"Dass ein Produkt wie Make-up Leid hervorruft, ist für uns völlig inakzeptabel"

"Lethal Cosmetics"-Gründerin Anna-Maria Jäger spricht im LEADERSNET-Interview über Tierschutz, vegane Lebensweise, faire Arbeitsbedingungen und was das alles für eine Rolle für ihr Make-up-Unternehmen spielt.

Kai und Anna-Maria Jäger sind die geistigen Eltern des Unternehmens "Lethal Cosmetics". Die beiden Unternehmer haben sich aus persönlicher Überzeugung dazu entschieden tierversuchsfreies Make-up herzustellen und zu verkaufen. Im Interview mit LEADERSNET spricht Anna-Maria Jäger über die Anfänge ihres Unternehmens, den Antrieb unternehmerisch tätig zu sein und warum es eine "moralische Verpflichtung" ist auf faire Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern zu achten.

LEADERSNET: Frau Jäger, wie kamen Sie auf die Idee Ihr Unternehmen zu gründen?

Anna-Maria Jäger: Ich interessiere mich schon seit meiner Jugend sehr für Make-up und habe mich seiner Zeit aus Überzeugung dafür entschieden, nur Produkte zu kaufen, die vegan und tierversuchsfrei hergestellt sind. In Deutschland war das lange Zeit nicht einfach. Meist ließ sich veganes Make-up nur durch das Studium von Inhaltsstofflisten identifizieren. Wo man Make-up tatsächlich als vegan deklariert hatte, war oft die Farbauswahl eingeschränkt. Ich ertappte mich dabei, Make-up immer häufiger in den USA und Australien zu bestellen, jedoch nicht selten zu hohen Versandkosten oder mit Schwierigkeiten bei der Einfuhr. So entstand die Idee, eine europäische Marke mit zu 100 Prozent veganem, tierversuchfreiem Make-up zu gründen.

LEADERSNET: Wie lange haben Sie gebraucht, um die ideale Formel zu entwickeln?

Anna-Maria Jäger: Unser anfängliches Produktsortiment umfasste flüssige Lippenstifte und Lidschatten. Die Produktentwicklung hierfür dauert ungefähr ein Jahr. Neber der Formulierung der Produkte war vor allem auch die Suche nach Rohstoff-Lieferanten herausfordernd.

LEADERSNET: Wurde auch Hilfe von außen benötigt, um die Make-up-Formel zu entwickeln oder eventuell zu verfeinern?

Anna-Maria Jäger: Unsere Produkte haben wir von Anfang an In-House entwickelt und haben bisher noch keine externe Hilfe in Anspruch nehmen müssen.

LEADERSNET: War die Idee tierversuchsfreies Make-up zu entwickeln eine persönliche Herzensangelegenheit woraus sich in späterer Folge eine Geschäftsidee entwickelt hat oder war es primär eine Geschäftsidee?

Anna-Maria Jäger: Ich setze mich schon seit vielen Jahren aktiv für den Tierschutz ein, weshalb mir das Thema persönlich sehr am Herzen liegt. Die Geschäftsidee entstand aus der Beobachtung meines eigenen Konsumverhaltens und der Feststellung, dass veganes und tierversuchsfreies Make-up in Deutschland seiner Zeit nur schwer zu bekommen war.

© Lethal Cosmetics
Models zeigen, wie man die "Berlin 89"-Make-up-Palette von "Lethal Cosmetics" am besten einsetzt. © Lethal Cosmetics

LEADERSNET: Woher kommen die Testpersonen, an denen das Make-up getestet wird? Sind das Tester:innen auf dem privaten Umfeld oder Freiwillige?

Anna-Maria Jäger: Unsere Tester:innen stammen zum Teil aus unserem unmittelbaren Umfeld, teilweise handelt es sich dabei aber auch um Proband:innen, die von externen Testinstituten beauftragt werden. Wir setzen Rohstoffe ein, die bereits sehr gut erprobt sind, so dass es bei den Studien nicht vordergründig um die Produktsicherheit geht. Hierfür gibt es insbesondere auch rechnerische und analytische Verfahren.

LEADERSNET: Die Farben Ihrer Lidschatten und Lippenstifte sind sehr intensiv Sehen Sie sich manchmal mit dem Vorurteil konfrontiert, dass vegane Farbstoffe nicht derartig intensiv sein "können" oder nicht lange genug halten?

Anna-Maria Jäger: Sicherlich gibt es dieses Vorurteil, insbesondere, weil veganes Make-up häufig mit Naturkosmetik gleichgesetzt wird. Unser Ansatz war jedoch von Anfang an, uns von der klassischen Naturkosmetik abzugrenzen, um keine Kompromisse bei der Intensität und Haltbarkeit eingehen zu müssen. Tatsächlich sind viele intensive Farbstoffe von Hause aus vegan bzw. in einer veganen Variante erhältlich. Ausnahme ist hier vor allem "Karmin", ein roter Farbstoff der zum Beispiel in Lippenstiften zum Einsatz kommt – übrigens auch in zertifizierter Naturkosmetik – und der aus Läusen gewonnen wird. Selbst Karmin lässt sich jedoch durch eine Kombination aus mineralischen und synthetischen Farbstoffe ersetzen.

