Der 1968 in Zürich geborene US-amerikanische Kunsthändler lenkt als Direktor die Geschicke der Messe und prägt maßgeblich ihre Entwicklung in einer sich stetig wandelnden Kunstwelt. In unserem Interview spricht Hug über aktuelle Herausforderungen und Zukunftsvisionen für diese traditionsreiche Institution des Kunstmarkts. Er gibt Einblicke in die Entwicklung der Art Cologne, ihre Bedeutung im internationalen Kunstmarkt, erklärt die Herausforderungen des Messegeschäfts und verrät, welche Trends er in der zeitgenössischen Kunst beobachtet.
LEADERSNET: Die Art Cologne blickt auf eine über 50-jährige Geschichte zurück. Wie hat sich die Messe in dieser Zeit entwickelt und was macht sie heute einzigartig im internationalen Kunstmarkt?
Daniel Hug: Die Art Cologne hat sich im Laufe der Jahre enorm entwickelt und sich stets an die jeweiligen Zeiten angepasst. Von ihrer Gründung 1967 bis ungefähr 1994/95 war sie die führende Kunstmesse für zeitgenössische Kunst weltweit. Dies änderte sich jedoch mit der Wiedervereinigung Deutschlands und der Verlagerung des Kulturzentrums von Westdeutschland nach Berlin. Gleichzeitig kam es zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten, wie dem Immobiliencrash und dem Börsencrash 1989/90. Seitdem hat sich die Art Basel zur globalen Leitmesse entwickelt. Als ich 2008 zur Art Cologne kam, war es mein Ziel, der Messe frischen Wind einzuhauchen und den Fokus auf den deutschsprachigen Raum, also Deutschland, Österreich und die Schweiz, zu legen. Das hat gut funktioniert, und heute haben wir viele wichtige Galerien aus dieser Region, wie Karsten Greve zurückgewonnen. Zudem haben wir innovative Projekte wie die Skulptur Köln in den 90er Jahren ins Leben gerufen, die heute als Vorbild für die Art Basel Unlimited gilt.
LEADERSNET: Pablo Picasso sagte einmal: "Jedes Kind ist ein Künstler. Das Problem ist, wie man ein Künstler bleibt, wenn man erwachsen wird." Wie fördert die Art Cologne aufstrebende Künstler und neue Kunstformen?
Daniel Hug: Die Förderung junger Galerien und Künstler durch Formate wie "New Positions" und den "Neumarkt" war und ist ein wichtiger Bestandteil der Messe. "Neumarkt" ist für junge Galerien unter 13 Jahren. Das war mal unter zehn Jahren, aber wegen der Pandemie haben wir das auf 13 Jahre aufgestockt. Die "New Positions" sind Förderstände für junge Künstler, circa 25 Quadratmeter groß, angedockt an den großen Ständen der Galerien, die diese Künstler vertreten. Bei "Neumarkt" liegen die Teilnahmekosten bei etwa 60% des normalen Quadratmeterpreises. Wir haben auch andere Formate entwickelt, wie "Collaborations" um 2010/2012. Das sind Stände, wo zwei Galerien ein Projekt teilen. Sie zeigen entweder eine Gruppenausstellung zusammen oder fördern eine Soloausstellung. Dieses Format bricht viele Regeln, zum Beispiel kann eine junge Galerie mit einer etablierten Galerie ein Projekt zusammen realisieren. Ich glaube, dieser Austausch zwischen verschiedenen Generationen ist wichtig.
LEADERSNET: Mit rund 200 internationalen Galerien und über 60.000 Besuchern jährlich gehört die Art Cologne zu den wichtigsten Kunstmessen der Welt. Welche Strategien verfolgen Sie, um diese starke Position im globalen Wettbewerb zu halten und auszubauen? Was sind Ihrer Meinung nach die Alleinstellungsmerkmale, die die Art Cologne gegenüber anderen Kunstmessen auszeichnen?
