Am vergangenen Sonntag war Hollywood-Schauspieler und Oscar-Preisträger Nicolas Cage prominenter Gast beim Honors Brunch der 25. Ausgabe des Newport Beach Film Festival im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien. Im Balboa Bay Resort durfte er dabei den "Icon Award" für seine inzwischen mehr als vier Jahrzehnte umfassende Filmkarriere entgegennehmen.
Seine dazugehörige Redezeit nutzte Cage, um insbesondere jüngere Schauspielkollegen für die Rolle voranschreitender Technologie in ihrer Branche zu sensibilisieren.
"Für mich ist die Darstellung ein handgemachter, organischer Prozess, der immer wieder bei null startet", sagte der Star aus "Leaving Las Vegas" oder "The Rock" Deadline zufolge. Dieser Prozess komme aus dem Herzen und bestehe "aus der Fantasie, aus Gedanken und Details und Verbesserung und Vorbereitung.“
"Wir als Filmschauspieler sind die Instrumente"
Vor diesem Hintergrund warnte Cage: "Es gibt eine neue Technologie in der Stadt. Es ist eine Technologie, mit der ich 42 Jahre lang nicht konfrontiert war", womit er sich besonders auf eine Regelung namens Employment-based digital replica – kurz EBDR – bezieht.
Nach Ende des Hollywood-Streiks im vergangenen Herbst ist sie gemäß der SAG-AFTRA-Vereinbarung mit den führenden Filmstudios eine von zwei zulässigen Möglichkeiten, die die Erstellung der digitalen Replik eines realen Darstellers mithilfe von generativer KI erlaubt. Voraussetzung ist, dass der jeweilige Schauspieler vorher bereits physisch anwesend für das Projekt gedreht hat.
Die Regelung sieht vor, dass der Schauspieler für dadurch entfallende Arbeitstage trotzdem entlohnt wird – wir prognostizieren, dass sich Darsteller und Studios diesbezüglich in einzelnen Fällen noch vor Gericht wiedersehen werden. Nicolas Cage scheint unterdessen eine klare Meinung zu EBDR zu haben: "Diese Technologie will dir dein Instrument wegnehmen. Wir als Filmschauspieler sind die Instrumente. Wir verstecken uns nicht hinter Gitarren und Schlagzeug."
"The Flash" als persönliche Negativ-Erfahrung
"Die Studios wollen all das, damit sie dein Gesicht ändern können, nachdem du bereits gedreht hast - sie können dein Gesicht ändern, sie können deine Stimme ändern, sie können deinen Text ändern, sie können deine Körpersprache ändern, sie können deine Performance ändern", unterstrich Cage seine ablehnende Haltung.
Ein stark computerbearbeiteter Nicolas Cage als Superman in "The Flash" (Bild: Warner Bros.)
Dabei verwies er auf ein am eigenen Leib erlebtes Beispiel in Sachen EBDR: Für "The Flash" schlüpfte Cage in Anlehnung an ein abgesagtes Tim-Burton-Projekt aus den 90ern für einen Cameo-Auftritt in das Kostüm von Superman. Als letzter Sohn Kryptons bekämpft er in einer auf umfangreiche Computeranimationen setzenden Szene eine riesige Spinne – gedreht habe er aber eine gänzlich andere Sequenz.
Technik weckt die Toten
"Wenn ein Studio an euch herantritt, um einen Vertrag zu unterzeichnen, der es ihnen erlaubt, EBDR für euren Auftritt zu verwenden, möchte ich euch bitten, darüber nachzudenken, was ich MVMFMBMI nenne", führte Cage seine Mahnung fort. Die Abkürzung funktioniert nur im englischen Original: "My voice, my face, my body, my imagination" sagte der "Con Air"-Star, der seinen Zuhörern abschließend "Schützt euer Instrument“ riet.
