Vor zweieinhalb Jahren haben die beiden Freundinnen die Initiative „Women on Top" gegründet um gesamtgesellschaftlich das „FeMale Prinzip" zu etablieren. Ihr Motto: Die Gleichberechtigung geht uns alle an. Nur gemeinsam mit Frauen und Männern können wir die Welt zu einer besseren machen. Seit zwei Jahren ist auch die Journalistin und Unternehmerin Franca Lehfeldt fest mit an Bord und moderiert die Veranstaltung. Im LEADERSNET-Interview erzählen Wulf und Brockhaus welche Motivation hinter Women on Top steckt, was Carsten Maschmeyer damit zu tun hat und warum sie Female Empowerment in zu vielen Fällen als Heuchelei entlarven.
LEADERSNET: Warum engagieren Sie sich für eine gleichberechtigte Welt, Frau Brockhaus?
Nena Brockhaus: Mein Engagement für eine gleichberechtigte Welt ist aufs engste mit meiner Uroma verwoben. Sie wurde 1923 geboren, da hatten Frauen in Deutschland gerade mal vier Jahre das Wahlrecht. Noch bis 1977 durfte eine Frau in Westdeutschland nur dann berufstätig sein, wenn das „mit ihren Pflichten in Ehe und Familie" vereinbar war. Von einer Frau mit großgezogen zu werden, die von der Gleichberechtigung nur träumen konnte, hat mich stark geprägt. Ich bin das beste Beispiel dafür, dass sich in den letzten hundert Jahren irre viel getan hat. Auch ist die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern längst erreicht, aber es gibt immer noch viel zu tun!
LEADERSNET: Frauennetzwerke gibt es viele. Was macht Ihre Initiative anders, Frau Wulf?
Vivien Wulf: Wir sind kein Frauennetzwerk! Nena, Franca und mich eint der tiefe Glaube, dass wir strukturelle Veränderung nur gemeinsam erwirken. Um die gläserne Decke, die in Deutschland immer noch herrscht, zu durchbrechen, brauchen wir den konstanten Austausch beider Geschlechter. Der zivilisatorische Fortschritt ist kein Fußballspiel mit Hin- und Rückrunde, weswegen es bei uns auch stets weibliche und männliche Speaker gibt. Als Kriegsreporter Paul Ronzheimer beim Women on Top Award 2023 über das Schicksal der Frauen in Afghanistan sprach, hatte ich Gänsehaut.
Nena Brockhaus: Wir waren mit Women on Top die Ersten in Deutschland die massenwirksam ein Event mit Frauen und Männern im Zeichen der Gleichberechtigung
veranstaltet haben. Eingetaucht in fröhlichstes Orange. Bei uns entscheidet bis heute nicht das Geschlecht, wer einen Platz am Tisch bekommt. Sondern allein, wer sich für eine gleichberechtigtere Welt einsetzen möchte.
LEADERSNET: Einige bekannte Frauennetzwerke sind seitdem auf Ihren Zug aufgesprungen und laden jetzt auch Männer ein.
Vivien Wulf: Es macht uns glücklich zu sehen, dass mittlerweile auch andere, eigentlich als Female Only konzipierte Initiativen unserem Beispiel gefolgt sind und Männer einladen! Den Anstoß für dieses neue Miteinander der Geschlechter gegeben zu haben, macht uns stolz. Wobei ich nicht ganz so dogmatisch gegen Female Only Veranstaltungen bin wie Nena. Vereinzelt besuche ich sie. Wie kürzlich den Female Only Lunch von Lancôme in Berlin, wo die Erlöse der Lippenstifte an die NGO Arbeiterkind gespendet wurden. Ich fand die Veranstaltung sehr wertig und nachhaltig.
LEADERSNET: Was haben Sie gegen Female Only Veranstaltungen, Frau Brockhaus?
