Als renommierter Experte, Gründer, Investor und Professor für digitales Marketing und Innovation hat Prof. Dr. Dominik Matyka umfassende Erfahrungen in der Branche gesammelt und ist gefragter Vordenker, der die Entwicklungen der digitalen Wirtschaft maßgeblich beeinflusst. Matyka gründete unter anderem die datengetriebene Native Advertising Plattform plista, die mittlerweile auf 4 Kontinenten aktiv ist. Er führte das Unternehmen bis 2015 als CEO, nachdem es 2013 von WPP übernommen wurde.
Im Vorfeld der DMEXCO, des größten europäischen Digital Marketing-Events, das am 20. und 21. September in Köln stattfindet, haben wir Dominik Matyka zum Gespräch eingeladen.
LEADERSNET: Erzählen Sie Ihren Hintergrund und etwas über sich. Wie sind Sie aufgewachsen ? Welche Schwierigkeiten gab es zu bewältigen ? Was hat Sie geprägt?
Dominik Matyka: Ich bin im Alter von sechs Jahren mit meinen Eltern aus Oberschlesien in den Taunus nach Deutschland gekommen. Das war Ende der Achtzigerjahre. Wir waren Spätaussiedler und meine Eltern haben hart und lange dafür gearbeitet, damit wir als Familie in Deutschland Fuß fassen konnten. Das hat mich mit geprägt und auch motiviert. Ich bin ein sehr leistungsorientierter Mensch: Mit 22 hatte ich mein Diplom in internationaler Betriebswirtschaft in der Tasche. Mit 30 habe ich durch den Verkauf von plista an WPP erstmals eine siebenstellige Summe auf dem Konto gehabt. Mehr als Geld motiviert mich aber das Gestalten. Deswegen bin ich auch Teilhaber eines Frühphasenfonds, Cavalry Ventures, der breit in Start-Ups investiert - darunter sind Firmen wie beispielsweise der deutsche KI-Primus Aleph Alpha, die Video-Experten von Showheroes und Planradar, eine Plattform für Bauwesen, Facility Management und Immobilien aus Wien. Wir wollen der Investor sein, von dem ich früher profitiert hätte, als ich selbst noch Unternehmen gegründet habe. Unser Ansatz ist deshalb darauf angelegt, junge Firmen in den ersten zwei bis drei Jahren intensiv zu begleiten und zu unterstützen und damit die wichtigsten Bausteine für weiteres gesundes Wachstum zu legen. Die Gespräche mit diesen Firmen und Gründer:innen sowie die Insights aus den jeweiligen Märkten helfen mir auch bei meinem Job für die DMEXCO.
LEADERSNET: Danke schön. Können Sie mir ein wenig erzählen, was Sie für die DMEXCO tun?
Dominik Matyka: Da könnte ich viel erzählen, aber ich mache es kurz ;-) Als Chief Advisor der DMEXCO berate ich die Koelnmesse, wie wir Europas führendes Digital Marketing & Tech Event weiterentwickeln. Dazu gehört die grundlegende Strategie, die Antworten auf die Frage, welche Themen wir wann und wie umfangreich präsentieren, die Kontaktpflege zu Ausstellern und Top-Speaker:innen und vieles mehr. Und das gemeinsam mit einem hoch motivierten Team bei der Koelnmesse und dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) als engagierten Inhaber der Marke DMEXCO.
LEADERSNET: Die DMEXCO gilt als größte Kongressmesse für die Digitalbranche in Europa. Was wird die Messe 2023 neues bringen? Wo sehen Sie neue Trends am digitalen Horizont der Marketing-Branche?
Dominik Matyka: Wir definieren uns nicht allein über Größe, sondern vor allem über Relevanz. Und über das Business, das die Branche im Rahmen der DMEXCO vereinbart und auch konkret abschließt. Wir werden 2023 wieder einige neue Highlights bieten: Zum einen kooperieren wir mit der gleichzeitig in der Kölner Innenstadt stattfindenden Digital X, Europas führender Digitalisierungsinitiative, die von der Deutschen Telekom organisiert wird. Wir werden uns mit der Telekom beim Ticketing und bei den Speaker:innen abstimmen und perfekt ergänzen. Damit wird Köln in diesen Tagen der Hotspot der europäischen Digitalwirtschaft sein. Ebenfalls neu ist das Thema Digital Fashion auf der DMEXCO. Gemeinsam mit dem Deutschen Mode-Institut werden wir einen Ausstellungsbereich und eine Fachkonferenz zu den neuesten Trends der Digitalisierung in der Modeindustrie anbieten. Darüber hinaus haben wir thematisch natürlich Schwerpunktbereiche, die sich in der Conference und der Messe widerspiegeln. Da ist das Querschnittsthema Künstliche Intelligenz, der Boom von Retail Media, die Zukunft ohne Third-Party-Cookies und natürlich auch neuere Kanäle wie Connected TV, Digital Audio und Digital Out of Home (DOOH). Nicht zuletzt schauen wir uns sehr genau an, wie Anbieter und Brands nach dem Crypto-Winter mit den Web3-Themen wie Metaverse oder NFTs umgehen. Es kommt natürlich auch darauf an, mit welchen Zielen Besucher:innen nach Köln anreisen. Ich kann aber versprechen, dass wir alle relevanten Aspekte des Marktes abdecken.
