Der Mittelstand wird von Fachkräftemangel, hohen Preisen und Bürokratie-Sorgen geplagt

Der Fachkräftemangel hemmt weiterhin das Geschäft von 82 Prozent der Mittelständler. Komplexe Bürokratie bereitet 71 Prozent der Firmen große Sorgen.

Mehr Vorsicht – das ist das aktuelle Credo im Mittelstand. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von DZ Bank und dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) unter mehr als 1.000 mittelständischen Unternehmen. Zwar hat sich die konjunkturelle Lage für viele Unternehmen zuletzt gebessert. Trotzdem hemmen nach wie vor zahlreiche Herausforderungen wie weiter steigende Kosten oder Personalknappheit das Geschäft. Als Reaktion darauf fokussiert sich der Mittelstand nun noch stärker auf sichere Häfen.

"Der deutsche Mittelstand agiert weiterhin vorausschauend mit Blick auf das wirtschaftlich herausfordernde Umfeld und sorgt mit seiner traditionell guten Eigenkapitalausstattung vor. Jetzt ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen deutlich zu verbessern, indem sie die bürokratischen Hürden reduziert und ein Belastungsmoratorium für die Unternehmen angeht", sagt Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).

Auslandsengagement zurückgefahren

So hat ein erheblicher Anteil der mittelständischen Firmen sein Auslandsengagement gegenüber vergangenem Herbst zurückgefahren. Während vor einem halben Jahr noch 50 Prozent der Firmen im Ausland aktiv waren, sind es heute nur noch 45. Dieser Abbau an Geschäftsbeziehungen im Ausland greift besonders unter kleineren Unternehmen mit bis zu 5 Millionen Euro Jahresumsatz. Unter ihnen ist aktuell weniger als jeder Dritte im Ausland engagiert. Und auch die zumeist international stark vernetzten Chemieunternehmen aller Größenklassen haben ihre Aktivitäten im Ausland von 88 auf 76 Prozent heruntergefahren.

Die Fokussierung auf Bewährtes zeigt sich auch an den bevorzugten Finanzierungswegen der Mittelständler. Stark gestiegene Preise für beispielsweise Vorprodukte, Rohstoffe und Energie und schwankende Lieferketten haben zuletzt für einen Liquiditätsbedarf gesorgt. Für die Mehrheit der Unternehmen mit Finanzierungsbedarf – nämlich 85 Prozent – bleibt der klassische Bankkredit die erste Wahl. Immerhin drei Prozent der Firmen mit Finanzierungsbedarf ziehen eine Aufnahme von liquiden Mitteln über den Kapitalmarkt in Betracht. Alternative Finanzierungsformen haben es dennoch weiterhin schwer im Mittelstand.

Positiver Ausblick

Dabei haben sich die Voraussetzungen für den Geschäftsalltag im Mittelstand zuletzt gebessert. Die Stimmung unter den Unternehmen ist trotz Rezession weniger angespannt als im Herbst, denn die Bewertung der Geschäftslage ist nach zwei Rückgängen in Folge im Frühjahr wieder gestiegen. Der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen klettert damit von 45 auf 57 Zähler und übertrifft sogar den langjährigen Mittelwert. Verglichen mit dem ifo Geschäftsklimaindex, der die Stimmung von Unternehmen aller Größenklassen abbildet, schätzen die Mittelständler ihre Lage besser ein. Damit dürfte die Stimmung im Mittelstand derzeit besser sein als die der deutschen Gesamtwirtschaft.

Auch die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate haben sich gegenüber vergangenem Herbst deutlich gebessert – damals hatten sie ein Allzeit-Tief. Seitdem ist der Saldo aus negativen und positiven Antworten von -43 auf +7 Punkte angestiegen. Trotz der Verbesserung bleiben die Aussichten allerdings im langjährigen Vergleich unterdurchschnittlich.

Alte Sorgen und neue Sorgen

Raum für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung sehen die Unternehmen nicht wirklich, denn die alten Probleme sind neue Probleme. Nachdem vergangenes Jahr die hohen Energiekosten kurzfristig zum Sorgenkind Nummer 1 geworden waren, identifiziert der Mittelstand den Fachkräftemangel heute wieder als geschäftskritischstes Problem. 82 Prozent der Firmen sehen ihr Geschäft mittlerweile durch mangelndes Personal bedroht – im Baugewerbe sind es sogar 9 von 10 Firmen.

