Die Aktiengesellschaften in Deutschland (Prime Standard, General Standard und Freiverkehr), werden in diesem Jahr rund 75 Milliarden Euro Dividende an ihre Aktionäre ausschütten. Damit ist 2023 mit einer Steigerung um neun Prozent erneut ein Rekordjahr.
Ein sattes Drittel der Gesamtausschüttungen erfolgt von ganzen vier Unternehmen: Es sind die drei Autohersteller Mercedes Benz, BMW und Volkswagen, die rund 15,5 Milliarden ausschütten. An der Spitze als größter Einzelzahler liegt aber die Traditions-Reederei Hapag Lloyd, die aufgrund des geringen Streubesitz-Anteils in keinem Index gelistet ist, mit 11,1 Milliarden Euro.
Freundliche Signale vom DAX
Insgesamt sendet der DAX freundliche Signale, schütten doch immerhin 27 von 40 Unternehmen mehr als im Vorjahr aus, auch wenn die Gesamtausschüttungsquote gegenüber dem Vorjahr leicht gesunken ist. Warnsignale gibt es allerdings von den kleineren Gesellschaften. In MDAX und SDAX kürzt oder streicht jede fünfte Firma die Dividende. Ein Großteil geht dabei auf das Konto der zinssensitiven Immobilienbranche.
Auch die Serie der Anhebungen erfährt eine kleine Delle: Nachdem Fresenius und FMC nach zuvor 25 Anhebungen in Folge ihre Ausschüttungen lediglich konstant halten bzw. sogar senken, gibt es in den Auswahl-Indices nur noch neun Unternehmen mit einer Serie von mindestens zehn Erhöhungen hintereinander. Echte "Seriensieger" sind Fuchs Petrolub (21 Erhöhungen in Folge) und Stratec (20). Dies sind Ergebnisse der "Dividendenstudie 2023", veröffentlicht von der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) und dem isf Institute for Strategic Finance an der FOM Hochschule.
Wie Stimmung im DAX?
Im DAX heben zwei von drei Unternehmen die Dividende an. Im MDAX zahlt nur die Hälfte der Unternehmen mehr als im Vorjahr und im SDAX gar nur ein Drittel. Insgesamt pendelt sich die Entwicklung, nach dem Ausnahmejahr 2022, wieder auf "Normalzustand" ein. Das gleiche gilt für die Kürzungen und Ausfälle. Vorsichtiger werden die Unternehmen auch bei der Payout-Bilanz: Mit 40 Prozent, ist der Anteil der Unternehmen, die weniger als ein Drittel ihres Gewinnes ausschütten, höher als 2021 und 2022 – man legt offenbar für schlechtere Zeiten zurück.
"Die ungemindert hohe Inflation, multiple Energiekrisen, gestörte Lieferketten, der fatale Ukrainekrieg, das immer komplexer werdende Verhältnis zu China und nicht zuletzt die drängenden Aufgaben der Digitalisierung stellen Unternehmen vor immense Herausforderungen, die nur zu einem Teil bisher wirklich gemeistert worden sind oder überhaupt gemeistert werden können. In diesem Jahr wird sich zeigen, wer wirklich nachhaltig resilient aufgestellt und auf Zukunft ausgerichtet ist – 2023 wird ein echter Lackmustest", sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW.
Es ginge sogar noch mehr
In der Gesamtausschüttung von 75 Milliarden Euro, ist die VW-Sonderdividende von 9,5 Milliarden Euro nicht berücksichtigt. Zudem verlor der DAX durch das Delisting von Linde rund 2,5 Milliarden Euro Ausschüttungsvolumen. "Auch wenn die Gesamtausschüttung erneut auf Rekordniveau liegt, bleibt die Ausschüttungsquote bei unter 40 Prozent. Das DSW-Ziel von '50+-Prozent' scheint weiter entfernt als je", so Marc Tüngler.