LEADERSNET: Was sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Fehler, die im digitalen Marketing gemacht werden?
Dominik Matyka: Das kann ich nur bedingt beurteilen. Häufig fällt mir aber auf, dass Firmen zu viele Channels parallel bespielen, statt sich auf die Erfolgversprechendsten zu konzentrieren. Oft auch unter dem Druck, ja keine neue Entwicklung zu verpassen. Da gehören Mut und Überzeugung dazu, sich zu beschränken.
Und wenn ich mich in sozialen Netzwerken bewege, bin ich immer wieder erstaunt, dass viele Unternehmen dort noch sehr im klassischen PR-Modus und Broadcaster-Prinzip unterwegs sind. Also sehr Absender- und weniger Empfänger-orientiert – und es gerade an der so wichtigen Interaktion mangelt, die für Kundenbindung ganz zentral ist.
Last but not least: Die Firmen verfügen in der Regel über jede Menge Daten, die sie nur mangelhaft analysieren. Da gibt es für die Zukunft noch jede Menge Potential.
LEADERSNET: Welche aktuellen Entwicklungen beobachten Sie bei Marken im digitalen Marketing? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG)?
Dominik Matyka: Nachhaltigkeit spielt im digitalen Marketing eine zunehmend größere Rolle. Das fängt an mit dem Kompensieren von CO2-Emissionen der Digital-Kampagnen bis hin zu Maßnahmen, die Emissionen reduzieren wollen oder ganz vermeiden können. Das können Kompressionsverfahren beim Streaming von Videowerbung sein, datenreduzierte Banner, Serverparks, die klimaneutral gekühlt werden und vieles mehr. Ich glaube, wir stehen erst am Anfang von Green oder Sustainable Media, das Thema kommt aber mit Macht. Auf der DMEXCO werden wir Lösungsvorschläge hören, wie wir in Deutschland und auf europäischer Ebene zu Nachhaltigkeits-Regularien im Digitalen Marketing kommen, die für alle verbindlich werden sollen. Es spricht nichts dagegen, dass einzelne Unternehmen vorpreschen und sich stärker engagieren. Aber wir brauchen einen Rahmen für den Markt, an dem sich alle orientieren können. Einen Green Media Deal.
LEADERSNET: Als Chief Advisor der DMEXCO haben Sie tiefe Einblicke in die digitale Wirtschaft und das Marketing. Wie hat sich die Branche in den letzten Jahren verändert, und welche Trends sehen Sie für die Zukunft voraus?
Dominik Matyka: Erst einmal hat sich die Branche konsolidiert. Es gibt im nationalen und europäischen Bereich deutlich weniger Vermarkter als noch vor fünf Jahren. Die großen Plattformen – sei es Suche, Videowerbung oder Social Media – haben überproportional Geschäft gewonnen. Rund um die großen Plattformen haben sich noch größere Ökosysteme entwickelt. Und der Großteil des Digital-Mediaeinkaufs in Deutschland, aber auch in Europa, erfolgt mittlerweile programmatisch. Die Bedeutung sozialer Netzwerke und von Influencern für den eCommerce hat sich exponentiell gesteigert, wobei letzteres gerade jetzt etwas leidet. Und das Mediennutzungsverhalten der Menschen hat sich stark verändert. Das hat große Auswirkungen auf den Mediamix und die Verteilung der Werbegelder.
In wirtschaftlich harten Zeiten wird traditionell etwas mehr Wert auf das Performance Marketing gelegt, aber nur wer eine starke Marke hat, bekommt auch eine vernünftige Performance. Und neben die mediale Reichweite treten immer mehr Personen und Influencer, die aus eigener Kraft ebenfalls große Reichweiten erzielen. Teilweise mit einer so treuen Community, dass die Influencer eher eigene Marken und Produkte lancieren als für vorhandene Marken zu werben. Je mehr Automatisierung wir bei der Werbung im Prozess bekommen (durch Programmatic und Künstliche Intelligenz), umso mehr Emotion und Personality brauchen wir im Produkt und im Verkauf. Es gibt viele Trends und häufig auch genau gegenläufige Entwicklungen dazu. Das macht unsere Branche so spannend und dynamisch.
LEADERSNET: Mit der fortschreitenden Digitalisierung gibt es immer mehr Kanäle und Plattformen für Unternehmen, um mit ihren Kunden zu interagieren. Wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie auf allen Kanälen konsistent und erfolgreich agieren?
