Tedi, Kik und Woolworth
Die Heinig-Dynastie: Vom Ramschhändler zum Immobilien-Mogul

Jost-Stefan Heining, Kopf hinter Handelsnamen wie KiK, Tedi und Woolworth, zeigt sich nicht gerne in der Öffentlichkeit. Er baute ein stattliches Imperium auf, das sich inmitten eines Strukturwandels befindet. Sein Haupterbe hat nämlich ganz andere Pläne als das Handelsgeschäft.

Im Dortmunder Bürozentrum "Inhouse“, dem Sitz seiner Holding, zeigt sich ein verborgenes Bild von Jost-Stefan Heinig, dem Mann, der hinter den Billigmarken KiK und Tedi, sowie Woolworth steht. An den Wänden hängen Ölgemälde, die nicht nur ihn selbst, sondern auch seinen verstorbenen Vater Heinz Hans Heinig und seinen Sohn Benjamin zeigen. Die Porträts sind Ausdruck eines tiefen Wunsches: Heinig will nicht nur als Emporkömmling aus einfachen Verhältnissen gelten, sondern als Gründer einer Dynastie.

Seine Leistungen brachten ihm Rang 80 auf der Manager Magazin-Liste der reichsten Deutschen ein. Spannend ist die Frage, wie es mit dem Unternehmen und seinen Erben weitergeht.

Der Kronprinz glaubt nicht an den Handel

Heinig, heißt es, steht auf prägnante Sprüche wie "Einfach machen“ oder "Wer hinter der Masse herläuft, guckt nur auf Arschlöcher“. Sie spiegeln seine Philosophie wider: pragmatisch, unverblümt und kompromisslos in der Verfolgung seiner Ziele. Doch abseits der markigen Sager zeigen die Gemälde eine andere Seite – die Sehnsucht nach einer Zukunft, die er mit seinem Sohn Benjamin an der Spitze aufgebaut hätte. Doch die Vision droht zu scheitern. Benjamin, der als Kronprinz auserkoren war, verfolgt eigene Pläne. "Er glaubt nicht an den Handel“, bemerkt ein langjähriger Vertrauter dem Manager Magazin. Damit steht Heinigs Traum einer Familien-Dynastie auf der Kippe.

Heinig ist für seine Zurückhaltung in der Öffentlichkeit bekannt. Seit 2009 hat er kein einziges Interview mehr gegeben, wie er damals in der Welt erklärte: "Ich habe es genossen, nicht erkannt zu werden. Das jetzt zum Teil aufgeben zu müssen, ist der Preis unseres Erfolgs.“ Öffentliches Auftreten liegt ihm nicht. Abgesehen von einem 15 Jahre alten Schnappschuss, der ihn beim Verlassen der KiK-Zentrale zeigt, existieren kaum Bilder von ihm. Sein Auftauchen in der Presse beschränkte sich meist auf Berichte über schlechte Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern oder die Niedriglöhne seiner Mitarbeiter – Vorwürfe, die er stets abwies.

Bruch mit der Dynastie Haub

Eine entscheidende Wende in Heinigs Karriere kam 2018, als sein langjähriger Geschäftspartner Karl-Erivan Haub auf einer Skitour in den Schweizer Alpen verschwand. Haub und Heinig hatten über Jahre hinweg eine erfolgreiche Partnerschaft aufgebaut, die den Aufstieg von KiK und Tedi prägte. Doch mit Christian Haub, dem Bruder von Karl-Erivan, konnte Heinig nie warm werden. "Zu unterschiedlich sind die Charaktere“, sagt ein Insider. Heinig, ein Macher, der am liebsten selbst im "Maschinenraum“ steht und persönlich anpackt, wenn ihm etwas nicht passt, fand sich nicht mit dem strategischen, kapitalmarktorientierten Stil von Christian Haub ab. So endete 2021 eine der profitabelsten Partnerschaften im deutschen Einzelhandel.

Mit dem Ende der Zusammenarbeit musste Heinig seinen 15-prozentigen Anteil an KiK abgeben und erhielt im Gegenzug die volle Kontrolle über Tedi, an dem er zuvor 70 Prozent hielt. Doch der Deal hinterließ Spuren: Insider berichten, dass Heinig bei diesem Tausch 400 Millionen Euro drauflegen musste, was zusätzlich auf der Bilanz von Tedi lastet.