Die digitale Nachbildung echter Menschen für Realfilme ist grundsätzlich keine brandneue Entwicklung. Berühmte Beispiele aus jüngerer Vergangenheit sind etwa "Fast & Furious 7" oder das "Star Wars"-Spinoff "Rogue One": Für den Actionstreifen wurde der während der Dreharbeiten bei einem Unfall verstorbene Hauptdarsteller Paul Walker für verbleibende Szenen von seinen Brüdern Cody und Caleb gedoublet, ehe sein Gesicht in der Nachbearbeitung eingebaut wurde.
Die digitale Wiederbelebung von Peter Cushing in seiner Rolle als Grand Moff Wilhuff Tarkin führte sogar zu juristischen Streitigkeiten (Bild: Disney / Lucasfilm)
Während die Notwendigkeit der Fertigstellung von trauernden Fans akzeptiert und Walkers Schicksal im Film würdevoll verarbeitet wurde, hat die Wiederbelebung anderer Figuren stärker polarisiert: Wie Heise berichtet, hat Tyburn Film Productions eine Klage gegen Disney und Lucasfilm eingereicht, da sie das Aussehen des 1994 verstorbenen Peter Cushing ohne entsprechendes Einverständnis verwendet haben.
Seine 1977 im ersten "Star Wars"-Film bekleidete Rolle des Grand Moff Tarkin tauchte im direkten Prequel "Rogue One" von 2016 auf, wobei man auch hier ein Körperdouble um ein digitalisiertes Antlitz erweitert hat. Die Reaktion der Fans tendierte eher in Richtung Unbehagen als Wiedersehensfreude – ein Feedback, das beim ebenfalls für "The Flash" (re)animierten Superman Christopher Reeves umso harscher ausfiel.
Auch Margot Weigel wird wiederbelebt
Ein deutsches Exempel für digital zu neuem Leben Erweckte bietet nächsten Monat ausgerechnet die langlebige Seifenoper "Unter Uns", die am Donnerstag, 28. November ihren 30. Geburtstag feiert. Wie die Produktionsfirma UFA Serial Drama bekanntgab, wird Margot Weigel – über 2735 Episoden lang von der vor bereits 18 Jahren verstorbenen Christiane Maybach verkörpert – für einen besonderen Gastauftritt in die Kölner Schillerallee zurückkehren.
Weigel soll ihrer Urenkelin Cecilia dabei im Traum erscheinen. Um diese Begegnung zu ermöglichen, macht sich das ukrainische Softwareunternehmens Respeecher demnach Künstliche Intelligenz zunutze. Schon für die Serie "Neue Geschichten vom Pumuckl" hat die Firma verantwortet, dass die Titelfigur mit der Stimme des 2005 verstorbenen Hans Clarin sprechen konnte.
Die Schauspielerin Angela Fischer und per KI verarbeitete Daten von Christiane Maybachs Gesicht erwecken Margot Weigel für einen Gastauftritt zu neuem Leben in "Unter Uns" (Bild: RTL)
Der Einsatz von KI ist für das Team von "Unter Uns" derweil kein Neuland, wie Produzent Guido Reinhardt gegenüber DWDL verrät: "Das Autorenteam nutzt bereits spezielle für die Serie programmierte Chatbots für die Ideen und Figurenentwicklung. Visuelle Effekte und Hintergründe werden angereichert oder ergänzt", auch in der Post-Production oder im Schnitt sie der Einsatz erprobt.
In einem Behind-the-Scenes-Video erklärt Cecilia-Darstellerin Carina Koller, dass (genau wie bei Peter Cushing oder Paul Walker) eine physisch anwesende Schauspielerin die Grundlage für die digitale Auferstehung liefert. Auf den Kopf von Angela Fischer hat eine KI hier schließlich Gesichtszüge von Christiane Maybach gesetzt.
Koller erwähnt, dass sie und Fischer mit bewegungstechnischen Limitierungen arbeiten und vor allem auf Frontaleinstellungen setzen mussten, um – eine merklich verjüngte – Margot Weigel auf den Bildschirm zu bringen. Sie glaubt, dass Maybach "es sehr cool gefunden hätte, wenn man sie quasi unsterblich" macht.
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