Nena Brockhaus: Hinter Frauennetzwerken und Female-only Dinner steckt der Wunsch etwas zu verändern. Das ist großartig! Doch empfinde ich die Isolation der Frauen als völlig falsche Herangehensweise. Wir stärken mit reinen Frauenevents keine Mädchen – sondern hemmen den zivilisatorischen Fortschritt. Meine Uroma hat es stets als große Errungenschaft gesehen, dass Mädchen UND Jungen heutzutage alles gemeinsam machen. Sportunterricht zum Beispiel, aber speziell auch das gemeinsame Lernen. Warum wollen wir die Frauen nun wieder separieren? Für mich ist Female only genauso falsch wie Men only.
LEADERSNET: Viele Frauen empfinden Female-only Veranstaltungen aufgrund des geschützten Raumes als wichtig.
Nena Brockhaus: Jenes Argument habe ich noch nie verstanden. Inwiefern ist ein Raum geschützt, bloß weil nur Frauen am Tisch sitzen? Vergangene Woche hatten wir unseren WoT Table in Düsseldorf. Eine exklusive, diskussionsfreudige Runde bestehend aus Frauen und Männern. Der Austausch war vertraulich, ehrlich und intensiv. Ein geschützter Raum entsteht doch nicht durch das Geschlechtsmerkmal, sondern durch das Mindset der anwesenden Gäste. Womöglich bin ich, was Frauenveranstaltungen betrifft aber auch schlicht mugged by reality.
LEADERSNET: Wie meinen Sie das?
Nena Brockhaus: Ich habe zu oft Frauen erlebt, die tagsüber ihre jüngeren Mitarbeiterinnen gemobbt haben und abends fröhlich bei Female Only Einladungen saßen. Initiatorinnen von Female Only Veranstaltungen betonen stets, dass Stuttenbissigkeit bloß ein Klischee sei. Aber dem ist nicht so. Für den gesellschaftlichen Fortschritt müssen wir uns auch den unbequemen Wahrheiten stellen. Eine davon ist: Mobbing ist nicht rein männlich. Wäre das der Fall, hätten Female only Netzwerke durchaus ihre Berechtigung. Aber Mobbing ist geschlechterlos weswegen es auf das innere Wertegerüst des Einzelnen ankommt, nicht auf das Geschlecht.
LEADERSNET: Was möchten Sie mit Ihrer Initiative Women on Top erreichen?
Vivien Wulf: Wir wollen kein Female Only, sondern das Dream Gap schließen. Für uns liegt das größte Problem im Jahr 2023 darin, dass sich Mädchen nach wie vor weniger zutrauen als Jungs. Recherchen der NYU haben gezeigt, dass geschlechtsspezifische Unterschiede im Führungsinteresse bereits in der Kindheit auftreten können. Es weist auch darauf hin, dass frühzeitige Interventionen dazu beitragen können, die Führungsambitionen von Mädchen zu fördern. Besonders erschreckend: Einer US-Studie zufolge trauen sich Mädchen schon im Alter von sechs Jahren weniger zu als Jungs. An dieses Dream Gap müssen wir als Gesellschaft ran.
Nena Brockhaus: Nach einem Event schrieb mir ein Mann kürzlich, wie nachdenklich ihn das Dream Gap gemacht habe. Seine Tochter sei vier Jahre alt und ob ich ihm Spielzeug für sie empfehlen könne. Das fand ich großartig. Ebenso wie uns ein Gast nach dem Women on Top Award 2022 schrieb, dass er auf einer Messe sitze und ihm das erste Mal auffalle, dass 95% der anwesenden Personen männlich seien. Diese Sensibilisierung brauchen wir. Darüber hinaus wollen wir mit Women on Top Menschen miteinander vernetzen. Mir ist wichtig, dass sich alle anwesenden Gäste nach einer Veranstaltung stärker und mutiger fühlen. So, dass sie dieses Gefühl an andere weitergeben können.
