Nach dem Rekordjahr 2021 hat sich das Finanzierungsklima für deutsche Start-ups seit Jahresbeginn deutlich eingetrübt. Das zeigen Daten des Branchendiensts Dealroom, die das Wirtschaftsmagazin Capital ausgewertet hat. Während Investoren von Oktober bis Dezember 2021 noch 6,5 Milliarden Dollar (6,15 Milliarden Euro) in deutsche Start-ups steckten, waren es im ersten Quartal 2022 nur noch etwa 3,2 Milliarden Dollar (drei Milliarden Euro) – ein Rückgang von rund 50 Prozent.
Scheu vor größeren Finanzierungen
Besonders bei größeren Finanzierungen werden Investoren offenbar zunehmend risikoscheu – der Großteil des Finanzierungseinbruchs geht auf eine Flaute bei Finanzierungsrunden jenseits der 100 Millionen Dollar (95 Milliarden Euro) zurück. Von diesen Mega-Runden kamen im vierten Quartal 2021 noch 14 Deals zu Stande, im ersten Quartal 2022 waren es dann nur noch sieben.
Im vergangenen Jahr hatten deutsche Start-ups so viel Wagniskapital wie noch nie eingesammelt – insgesamt 20 Milliarden US-Dollar (18,9 Milliarden Euro). Experten führen das Ende des Booms unter anderem auf die seit Monaten schwächelnden Tech-Aktienkurse zurück. "Seit dem Krieg in der Ukraine sind die Aktienmärkte weiter unter Druck geraten, die Inflation hat sich beschleunigt und die Unsicherheit ist insgesamt gestiegen", sagt Julian Riedlbauer von der Tech-Investmentbank GP Bullhound. Das wirke auch in den Wagniskapitalbereich hinein. Die Hochstimmung der vergangenen zwei Jahre sei dadurch merklich abgeflacht.
"Massive Auswirkungen"
In der Branche schwören Investoren ihre Beteiligungen auf härtere Zeiten ein. Die ökonomische Lage werde "massive Auswirkungen auf Technologieunternehmen haben, unter anderem ein wesentlich schwierigeres Umfeld Finanzierungen, eine deutlich geringere Verfügbarkeit von Kapital, sinkende Bewertungen, Downrounds, Entlassungen, Kostensenkungsmaßnahmen", schrieb etwa Rocket-Internet-CEO Oliver Samwer kürzlich in einem Warnbrief an seine Gründer, der Capital vorliegt.
Auch Alexander Langholz-Baikousis, Finanzchef des Berliner Investors Cherry Ventures, prognostiziert, "dass sich das Finanzierungsklima auch in Europa weiter abkühlen wird". Die Suche nach der nächsten Finanzierung könne künftig länger dauern und die Finanzierungsrunden womöglich kleiner werden. Start-ups seien daher gut beraten, "erst mal mit weniger Geld zu planen", so Langholz-Baikousis. (red)
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