Daniel Hug: Ein Grund, wieso die Art Cologne in den 90er Jahren in Schwierigkeiten geraten ist, als sie noch die wichtigste Messe weltweit war: Damals gab es nur fünf oder sieben Messen weltweit, mittlerweile gibt es circa 200. Die Messe ist aufgrund ihres Erfolgs enorm gewachsen. 1986 hatten wir noch 165 Galerien, 1992 stieg die Zahl auf 392. Zum Vergleich: Die Art Basel hat heute circa 280 Galerien. Die Strategie anderer Messen ist es, Dependancen weltweit zu haben. Die Art Basel zum Beispiel hat eine Messe in Hongkong für den asiatischen Markt, eine in Miami für den amerikanischen Markt, Basel für den globalen Markt und Paris eher für den französischen Raum. Unsere Strategie der letzten Jahre war, uns auf die Hauptmesse zu fokussieren, auf die Art Cologne, und auf den deutschsprachigen Raum. Deutschland allein hat etwa 200 Kunstvereine und über 1000 kommerzielle Galerien. Es ist ein riesiges aktives Feld im Vergleich zu anderen Kulturzentren wie New York, Los Angeles oder China. Wir bleiben bei dieser Strategie, fokussieren uns weiter auf den deutschsprachigen Raum und schauen auch, ob wir vielleicht bald eine kleine Satellitenmesse etablieren können. Aber das ist noch in einem frühen Stadium.
LEADERSNET: Wie hat sich die Digitalisierung auf die Art Cologne ausgewirkt und wie integrieren Sie digitale Elemente in das traditionelle Messekonzept?
Daniel Hug: Ich war anfangs ziemlich skeptisch gegenüber der Digitalisierung der Messe. Als ich 2008 startete, mussten die Anmeldeformulare noch per Fax verschickt werden. Das hat sich natürlich geändert. Wir machen jetzt alles digital und mit einem Bewertungstool. Wir hatten auch durch eine große Förderung der Bundesregierung eine Verkaufsplattform während der Pandemie gegründet. Die Basis dieser Verkaufsplattform ist jetzt unser Onlinekatalog. Es gibt auch die Kunstseite mit NFTs und Cryptocurrencies. Das finde ich ziemlich interessant, es ist einfach ein neues Medium, genau wie Fotografie vor 100 Jahren. Es wird auch langsam akzeptiert. Wir haben einige Künstler oder Galerien auf der Messe, die auch NFTs im Programm haben. Aber bisher haben wir noch keinen spezifischen Sektor für NFTs gegründet, auch nicht für Fotografie oder Film oder Video.
LEADERSNET: Warum? Weil es zu einem Abschwung im Zuge dieser Krypto-Krise kam, wo auch NFTs betroffen waren?
Daniel Hug: Das passiert immer. Am Anfang, wenn es ein neues Medium gibt oder eine neue Art von Kunst, sind viele begeistert. Es wird spekuliert, und dann stabilisiert es sich. Mit Krypto und NFTs verhält es sich ähnlich. Es gibt sehr interessante Künstler, die mit NFTs arbeiten. Es ist wie in der Kunstwelt generell: Es gibt viele Maler und Malerinnen, aber nicht alle sind die besten oder interessantesten.
LEADERSNET: Wie wählen Sie die teilnehmenden Galerien und Künstler aus? Welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?
Daniel Hug: Wir haben einen Beirat, der aus aktiven Galerien besteht – circa neun Galerien. Eine kommt aus dem Bereich Klassische Moderne, eine fokussiert sich auf Nachkriegskunst, etwa vier sind zuständig für zeitgenössische Kunst. Dann gibt es zwei junge Galerien, die die Auswahl für die Sektion "Neumarkt" treffen, und einen Designspezialisten. Die Galerien treffen also die Auswahl, nicht ich persönlich. Ich habe nur eine kleine Stimme. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Teil einer Kunstmesse, dass die Kollegen über die Kollegen urteilen. Es gibt andere Messen, die Kuratoren oder "Museumsmenschen" verwenden, aber da ist die Verbindung nicht so stark.
LEADERSNET: Der Künstler Banksy schockierte 2018 die Kunstwelt, als eines seiner Werke sich selbst schredderte. Welche ungewöhnlichen Trends beobachten Sie derzeit in der zeitgenössischen Kunst und wie spiegeln sich diese auf der Art Cologne wider?
Daniel Hug: Es gibt immer Provokationen. Der amerikanische Künstler Robert Rauschenberg hat in den 60er Jahren eine Zeichnung von Willem de Kooning ausradiert und als eigenes Kunstwerk ausgestellt und verkauft. Wenn Künstler so einen riesigen kommerziellen Erfolg haben, dass ihre Kunstwerke Millionen wert sind, ist es interessant, wie Akteure darauf reagieren, wie der Markt funktioniert, wie Auktionen ablaufen usw. Wir haben einige Galerien, die eher aus dem Street Art Umfeld kommen. Es war ziemlich schwierig, den Beirat zu überzeugen, dass Street Art genauso relevant und historisch wichtig ist wie die "hohe Kunst". Es gibt viele solche Beispiele. Auch die Wiener Aktionisten waren ziemlich extrem. Da gab es keine Kunst, die man verkaufen konnte, es war ein Erlebnis. Gute Kunst ist auch Kritik über die Gesellschaft, über den Markt, über alles.
LEADERSNET: Als Kunsthändler haben Sie einen tiefen Einblick in den Kunstmarkt. Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach der Kunstmarkt bei der Gestaltung unserer Gesellschaft?
Daniel Hug: In der Realität besuchen die meisten kulturell affinen Menschen Museen, vielleicht sogar kommerzielle Galerien, und genießen die Kunst auf diese Weise. Als ich in den 90er Jahren als Kunsthändler anfing, war Kunst noch erschwinglich. Eine Zeichnung kostete vielleicht 500 €, ein großes Gemälde ein paar tausend Euro. Das hat sich in den letzten zehn Jahren geändert. Einstiegspreise liegen jetzt bei 10.000-15.000 € für ein großes Gemälde, was nicht unbedingt für die meisten Menschen erschwinglich ist. Das finde ich schade, aber es wird sich wieder korrigieren. Es wird weiterhin im Blue-Chip-Segment Superstars geben, die für Hunderte von Tausenden oder Millionen gehandelt werden. Der Kunstmarkt hat eine enorme Vielfalt. Was ich am deutschen Kunstmarkt besonders schätze, ist, dass Editionen sehr beliebt sind. Das geht auf die Tradition der Kunstvereine zurück, wo Künstler Editionen machten, damit jedes Mitglied ein Kunstwerk besitzen konnte. Diese Tradition ist heute noch sehr lebendig.
LEADERSNET: Wenn Sie in die Zukunft blicken: Wie sehen Sie die Entwicklung der Art Cologne in den nächsten 10 Jahren und welche Visionen haben Sie für die Messe?
Daniel Hug: Ich bin überzeugt, dass die Art Cologne auch in den nächsten zehn Jahren eine zentrale Rolle am Kunstmarkt spielen wird. Eines der wichtigsten Elemente einer Kunstmesse ist der direkte Austausch mit der Kunst. Das lässt sich nicht vollständig digitalisieren. Die physische Präsenz, das Erlebnis, über 170 Galerien und 1.700 Künstler an einem Ort zu sehen, ist einzigartig und etwas, das kein Museum in dieser Form bieten kann. Andere Messen, wie die Frieze, bezeichnen sich selbst als "Kunstevents". Wir hingegen bleiben eine Kunstmesse, und das ist uns wichtig. Wir wollen uns nicht neu erfinden, sondern relevant bleiben und weiterhin als Plattform für Galerien und Künstler dienen.
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