Eine verpatzte Offensive

Doch statt sich zurückzulehnen, entschied Heinig, zum Angriff zu blasen. Mit einem riskanten Schachzug räumte er weite Teile des Tedi-Sortiments, um Platz für Billigtextilien zu schaffen – in direkter Konkurrenz zu KiK. Gleichzeitig warb er eine Reihe von Führungskräften von seinem alten Unternehmen ab. "Er wollte KiK plattmachen“, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter. Doch dieser Angriff ging nach hinten los. Die Anpassungen im Sortiment und die Abwerbungen führten zu Verlusten in dreistelliger Millionenhöhe. Sogar die Banken, die Heinig sonst stets unterstützten, wurden unruhig. Schließlich beendete Heinig die Attacke und entließ das gesamte Management.

Nun, wo sein geplanter Frontalangriff gescheitert ist, stellt sich die Frage, wohin Heinigs Reise führt. Bei Tedi mischt er nun wieder selbst im Tagesgeschäft mit, nachdem er jahrelang nur als Berater fungiert hatte. Zuletzt holte er sogar seinen Schwiegersohn Maximilian Heinig aus dem Einkauf von Woolworth zu Tedi und verlieh ihm Prokura. Die Ambitionen sind groß: Tedi soll von 3200 auf 5000 Filialen wachsen, Woolworth will er sogar auf bis zu 5000 Märkte ausbauen – ein ambitionierter Plan, zumal die Herausforderungen steigen. Jede Erhöhung des Mindestlohns treibt die Personalkosten, während Konkurrenten wie der niederländische Discounter Action oder Online-Riesen wie Temu und Shein den Markt aufmischen. "Die besten Jahre des Ramschkönigs sind womöglich vorbei“, so ein Insider zum Manager Magazin.

Das Zukunftsfeld: Ein neues Reich aus Beton

Während die Handelsimperien, die Jost-Stefan Heinig aufgebaut hat, unter Druck geraten, entwickelt sich ein anderes Geschäftsfeld der Familie zur wahren Goldgrube: das Immobiliengeschäft. Die Heinigs haben sich über die Jahre ein gigantisches Immobilienportfolio aufgebaut, das mehr als 100 Gesellschaften umfasst und nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich und den USA aktiv ist. Hier geht es um mehr als nur Kleingeschäfte – Hotels, Bürogebäude und Wohnanlagen gehören zu den Anlagen, die Insidern zufolge inzwischen einen Wert von bis zu zwei Milliarden Euro haben könnten, weit mehr als der Einzelhandel, der die Familie bekannt machte.

Dieses rasant wachsende Geschäftsfeld steuern Heinig und sein Sohn Benjamin gemeinsam mit der Steuerexpertin Maike Hellnick, die schon seit Jahren das Finanzwesen der Familie betreut. Besonders bemerkenswert ist, dass selbst Heinigs älteste Tochter Janina, eine Erziehungswissenschaftlerin, mittlerweile Interesse an diesem Bereich gefunden hat. Sie engagiert sich in verschiedenen gemeinsamen Projekten, was darauf hindeutet, dass die Heinigs ihre Zukunft weniger im Einzelhandel und mehr im Bereich der Ziegel und Zement sehen.

Das Immobiliengeschäft bietet Jost-Stefan Heinig eine doppelte Sicherheit: Einerseits eröffnet es neue Einkommensquellen und Wachstumsmöglichkeiten, während andererseits der Einzelhandel zunehmend mit steigenden Personalkosten und harter Konkurrenz zu kämpfen hat. „Das Geld aus einem möglichen Verkauf von Woolworth und Tedi würde nicht nur ausreichen, um die Schulden der Familie zu tilgen, sondern auch, um die Expansion im Immobiliensektor weiter zu beschleunigen“, so ein Insider zum selben Medium.

Ein komplexes Erbe

Das geplante Erbe ist komplex. Während Benjamin Heinig einen Großteil der Handelsketten und Immobiliengesellschaften übernimmt, sind auch Heinigs andere Kinder eingebunden – insbesondere seine Tochter Janina, die inzwischen ebenfalls Interesse am Immobiliengeschäft zeigt. Doch die Frage, ob es Heinig gelingen wird, seine Patchworkfamilie zusammenzuhalten und sein Vermächtnis als Dynastie zu sichern, bleibt offen. "Heinig ist ein Getriebener“, sagen enge Vertraute. "Er kann nicht einfach aufhören, er denkt immer darüber nach, wie er das nächste Geschäft machen kann“.

Vielleicht wird Jost-Stefan Heinig am Ende nicht nur als Ramschkönig, sondern als Ruhrbaron in Erinnerung bleiben – ein Mann, der aus einfachen Verhältnissen kam, Milliarden verdiente und eine Generationen-Dynastie plante. Eines steht dabei fest: Seine Zukunft ist aus Beton – und die Zeit im Einzelhandel könnte bald nur noch eine Episode seines Aufstiegs sein.

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