Dabei befinden sich viele Unternehmen derzeit in einer regelrechten Personalaufbau-Offensive: Knapp jeder vierte Mittelständler hat in den vergangenen sechs Monaten den Personalstock ausgebaut. Vor allem die Dienstleistungsbranche und die Elektroindustrie haben fleißig rekrutiert – dort haben je knapp 40 Prozent der Firmen neue Mitarbeiter eingestellt. Und damit nicht genug: Im kommenden halben Jahr benötigt jeder vierte Mittelständler zusätzliches Personal.

Sorge vor Bürokratie steigt

Zugenommen hat bei vielen Firmen auch die Sorge vor Bürokratie. 71 Prozent beklagen sich heute darüber – im Herbst waren es lediglich 66 Prozent. Besonders betroffen sind die Agrarbranche (89 Prozent), das Ernährungsgewerbe (85 Prozent) und die Baubranche (83 Prozent). Damals wie heute sorgt vor allem die Komplexität der verschiedenen staatlichen Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft für Probleme. Hinzu kommen immer komplexere Anforderungen an die Firmen hinsichtlich der Eindämmung des Klimawandels und der damit verbundenen Energiewende, die ihre Schatten vorauswerfen.

Uwe Berghaus
DZ-Bank-Firmenkundenvorstand Uwe Berghaus © Dirk Moll Fotografie

In Zeiten hoher Kosten, fehlender Fachkräfte, sich verändernder Lieferketten und zunehmender Bürokratie braucht der deutsche Mittelstand vor allem eines: mehr Standortsicherheit", sagt Uwe Berghaus, Firmenkundenvorstand der DZ Bank. "Mehr Planungssicherheit im Hinblick auf gesetzliche Vorgaben, eine bezahlbare Energieversorgung und ein entschiedener Abbau von Bürokratie würden den Unternehmen helfen, wieder offensiver zu agieren. Damit wären Rahmenbedingungen geschaffen, mit denen die meisten Firmen die Herausforderungen unserer Zeit wie die nachhaltige und digitale Transformation meistern können."

Bilanzqualität leicht verschlechtert

Betriebswirtschaftliche zeigte sich der Mittelstand zuletzt weiterhin in einer guten Verfassung. Zwar hat sich der Bilanzqualitätsindex 2022 nach aktuellem Datenstand – bislang sind knapp 1.000 Unternehmensabschlüsse ausgewertet – von 147,7 auf 136,6 Punkte verringert. Dieser Rückgang sollte aber nicht als dramatischer Einbruch, sondern vielmehr als eine Normalisierung im Zuge des Abflauens der Sondereffekte hin zu mehr Liquidität und weniger Verschuldung verstanden werden. Während der Hochphase der Coronakrise waren viele Unternehmen stark bemüht, ihre betriebswirtschaftliche Resilienz zu erhöhen. Die Bestrebungen zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit und zum Schutz vor Überschuldung haben nun etwas nachgelassen.

www.dzbank.de

www.bvr.de

Über die Studie "Mittelstand im Mittelpunkt"

Die Daten für die Mittelstandsumfrage wurden in der Zeit vom 13. Februar bis 20. März 2023 über Telefon- und Onlineinterviews erhoben. Die Stichprobe von mehr als 1.000 Unternehmen ist repräsentativ. befragt wurden Inhaber und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen in Deutschland.

Grundlage für die Bilanzanalyse sind die Abschlüsse (Bilanzen und Erfolgsrechnungen), welche die mittelständischen Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Rahmen ihrer Kreditantragstellungen für die Jahre 2001 bis 2022 einreichten. Für das Jahr 2022 lagen bisher jedoch nur rund 1.000 Abschlüsse vor (2001 bis 2022: knapp 2,4 Millionen).

Georgios Kosmidis
Der Mittelstand verschwindet je länger je mehr, denn die Kluft driftet auseinander. Die Klugen werden immer klüger, und die Dummen werden immer dümmer.

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Über die Studie "Mittelstand im Mittelpunkt"

Die Daten für die Mittelstandsumfrage wurden in der Zeit vom 13. Februar bis 20. März 2023 über Telefon- und Onlineinterviews erhoben. Die Stichprobe von mehr als 1.000 Unternehmen ist repräsentativ. befragt wurden Inhaber und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen in Deutschland.

Grundlage für die Bilanzanalyse sind die Abschlüsse (Bilanzen und Erfolgsrechnungen), welche die mittelständischen Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Rahmen ihrer Kreditantragstellungen für die Jahre 2001 bis 2022 einreichten. Für das Jahr 2022 lagen bisher jedoch nur rund 1.000 Abschlüsse vor (2001 bis 2022: knapp 2,4 Millionen).

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