LEADERSNET: Sie haben auch den Woman on Top Award ausgelobt, was hat es damit auf sich?
Vivien Wulf: Den Women on Top Award verleihen wir einmal jährlich an eine leistungsstarke Studentin. Jedes Jahr können sich bei uns Studentinnen bewerben, die einen Studienkredit aufgenommen haben. Die die unternehmerische Entscheidung getroffen haben für ihre Zukunft ins Risiko zu gehen. In Deutschland wird dieser Mut leider gar nicht honoriert. Die Kredite der Kfw Bank liegen aktuell bei 9% Verzinsung. 37,9% der Studenten sind armutsgefährdet. Der WoT Award beinhaltet die Rückzahlung des kompletten Studienkredites bis zu 30.000 Euro plus die anfallenden Steuern und das Werk einer aufstrebenden jungen Künstlerin als Wertanlage.
LEADERSNET: Neben dem WoT Award sammeln Sie auch Spenden.
Vivien Wulf: Ja, das war mir sehr wichtig. Unsere prall gefüllten Goodie Bags werden am Ende nur gegen eine Spende abgegeben. Im ersten Jahr ging der Erlös an die Opfer des Ukraine-Kriegs. Im zweiten Jahr an die Tafel Düsseldorf. Nächstes Jahr wird die Spende an das TrebeCafé in Düsseldorf gehen. Das TrebeCafé unterstützt Frauen, die auf der Straße leben. Es geht uns darum, das Bewusstsein zu schärfen.
LEADERSNET: Eine Veranstaltungsreihe wie Women on Top hat natürlich ihren Preis. Wie finanzieren Sie Women on Top?
Vivien Wulf: Bei uns packen alle mit an was das Gemeinschaftsgefühl stärkt. Thomas Dürr von Dürr Events stellt beispielsweise seit Start die gigantische Fotowand und den orangenen Teppich zur Verfügung. Andrea Müller unterstützt uns mit ihren Ballons vom Hoffmanns-Ballonshop und meine Freundin Alina hat dieses Jahr die orangenen Kuchen alle selbst gebacken. Beim Packen der Goodie Bags hilft sogar Baby Brockhaus. Women on Top ist für uns kein Geschäftsmodell. Sondern eine Überzeugungstat. Wir haben bislang auch kein Geld mit unserer Initiative verdient.
LEADERSNET: Und welche Rolle spielt Investor und Höhle der Löwen Juror Carsten Maschmeyer bei Ihren Aktivitäten?
Nena Brockhaus: Carsten war von Tag Eins an dabei und hat uns unterstützt. Nicht nur finanziell sondern auch ideell. Genauso wie sein Kommunikationschef Dr. Stefan Ebner, ohne den es den WoT Award gar nicht geben würde. Carsten und seine Frau Veronica Ferres waren auch beim Auftaktevent als Speaker anwesend. Carsten ist generell ein totaler Frauen Förderer weswegen wir sehr stolz sind ihn nächstes Jahr bereits das dritte Jahr in Folge als starken Partner an unserer Seite zu wissen. Carsten war auch der Erste, der mich, nachdem ich bei BILD gekündigt hatte, angerufen hat. Für ihn ist Female Empowerment kein Buzz Word sondern gelebte Realität.
Vivien Wulf: Man muss auch sagen, wenn das Go von jemandem wie Carsten kommt, wenn einem so viel Vertrauen entgegengebracht wird, dann muss man auch liefern. Dann gibt es kein Zurück mehr. „Go Big or Go Home" war die Devise. Dieses Motto haben wir uns seitdem auf die Fahne geschrieben. Wir legen Wert auf Qualität, Mehrwert und Nachhaltigkeit.
LEADERSNET: Wie wichtig sind für den Erfolg von Women on Top Ihre persönlichen Kontakte?
