Dass der Anstieg des Meeresspiegels zahlreiche Gebiete in Küstennähe bedrohen wird, ist schon länger bekannt. Auch in Deutschland sind Regionen von dieser Gefahr betroffen. Norddeutsche Forscher haben eine Projektion erstellt, die aufzeigt, welche Orte bis zum Jahr 2100, abhängig von den Klimavorhersagen, potenziell im Meer versinken könnten. Ganze Ökosysteme sind somit bedroht und Menschen gezwungen, umzusiedeln.
Die Simulation der Wissenschaftler der HafenCity University Hamburg basiert auf verschiedenen Faktoren wie dem digitalen Höhenmodell TanDEM-X, aktuellen Messungen des Meeresspiegels, vertikalen Landbewegungen und regionalen Meeresspiegelprojektionen für das Jahr 2100. Zwei unterschiedliche Klimaszenarien, basierend auf Prognosen des "Intergovernmental Panel on Climate Change" (IPCC), wurden als Grundlage verwendet. Im ersten, moderaten Szenario wird erwartet, dass die Erdtemperatur bis Ende des Jahrhunderts um etwa 1,8 Grad Celsius steigen wird. Im zweiten, wesentlich dramatischeren Szenario würde die Temperatur doppelt so stark ansteigen. Zusätzlich wurde berücksichtigt, wie sich die Situation mit oder ohne Küstenschutz, wie Deichen oder Schutzwällen, entwickeln könnte.
Die verschiedenen Szenarien führen zu unterschiedlich dramatischen Prognosen. Im günstigsten Fall würden etwa 1.061 Quadratkilometer überflutet, während im schlimmsten Fall mehr als 9.000 Quadratkilometer Küstenfläche im Wasser verschwinden könnten. Die betroffene Bevölkerung variiert zwischen 5.477 und 626.880 Menschen. Zudem zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Küsten der Nordsee und Ostsee.
Szenario 1
Mit Küstenschutz:
© Screenshot: Sealevelrise / HCU Hamburg
Unter Annahme einer Temperaturerhöhung von 1,8 Grad Celsius würde in dieser Simulation eine Fläche von etwa 1.061 Quadratkilometern durch den ansteigenden Meeresspiegel beeinträchtigt. Mecklenburg-Vorpommern würde mit rund 40 Prozent der gesamten überfluteten Fläche am stärksten betroffen sein. Allerdings würde der Großteil der betroffenen Gebiete aus Wäldern, Feuchtgebieten und landwirtschaftlichen Flächen bestehen. Nur etwa 18 Quadratkilometer bebauter Flächen wären betroffen, was sich auf rund 5.477 Menschen auswirken würde.
Ohne Küstenschutz:
© Screenshot: Sealevelrise / HCU Hamburg
Auch hier basiert die Simulation auf einer Temperaturerhöhung von 1,8 Grad Celsius. In diesem Szenario wird jedoch betrachtet, welche Auswirkungen eintreten würden, wenn es keinen Küstenschutz gäbe. In diesem Fall würde eine bedeutend größere Fläche überflutet, insgesamt 8.760 Quadratkilometer, darunter auch größere Städte und dichter besiedelte Regionen. Das hätte zur Folge, dass etwa 533.509 Menschen betroffen wären. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sich dieses Szenario ereignet, da der Küstenschutz theoretisch diesem Wasserstand standhalten sollte.
Szenario 2
Mit Küstenschutz:
In diesem Szenario gehen die Forscher von einer Klimaerwärmung von etwa 3,7 Grad aus. Überraschenderweise hätte dies kaum Auswirkungen auf die überflutete Fläche im Vergleich zum ersten Szenario – vorausgesetzt der Küstenschutz bleibt intakt. Die überschwemmte Fläche würde nur leicht zunehmen. Ein Großteil der überschwemmten Gebiete würde vor den Deichen liegen, während der Meeresspiegel diese nicht überschreitet. Insgesamt wären hier etwa 513 Quadratkilometer an der Nordseeküste und 644 Quadratkilometer an der Ostseeküste betroffen, was etwa 7.636 Menschen beträfe.
Ohne Küstenschutz:
Allerdings wären die Deiche bei einem deutlich höheren Wasserstand stark beansprucht, und die Gefahr eines Deichbruchs würde steigen. In diesem Fall würde die Nordseeküste weitgehend überflutet, während die Ostseeküste aufgrund ihrer Steilküste besser geschützt wäre. Die überschwemmte Fläche an der Nordsee würde etwa 8.096 Quadratkilometer betragen, und insgesamt wären rund 626.880 Menschen betroffen. Die Landkreise Nordfriesland, Dithmarschen und Cuxhaven würden dabei am meisten Fläche verlieren. Besonders tragisch: Die Stadt Wilhelmshaven würde in dieser Prognose bis zum Jahr 2100 laut den Forschern vollständig im Meer versinken.
Worst-Case-Szenario 3
Es gibt sogar noch ein schlimmeres Szenario. Auf der interaktiven Karte wird ein drittes Szenario präsentiert. Die Forscher erklären, dass es seit dem IPCC-Bericht von 2013 neue Erkenntnisse gibt. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse gehen Forscher von einem Meeresspiegelanstieg aus, der mehr als doppelt so hoch ist wie die Prognosen des IPCC. Dies liegt daran, dass einige Faktoren wie das Schmelzen des Eises in Grönland und der Antarktis oder das Auftauen von Permafrostböden bislang unterschätzt wurden.
© Screenshot: Sealevelrise / HCU Hamburg
Falls diese extremen Klimaveränderungen eintreten sollten, wären – ohne wirksamen Küstenschutz – rund 753.656 Menschen betroffen, und insgesamt würde in Deutschland eine Fläche von 10.116 Quadratkilometern überflutet.
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