"Egozentriker" mit "eklatanter Führungsschwäche": Darum muss VW-Chef Diess gehen

Der umstrittene Vorstandsvorsitzende habe sich "Schritt für Schritt selbst entmachtet". Porsche-Chef Blume soll jetzt alles besser machen.

VW-Vorstandschef Herbert Diess als unumstritten zu bezeichnen, wär wohl etwas vermessen, dennoch kam die Ankündigung, dass er seinen Posten mit 31. August aufgeben, am Freitag doch etwas überraschend. Via Aussendung teilte der Wolfsburger Autobauer mit, dass Diess im gegenseitigen Einvernehmen aus dem Unternehmen ausscheiden wird und Porsche-Boss Oliver Blume mit 1. September dessen Position übernehmen wird. Seine Funktion als Vorstandsvorsitzender der Porsche AG soll Blume ebenfalls weiterhin ausüben.

Ebenso wurde beschlossen, dass Konzern-Finanzvorstand Arno Antlitz zusätzlich die Funktion eines Chief Operating Officer (COO) ausüben und damit Blume im operativen Tagesgeschäft unterstützen wird.

"Transformation maßgeblich vorangetrieben"

"Herbert Diess hat sowohl in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Marke Volkswagen als auch des Konzerns die Transformation des Unternehmens maßgeblich vorangetrieben. Der Konzern und seine Marken sind zukunftsfähig aufgestellt, die Innovations- und Ertragskraft gestärkt. Herr Diess hat eindrucksvoll bewiesen, mit welchem Tempo und mit welcher Konsequenz er tiefgreifende Transformationsprozesse umsetzen kann. Dabei hat er das Unternehmen nicht nur durch extrem schwieriges Fahrwasser gesteuert, sondern auch strategisch grundlegend neu ausgerichtet", so der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch.

Diess habe aus Sicht des Aufsichtsrates "vor allem zahlreiche Produktimpulse gesetzt, Produktportfolios neu ausgerichtet und die klare Ausrichtung auf Elektromobilität auf den Weg gebracht". Die organisatorische Neuausrichtung des Konzerns mit selbständigeren Regionen, die Einführung von Markengruppen und Baureihen sei ihm ebenso zuzuschreiben wie die personelle Neuausrichtung des Top-Managements und der Markenvorstände.

Harsche Kritik aus Aufsichtsratskreisen

Ob die Trennung aber wirlich so amikal vonstatten gegangen ist, wie es die offizielle Pressemitteilung von VW gerne vermitteln möchte, ist zumindest zu bezweifeln. Handelsblatt-Redakteur Roman Tyborski schreibt in seinem Kommentar unter dem Titel "Herbert Diess hat sich und Volkswagen in eine Sackgasse manöviert" von einem "Rausschmiss". Der 63-Jährige habe sich "Schritt für Schritt (…) nach Querelen mit den Arbeitnehmern, offenkundigen Managementfehlern, ungeschickten Äußerungen und Provokationen gegen den Aufsichtsrat vom Kontrollgremium des größten europäischen Autobauers entmachtet". Zuletzt sei ihm nur noch die Verantwortung über die Software-Einheit Cariad geblieben.

Ähnliche Schlüsse zieht der Business Insider: "Dass Diess ausgerechnet jetzt seinen Posten verliert, ist offenbar keinem einzelnen Fehler geschuldet. Viel mehr ist es das Ergebnis einer Reihe Fehltritte, die sich Diess in den vergangenen Jahren geleistet hat. Die Familien (die Eigentümer-Familien Porsche und Piech – Anm. d. Red.) hätten gemerkt, dass die Stimmung in Wolfsburg gegenüber Diess kippt – und schmissen ihn vom Thron." Weniger diplomatisch wird es aus Aufsichtsratskreisen beschrieben. Der gebürtige Münchner sei ein "Egozentriker" und "Ankündigungsweltmeister" mit einer "eklatanter Führungsschwäche" dem "sämtliches diplomatische Geschick" fehle.

Entschuldigung für Prahlerei

Nachfolger Oliver Blume ist damit quasi die Antithese zu Diess. Er gilt als Führungskraft, die die Belegschaft mitnehmen könne und gut kommuniziere, konstatiert Business Insider. Dennoch machte auch Blume in den Tagen vor seiner offiziellen Vorstellung als zukünftiger VW-Vorstandschef nicht gerade die beste Figur. Das ZDF-Satiremagazin "Die Anstalt" machte in einem Beitrag publik, dass der 54-Jährige bei einer Betriebsversammlung am 29. Juni vor Mitarbeiter:innen damit geprahlt haben soll, dass ihn FDP-Chef Christian Lindner "fast stündlich" über die Koalitionsverhandlungen auf dem Laufenden gehalten habe und Porsche "Haupttreiber" gewesen sei, dass eine weitere Nutzung synthetischer E-Fuels für Verbrennungsmotoren im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden sei.

Mittlerweile hat er sich für diese Aussagen entschuldigt. "Ich habe in einer internen Veranstaltung falsche Worte gewählt", so Blume gegenüber der Bild am Sonntag. "Dadurch ist ein falscher Eindruck entstanden. Das tut mir leid."

© Volkswagen AG
Oliver Blume © Volkswagen AG

"Oliver Blume hat in verschiedenen Funktionen im Konzern und mehreren Marken seine operativen und strategischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt und führt die Porsche AG seit sieben Jahren wirtschaftlich, technologisch und kulturell mit großem Erfolg. Er ist aus Sicht des gesamten Aufsichtsrates jetzt die richtige Person an der Spitze, um die Kundenorientierung sowie die Positionierung der Marken und Produkte weiter zu schärfen", kommentiert Aufsichtsratschef Pötsch die Personalie.

Oliver Blume trat 1994 in den Volkswagen-Konzern ein und war seitdem in führenden Funktionen der Marken Audi, Seat, Volkswagen und Porsche tätig. Seit 2015 ist der gebürtige Braunschweiger Vorstandsvorsitzender bei Porsche und seit 2018 Mitglied des Konzernvorstands.

www.volkswagen.de

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV