LEADERSNET: Frau Hartmair, Ihr Buch ManagerMama ist seit wenigen Tagen auf dem Markt, und die Resonanz, unter anderem auf LinkedIn, ist groß. Woran liegt das?
Andrea Hartmair: Das Thema ist brandaktuell. Der GABAL-Verlag kam vergangenes Jahr auf mich zu, ob ich zu meinem Herzensthema ein Buch schreiben möchte – bereits zuvor hatte ich mit meinem Blog ManagerMama.de das Thema sichtbar gemacht. Außerdem bietet das Buch klare Fakten auf der einen Seite – und 15 Stimmen aus der Wirtschaft auf der anderen Seite. Top-Managerinnen wie Laura Gersch, CFO Allianz Versicherungs-AG, Dr. Sigrid Evelyn Nikutta, Vorständin Güterverkehr DB AG und Vorstandsvorsitzende der DB Cargo AG, Simone Carstens, Geschäftsführern Operatives Geschäft & Finanzen (COO & CFO) der Deutsche Telekom Privatkunden-Vertrieb GmbH, sowie Unternehmer:innen und HR-Verantwortliche kommen zu Wort. Es zeigen also unterschiedliche Personen aus der Praxis, wie gut die Doppelrolle funktionieren kann und zugleich, an welchen Stellen wir noch einen Berg an Hausaufgaben zu erledigen haben – Eltern unter sich, aber auch Unternehmen und die Politik.
LEADERSNET: Wie schnell waren Persönlichkeiten wie Sigrid Nikutta davon überzeugt, bei dem Buch dabei zu sein?
Andrea Hartmair: Das Ja von Sigrid Nikutta kam direkt, andere aus Wirtschaft und Politik, die ebenfalls eine starke und wichtige Stimme zu dem Thema hätten, haben – das muss man leider so sagen – aufgrund von Zeit oder anderer Prioritäten abgesagt. Dr. Nikutta war direkt offen, sicherlich auch, weil sie als Mutter von fünf Kindern zwischen Grundschulalter und Volljährigkeit genau weiß, wie wichtig Vereinbarkeit ist und welche Voraussetzungen es braucht. Sie selbst sagt "Eltern bringen in besonders starkem Ausmaß mit, was jede Führungskraft braucht…" und spricht in dem Buch außerdem die gesellschaftlichen Hürden für Mütter in Führung an. Dabei ist es am Ende egal, ob du eine bekannte Top-Managerin, eine weniger sichtbare Führungskraft aus der mittleren Managementebene oder Solopreneurin bist – wir alle stehen vor denselben Themen. Das zeigt mir die Welle an Feedback.
LEADERSNET: Jo Dietrich von ZEAM gilt als einer der Vertreter der GenZ. Auch hier bewegt das Thema offenbar.
Andrea Hartmair: Jo Dietrich zeigt mit seiner Frau Yaël Meier, wie wichtig ihnen Familie schon in jungen Jahren ist und wie sich eine steile Karriere damit sehr wohl vereinbaren lässt. Viele junge Menschen sehnen sich nach wie vor nach Familie und sind verunsichert von dem, was man aus der Unternehmenswelt wahrnimmt. Daher ist es auch wichtig, schon frühzeitig Frauen ohne Kinder und Mütter in spe abzuholen und zu motivieren, ihren Weg zu gehen, wenn sie es selbst wollen. Denn am Ende ist der Erfolg der schönsten Doppelrolle der Welt vor allem eine Frage des Wollens und der Organisation.
LEADERSNET: Was hat Sie persönlich dazu bewogen, das Thema ManagerMama umzusetzen?
Andrea Hartmair: 2017 bin ich Mutter von Zwillingen geworden, vor drei Jahren habe ich meinen Blog ManagerManager.de gegründet. Nach einem Jahr Elternzeit bin ich als Head of Marketing ins Berufsleben in Teilzeit zurückgekehrt und mir wurde klar, dass es keineswegs selbstverständlich ist, dass Mütter in Führungspositionen arbeiten können. Auch für mich gab es viele Herausforderungen, die ich meistern musste. Und dennoch: Ab diesem Moment war es meine Vision, andere Frauen zu motivieren und die Vereinbarkeit von Familie und Karriere 100 Prozent salonfähig zu machen.
LEADERSNET: Können Sie das genauer erklären?
Andrea Hartmair: Familie und Beruf bedeutet für mich, dass man als Mutter im Arbeitsleben steht. Karriere bringt den Unterschied mit sich, dass ich mich permanent weiterentwickeln möchte: mehr Fachwissen, mehr Verantwortung, mehr Führung. Es gibt zum Glück Role Models, die in Führungspositionen sind, als CEOs fungieren oder sogar Unternehmen leiten – aber unterm Strich sind das ganz, ganz wenige. Trotz spannender Modelle wie Tandems oder Doppelspitzen sprechen wir hier von einer einstelligen Prozentzahl in Deutschland. Und wenn man bedenkt, wie viele davon Mütter sind, dann sind wir in einem niedrigen einstelligen Bereich. Andere Länder sind uns da voraus. In meinem Buch ziehe ich einen europäischen Vergleich.
LEADERSNET: Wie schaffen Sie es selbst, das Mama- und das Managerinnen-Sein zu kombinieren?
Andrea Hartmair: Eins ist klar: Du kannst eine echte Karriere in verantwortungsvollen oder führenden Rollen machen und gleichzeitig eine Familie managen. Aber das ist nur mit einem starken Back-up möglich.
LEADERSNET: Braucht es Vorbilder?
Andrea Hartmair: Absolut. Mit jedem Vorbild, das voranschreitet und zeigt, wie es gehen kann und dass es funktioniert, kommen wir weiter. Ein Großteil der Führungskräfte sind Männer. Klar, dass da sehr viele Bias mitspielen und Vorurteile, die wir durchbrechen müssen.
LEADERSNET: Was, wenn man als Mutter diese Vorurteile gar nicht durchbrechen möchte?
Andrea Hartmair: Das ist völlig in Ordnung! Es gibt Mütter, die von Herzen Vollzeit-Mutter sind und ihr Leben allein den Kindern widmen wollen – aber ich wollte nicht "nur" zu Hause bleiben. Letztendlich geht es in dem Buch auch darum, Inspiration zu geben, welche Möglichkeiten bestehen. Es gibt nicht nur den einen Weg, sondern verschiedene Facetten, die wichtig sind und die ich mit dem Buch beleuchte. Ich zeige Tipps und Möglichkeiten auf, wie man es angehen kann. Ich erhoffe mir, dass sich noch mehr Frauen trauen, die sich nicht von außen und vom Umfeld beeinflussen lassen.
LEADERSNET: Möchten Sie selbst Vorbild sein?
Andrea Hartmair: Ich hoffe, dass ich für die eine oder andere schon ein Vorbild bin (lacht), was aber nicht mein primäres Ziel ist. Ich glaube, dass ich eine wahnsinnig starke Energie und sehr viel Power in mir trage, um in verschiedene Richtungen leistungsfähig zu sein – sowohl für meine Kinder als auch im Job. Für mich ist es normal, dass ich mich hinsetze und sehr gerne arbeite, wenn die Kinder unterwegs sind oder schlafen – auf der einen Seite. Auf der anderen Seite: Nach der Schule bis zum Bettgehen meiner Kinder gibt es für mich keine Arbeit, da ist Kinder-Zeit. Nur wenn es total dringend ist, bin ich selbstverständlich erreichbar. Das bedeutet konkret: egal was ich tue, versuche ich es mit vollem Fokus zu tun. Voller Fokus auf Arbeit, voller Fokus auf die Familie oder voller Fokus auf Sport. Eine weitere Komponente, die mich unterstützt, das Pensum überhaupt zu schaffen: Zeit für mich, Zeit für Sport.
LEADERSNET: Haben Sie auch mit Problemen zu kämpfen?
Andrea Hartmair: Natürlich. Es wäre nicht fair zu sagen, dass ich keine Herausforderungen habe. Wobei ich vom Grundtyp her jemand bin, der sehr optimistisch ist. Ich bin 100 Prozent überzeugt: Manager-Mama zu sein, ist die schönste Doppelrolle der Welt. Ich möchte um nichts in der Welt meine Kinder missen und andererseits auf keinen Fall meinen Karriereweg verlassen, wenn es nicht sein muss. Denn auch das habe ich immer gesagt: Wenn die Familie darunter leidet, wird es für mich einen anderen Weg geben müssen. Für die kleineren Probleme des Alltags habe ich mittlerweile einen Plan B, C oder D im Hinterkopf.
LEADERSNET: Haben Sie ein Lieblingskapitel in Ihrem Buch?
Andrea Hartmair: Ja, es gibt sogar zwei Lieblingskapitel. In dem einen Kapitel geht es um die Natur – Natur ist für mich ein absoluter Erfolgsbooster. Ich selbst bin viel mit den Kindern in der Natur unterwegs und spüre, wie gut uns allen das tut. Dieses Kapitel habe ich mit einem tollen Interview mit einer Ärztin angereichert, die beschreibt, wie sich die Natur auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. Das zweite Lieblingskapitel ist das Kapitel mit dem europäischen Vergleich. Hier habe ich selbst am meisten dazugelernt und meine Perspektive extrem schärfen können.
Exklusive Eindrücke von Andrea Hartmair bei der Vorstellung ihres Buches auf der Buchmesse in Frankfurt finden Sie hier.
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