dessen Details im vergangenen Herbst an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Einsparungen von zehn Milliarden Euro bis 2026 und eine Steigerung der operativen Marge auf mindestens 6,5 Prozent sollen die Gesamtsituation des Unternehmens aufbessern. Schon im November äußerte sich Thomas Schäfer im Rahmen eines Podcasts vergleichsweise schonungslos und monierte, dass viele Strukturen des VW-Konzerns derzeit schlicht "nicht mehr wettbewerbsfähig" seien.

Thomas Schäfer ist seit Juli 2022 Mitglied des Konzernvorstands, CEO der Marke Volkswagen Pkw und Leiter der Markengruppe Core (Bild: Volkswagen AG)

Im Zuge von "Let's talk" scheint er den Gedanken unterstrichen zu haben: "Wir haben zu viele Gremien, zu viele Entscheidungsebenen", wird er zitiert. Allein in diesem Jahr sollen durch unterschiedliche Maßnahmen vier Milliarden Euro eingespart werden. Schäfer zufolge seien 80 Prozent davon bereits bewertet, abgesegnet und zur Implementierung freigegeben.

Wo der CEO Chancen zum Sparen sieht

Mehrfach ging Schäfer auf die zu hohen Kosten unterschiedlicher Unternehmensbereiche ein. Vom Umstand, dass VW immer mehr Verkaufshilfen leiste über die Fertigfahrzeuglogistik bis hin zur eigentlichen Produktion der Fahrzeuge sieht der CEO diverse Möglichkeiten zur Kostenreduktion, die es dringend zu ergreifen gilt. So wolle der Konzern zum Beispiel "genauer bis raus zum Händler" planen, um Zwischenstationen und so letztlich die Lieferzeit für Neuwagen zu reduzieren.

Bei den zur Verkleinerung der Belegschaft angebotenen Aufhebungsverträgen soll das berüchtigte Gießkannenprinzip explizit nicht zum Einsatz kommen. Schäfer bedauerte die vermutete Notwendigkeit von Abfindungszahlungen, stellte dabei allerdings ein wohldosiertes Vorgehen in Aussicht. Hinsichtlich der derzeitigen Herstellungskosten bei VW soll Schäfers Missfallen derweil "förmlich mit Händen zu greifen" gewesen sein, da man etwa durch instabile Fahrweisen in den Werken oder kurzfristig geänderte Produktionsprogramme viel Geld verloren habe.

Umzüge und Outsourcing plausibel

Auch die "Abermillionen" an Euros, die Volkswagen aufgrund geleisteter Mehrarbeit zahlen muss, stoßen Schäfer bitter auf. Den Business-Insider-Berichten nach erkennt er die Unausweichlichkeit von Überstunden unter gewissen Umständen zwar an, insgesamt möchte er sie dennoch etwa um die Hälfte reduzieren.

Als "barsch" und "leicht gereizt" wird der Ton beschrieben, in dem sich Schäfer klar für eine selbstverständliche Umzugsbereitschaft von führenden Mitarbeitern ausgesprochen hat, sofern individuelle Umstände diese erforderlich machen.

Apropos Verlagerung: "Repetitive Tätigkeiten, die nicht Kerngeschäft sind", kann sich Thomas Schäfer im Falle von gegebenen Einsparungsmöglichkeiten sehr wohl im Ausland vorstellen. Administrative Aufgaben wie zum Beispiel das Schreiben von Rechnungen seien auch in sogenannten "Best-Cost-Countries" denkbar, wie der VW Pkw-CEO mit Verweis auf die schon jetzt "gute Organisation" des Konzerns in Polen erklärte.

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