Dominik Matyka: Die wenigsten Unternehmen haben genügend Marketingbudget und Know-how, um auf allen Kanälen gleichzeitig erfolgreich zu sein. Die größte Herausforderung für Marketer aktuell lautet: Erwirtschafte mit gleichem oder sinkendem Budget einen positiven ROI. Und das bitte bei einer wachsenden Anzahl von Kanälen. Es geht also eher darum, zu identifizieren, welche Kanäle in der Lage sind, einen stabilen ROI beizusteuern. Und darum, diese Kanäle so zu vernetzen, dass nicht nur die User Experience stimmt, sondern auch der Umsatz. Das ist eine ziemlich anspruchsvolle Aufgabe, den perfekten Mediamix zu finden. Und deshalb bieten wir auf der DMEXCO möglichst praxisnahes Know-how aus erster Hand, um diese Herausforderung zu bestehen. Es gibt genügend Hype-Themen in unserer schnelllebigen Branche. Die Kunst ist, den Zeitpunkt zu treffen, an dem aus dem Hype auch ein Geschäft wird.
LEADERSNET: Welche Auswirkungen hatte der Cambridge Analytica-Skandal (Anmerkung: hier wurden Daten von Facebook-Nutzern ausgespäht) auf das Vertrauen der Menschen in digitales Marketing und den Schutz ihrer persönlichen Daten? Welche Lehren sollten Unternehmen als auch Nutzer aus dem Cambridge Analytica-Skandal ziehen, wenn es um den Schutz der Privatsphäre geht? Wie können Unternehmen vertrauensvolle Beziehungen zu ihren Kunden aufbauen und gleichzeitig deren Datenschutz respektieren?
Dominik Matyka: Ein großes Thema, das ich in Kurzform gar nicht so recht beantworten kann. Datenschutz hat in Europa - und in Deutschland ganz speziell – einen hohen Stellenwert. Die Europäische Union hat sich ja gerade auf den "Data Act" verständigt, der Nutzern das Recht einräumt, über die Verwendung der Daten zu bestimmen, die ihre Geräte generieren. Das ist auch gut so.
Gleichzeitig greift es aber viel zu kurz, wenn wir hauptsächlich über einen tatsächlichen oder potentiellen Datenmissbrauch sprechen und nicht über die großen Chancen, die eine sinnvolle Datennutzung für die Gesellschaft haben könnte. Wir müssen den Mehrwert, den wir aus der Analyse von Daten ziehen können, viel stärker und aktiver kommunizieren. Jeder von uns freut sich, wenn Google Maps einen Stau anzeigt und eine Alternativroute vorschlägt, die Zeit und Ärger spart. Hätten uns die Provider vorab gefragt, ob wir Bewegungsdaten preisgeben wollen, es hätten nur wenige Menschen zugestimmt. Auch die meisten Maßnahmen gegen den Klimawandel funktionieren nur mit einer smarten Analyse von möglichst vielen Daten. Wir wollen einerseits als Privatpersonen die Vorteile nutzen, aber andererseits nichts oder zu wenig dafür preisgeben. Das funktioniert nicht. Deshalb nochmal das Plädoyer: Lasst uns mehr über die positiven Aspekte der Nutzung von Daten sprechen. Und trotzdem alle Maßnahmen ergreifen, um den Missbrauch von Daten zu verhindern.
LEADERSNET: Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen haben das Marketing stark beeinflusst. Wie können Unternehmen diese Technologien nutzen, um personalisierte und relevante Inhalte für ihre Zielgruppe bereitzustellen?
Dominik Matyka: Eine ausführliche Antwort auch auf diese Frage würde den Rahmen unseres Gesprächs sprengen. Wir haben auf der DMEXCO in diesem Jahr jede Menge hochkarätige Speaker:innen, die diese Frage aus verschiedenen Perspektiven und für ganz unterschiedliche Einsatzszenarien beantworten werden. Kommen Sie am 20. und 21. September nach Köln und Sie erhalten viele spannende Antworten auf diese Frage. Klar ist, KI ist eine Querschnittstechnologie, mit der sich alle Unternehmen detailliert befassen sollten.
LEADERSNET: Abschließend, was sind Ihre persönlichen Ziele und Visionen als Chief Advisor der DMEXCO? Wie möchten Sie die digitale Wirtschaft und das Marketing in den kommenden Jahren weiterentwickeln?
Dominik Matyka: Wir müssen vom Reden ins Handeln kommen. Wir brauchen weniger, aber dafür bessere Regulierung. Sie muss einen Rahmen schaffen, damit wir uns in Deutschland und Europa im globalen Wettbewerb behaupten können. Wir müssen mehr in Partnerschaften denken statt nur in Wettbewerb. Sustainable bzw. Green Media sollte Standard werden. Und Datenschutz sollte so sinnvoll gehandhabt werden, dass er Innovation nicht ausbremst. Und nicht zuletzt werden wir die Herausforderung lösen, ohne Third Party-Cookies zu targeten. Ich sehe optimistisch in die Zukunft.
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