Nena Brockhaus: Extrem wichtig. Ich bin beispielsweise Alexandra von Rehlingen und Dr. Barbara Sturm sehr dankbar. Alexandra unterstützt unsere Initiative auch seit dem ersten Event und Barbara hat sich beim Start sofort bereit erklärt die Key Note zu halten. Auch Nathalie und Frank Thelen unterstützen Women on Top von Anfang an.
LEADERSNET: Ihre Gäste-Liste ist streng limitiert. Wie stark wird über die Einladungen debattiert?
Vivien Wulf: Sehr lang, ausdauernd und mit viel Leidenschaft. Es ist immer wieder aufs Neue schwer. Wobei wir über die Auswahl der Partnerschaften noch heftiger diskutieren.
Nena favorisiert Partnerschaften mit Unternehmen, wo der Frauenanteil in Führungspositionen noch sehr gering ist wie bei Risikokapitalfirmen, Stahl, Banken oder der Automobilbranche. Ich habe als Partner am liebsten Frauen, die selbst ihr Unternehmen gegründet haben. Deswegen freue ich mich sehr im kommenden Jahr die Gründerin von Nails2000 Manuela Oettinger als starke Partnerin vom Women on Top Award begrüßen zu dürfen. Eine absolute Selfmade-Unternehmerin und damit ein tolles Vorbild.
LEADERSNET: Apropos tolles Vorbild. Sie selbst gehen Ihren Weg äußerst selbstbestimmt, Frau Wulf. Neben der Schauspielerei sind Sie seit diesem Jahr in ein Brautmodengeschäft investiert. Warum?
Vivien Wulf: Meine größte Motivation ist die finanzielle Unabhängigkeit, denn wenn ich die habe, kann ich Nein sagen und selbst gestalten. Das war mir immer wichtig, deswegen habe ich neben der Schauspielerei auch Journalismus und Business studiert. In Unternehmen zu investieren ist ein weiteres Standbein von mir und ich möchte diesen Weg in Zukunft vermehrt bestreiten. Schauspielerin und gleichzeitig Unternehmerin zu sein ist für mich die perfekte Mischung.
LEADERSNET: Für Frau Wulf ist es finanzielle Unabhängigkeit. Bei Ihren Entscheidungen schwingt stets der Drang nach Freiheit mit, oder Frau Brockhaus?
Nena Brockhaus: Finanzielle Unabhängigkeit ist ein Verwandter der Freiheit. Für mich ist Freiheit jedoch eng mit dem Streben verbunden, Herr über seine eigene Zeit zu sein. Die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, ist Freiheit. Deswegen habe ich mich auch im Sommer dazu entschieden mich komplett meinen unternehmerischen Tätigkeiten als Buchautorin, Moderatorin und der Entwicklung eigener Bewegtbildformate zu widmen.
LEADERSNET: Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist als Selbstständige einfacher. War das Thema Vereinbarkeit der Grund Ihrer Kündigung bei BILD, Frau Brockhaus?
Nena Brockhaus: Auf gar keinen Fall. Claus Strunz, der damalige BILD TV Chef, hat nach Bekanntgabe meiner Schwangerschaft sofort an einer Lösung mit mir gearbeitet. Ich bin auch bereits acht Wochen nach der Geburt meines Sohnes zurück vor die Kamera gekehrt. Das war dank einem innovativen Tandem Modell möglich. Die großartige Journalistin Patricia Platiel und ich haben uns die Moderation der Sendung „Viertel nach Acht" geteilt. Zudem gibt es was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht wohl kein besseres Vorbild als die amtierende BILD-Chefredakteurin Marion Horn. In meinem Fall war es schlicht genau der richtige Zeitpunkt BILD zu verlassen. Das hatte mit Baby Brockhaus nichts zu tun.
LEADERSNET: Wie sieht die Zukunft von Women on Top aus?
Nena Brockhaus: Wir haben für das nächste Jahr extrem viel vor, aber leben nach dem Motto: Erst abliefern, dann darüber sprechen.
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