Immerhin 13 Unternehmen im DAX habe ihre Dividende prozentual zweistellig angehoben. Angeführt wird diese Liste von MTU (+52,4 Prozent), gefolgt von der Deutschen Bank (+50 Prozent) und BMW (+46,6 Prozent). Auch ohne die VW-Sonderdividende sorgen die sechs Autowerte im DAX für nahezu ein Drittel des Ausschüttungsvolumens in dem Index (16,7 Milliarden Euro). Hatte es 2022 keine Kürzungen gegeben, müssen 2023 die Investoren bei Continental (-31,8 Prozent), Vonovia (-48,8 Prozent) und Adidas (-78,8 Prozent) Kürzungen hinnehmen. Ausfälle gibt es gar bei Covestro und Siemens Energy.
Licht und Schatten im MDAX
Die Gesamtausschüttung von 6,6 Milliarden Euro im MDAX liegt deutlich unter der Bestmarke aus dem Jahr 2018/19. Zu berücksichtigen ist dabei natürlich der DAX-Aufstieg einiger Schwergewichte wie Airbus. Kürzungen wie bei RTL (20 Prozent) oder Stagnation bei der Ausschüttung etwa bei Evonik oder Telefonica Deutschland, lassen das Gesamtvolumen der Ausschüttungen im MDAX somit um ein Prozent zurückgehen.
Neuer Primus ist Wacker Chemie mit einer 50-prozentigen Anhebung der Dividende auf insgesamt 626 Millionen Euro. Übertroffen wird Wacker bei den Steigerungen nur von K+S, die gleich 5-mal so viel ausschüttet wie im Vorjahr. Insgesamt zahlen 16 von 50 Aktien Rekord-Dividenden im MDAX. In zwölf Fällen gehen die Investoren leer aus.
SDAX verliert
Im SDAX fällt das Gesamtvolumen der Dividenden um zehn Prozent auf 2,7 Milliarden Euro, obwohl mit Traton (+40 Prozent) und Hochtief (+109 Prozent) zwei Großschiffe kräftig erhöht haben. Lediglich 24 von 70 Unternehmen haben ihre Dividende erhöht. Damit konnte der SDAX die Effekte von zwölf Kürzungen und drei Ausfällen (Ceconomy, Grand City Properties, Varta) nicht kompensieren.
Beim zuverlässigen Zahler Fielmann wurde die Ausschüttung in diesem Jahr halbiert und liegt damit rund 60 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau. Bei der Software AG beendet eine deutliche Kürzung (-93 Prozent), eine 18jährige Periode stabiler Ausschüttungen. Kontron hingegen verdreifachte seine Dividende nahezu. Volumen-Spitzenreiter mit einer Ausschüttung von 400 Millionen Euro ist die DWS Group.
Betongold wird zu Katzengold
Die größte Verliererbranche ist der Immobiliensektor. Hatten im Vorjahr die neun in den Indices vertretenen Immobilienwerte noch 2,3 Milliarden Euro an Dividende ausgeschüttet, sind es aktuell gerade noch 800 Millionen Euro. Immerhin elf deutsche Unternehmen kommen seit einem Vierteljahrhundert oder länger ohne Kürzung ihrer Dividende aus – darunter fünf DAX-Konzerne. In den Auswahl-Indices konnte jedes sechste Unternehmen seine Dividende im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre zweistellig steigern. Drei dieser Unternehmen gönnten ihren Investoren jedes Jahr eine Anhebung: Nemetschek, Bechtle und Adesso.
"Von Dividendenkontinuität nach angelsächsischem Vorbild sind wir in Deutschland weit entfernt, was natürlich auch daran liegt, dass zyklische Geschäftsmodelle hierzulande am Kapitalmarkt ein Übergewicht haben", erklärt isf-Direktor und FOM-Dekan Eric Frère und stellt abschließend fest: "Ein langer Track Record stabiler oder kontinuierlich steigender Ausschüttungen ist oft ein valider Hinweis auf die Resilienz von Geschäftsmodellen – aber eben keine Dividenden-Garantie."
www.dsw-info.de
Kommentar schreiben