LEADERSNET: Woher kommen die unterschiedlichen Rohstoffe für Ihr Unternehmen?

Anna-Maria Jäger: Viele unserer Rohstoffe sind mineralischen oder botanischen Ursprungs und kommen entsprechend nur in bestimmten Teilen der Erde natürlich vor. Unsere Rohstoffe beziehen wir deshalb aus der ganzen Welt, bemühen uns jedoch stets um möglichst kurze Lieferwege. Etwa zehn Prozent unserer Rohstoffe kommen aus Deutschland, 40 Prozent aus der restlichen EU, der Rest aus Asien, Australien und den USA.

LEADERSNET: Welche Rohstoffe für das Make-up werden in Deutschland hergestellt?

Anna-Maria Jäger: Vor allem mineralische und pflanzliche Bindemittel, einige Öle und Wachse und auch bestimmte Pigmente werden in Deutschland hergestellt.

© Lethal Cosmetics
Die "Nightflower"-Palette © Lethal Cosmetics

LEADERSNET: Was hat Sie dazu bewogen, besonders auf faire Arbeitsbedingungen zu achten?

Anna-Maria Jäger: Die Vorstellung, dass ein Produkt wie Make-up, das Menschen in erster Linie Freude bereiten soll, gleichzeitig an anderer Stelle Leid hervorruft ist für uns völlig inakzeptabel. Das ist ein entscheidender Grund dafür, warum wir unser Make-up selbst produzieren. Gleichzeitig hinterfragen wir auch die Arbeitsbedingungen unserer Lieferanten und setzen uns z.B. aktiv gegen Kinderarbeit ein.

LEADERSNET: Wäre es Ihnen ein Anliegen, dass andere Unternehmen ihren Fokus ebenfalls auf faire Arbeitsbedingungen legen?

Anna-Maria Jäger: Das halte ich für eine moralische Verpflichtung.

LEADERSNET: Ist es möglich bei jedem bezogenen Rohstoff sicherzustellen, dass die Arbeitsbedingungen fair waren?

Anna-Maria Jäger: Wir unterhalten nur wenige, dafür aber sehr ausgewählte Lieferantenbeziehungen. Viele unserer Lieferanten engagieren sich selbst auf diesem Gebiet, gehören beispielsweise Organisationen wie der "Responsible Mica Initiative" an oder lassen sich regelmäßig von unabhängigen Einrichtungen auf ihre Arbeitsbedingungen hin prüfen. Bei neuen Lieferanten kommunizieren wir unsere Anforderung von Anfang an klar und lassen uns beispielsweise Lieferketten erklären oder Zertifikate vorlegen. So haben wir eine hohe Gewissheit, dass die Rohstoffe für unsere Produkte aus fairen Quellen stammen.

LEADERSNET: Sehen Sie sich mit dem Vorwurf konfrontiert zu teuer zu sein?

Anna-Maria Jäger: Das kommt gelegentlich vor, ist aber die Ausnahme. Unsere Preise sind trotz höherer Rohstoffkosten durchaus konkurrenzfähig. Das ist möglich, da wir den größten Teil unseres Umsatzes im Direct-to-Consumer Bereich machen und durch unsere eigene Produktion sehr attraktive Margen realisieren können.

LEADERSNET: Wie gut kommen Ihre Refill-Lidschattenpaletten bei den Kund:innen an?

Anna-Maria Jäger: Ausgesprochen gut. Wir generieren etwa 60 Prozent unseres Umsatzes mit von Kund:innen selbst zusammen gestellten Lidschattenpaletten.

LEADERSNET: Gibt es eine Alternative zu recyceltem Karton als Verpackungsmaterial?

Anna-Maria Jäger: Papier und Karton sind insofern nahezu perfekte Verpackungsmaterialien, da sie leicht und vergleichsweise stabil sind, in praktisch jede Form gebracht werden können, aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden und in weiten Teilen der Welt bereits sehr konsequent recycelt werden. Unsere Bemühungen nach alternativen Verpackungsmaterialien konzentrieren sich daher stärker auf Primärverpackungen, die meist aus Metall, Glas oder Kunststoff bestehen.

LEADERSNET: Was macht Ihrer Meinung nach eine gute, nachhaltige, umweltfreundliche Verpackung aus?

Anna-Maria Jäger: Eine gute nachhaltige Verpackung ist zunächst einmal eine gute Verpackung. Soll heißen, sie schützt das Produkt optimal, ist für Kund:innen einfach zu benutzen und erfüllt alle Anforderungen in Hinblick auf Haltbarkeit, Lichtbeständigkeit, Produktkompatibilität etc. Gerade in der Kosmetik gibt es sehr spezifische Anforderungen, die auch eine nachhaltige Verpackung uneingeschränkt zu erfüllen hat. Dann sollte eine umweltfreundliche Verpackung auch unter objektiven Kriterien nachhaltig sein. Oftmals stimmen Intuition und Realität hier leider nicht überein. Eine Verpackung aus Glas ist nicht immer nachhaltiger als eine aus Kunststoff, weniger Verpackung ist nicht unbedingt besser, wenn es dadurch zu mehr Bruch und folglich zu mehr Retouren kommt. (tk)

www.lethalcosmetics.com

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV