Innovationsranking 2024
Studie: Deutschlands Innovationskraft schwächelt

Deutschland rutscht im internationalen Innovationsranking ab und verliert den Anschluss an die Weltspitze. Experten sehen dringenden Handlungsbedarf und fordern radikale Schritte, um den Rückstand aufzuholen. Doch was bremst die Innovationskraft der Nation?

Deutschland hat im globalen Innovationsranking zwei Plätze verloren und rutscht damit aus den Top 10 heraus, wie eine neue Studie des BDI und Roland Berger zeigt. Besonders der Mangel an staatlicher Förderung, Risikokapital und die bürokratischen Hürden bremsen die Innovationskraft der Bundesrepublik. Laut eines Berichts des Handelsblatts fordern Experten konkrete Maßnahmen, um Schlüsseltechnologien zu fördern und die Lücke zur internationalen Spitze zu schließen.

Innovationsranking: Deutschland fällt zurück

Im neuen Innovationsranking des BDI und Roland Berger rutscht Deutschland auf Platz 12 ab – ein Rückschritt um zwei Positionen. Besonders alarmierend: Während Deutschland den Anschluss an die führenden Innovationsnationen verliert, weitet sich der Abstand zur Spitze deutlich aus. Länder wie die Schweiz, Singapur und Dänemark dominieren das Feld, während Deutschland mit 43 von 100 möglichen Punkten weit hinter den Spitzenreitern, wie der Schweiz mit 71 Punkten, zurückbleibt.

"Unsere Wettbewerbsfähigkeit hängt im Kern von unserer Innovationsfähigkeit ab", warnt BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Doch die Dynamik, die Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten als Innovationsführer auszeichnete, lässt nach. Während große Volkswirtschaften wie die USA oder Japan ebenfalls hinter den kleineren Innovationsländern liegen, gibt es wenig Grund zur Beruhigung. Der Abstand zur Spitzengruppe wächst stetig.

Ursachen: Förderchaos und Fachkräftemangel

Obwohl Deutschland in zukunftsweisenden Technologiebereichen wie Künstliche Intelligenz (KI), Industrie 4.0 und Raumfahrt stark aufgestellt ist, behindern mehrere strukturelle Probleme den Fortschritt. Die Grundlagenforschung ist zwar gut finanziert, doch der Transfer von Innovationen in die Praxis gestaltet sich schwierig. Hier spielt der Staat eine entscheidende Rolle, der laut der Studie zu wenig und ineffizient fördert. "Das Geld versandet in einem Wirrwarr an Förderprogrammen", heißt es in der Analyse.

Zusätzlich leidet die Innovationskraft unter dem Fachkräftemangel. "Die ungünstige Situation bei Fachkräften behindert die Umsetzung von Wissen in Innovation", so die Studie weiter. Trotz hoher Investitionen seitens der Unternehmen wird das Potenzial oft nicht ausgeschöpft, da qualifizierte Arbeitskräfte fehlen, um Ideen in marktfähige Produkte umzusetzen.

Risikokapital fehlt: Start-ups kämpfen ums Überleben

Neben der ineffizienten staatlichen Förderung wird ein weiterer zentraler Hemmschuh deutlich: das fehlende Risikokapital. Investitionen in Start-ups sind im letzten Jahr um mehr als 40 Prozent eingebrochen, was die Entwicklung neuer Technologien massiv ausbremst. Eine Umfrage des Bitkom-Verbandes zeigt, dass weniger als ein Fünftel der Start-ups in Deutschland ausreichendes Risikokapital sehen.

Hendrik Brandis, Partner beim Investor Earlybird, beschreibt das Problem: "Als Wirtschaftsstandort sollten wir den Anspruch erheben, Deeptech-Technologien langfristig hier zu kommerzialisieren. Doch wenn Unternehmen vor der Wahl stehen, entweder keine notwendige Anschlussfinanzierung zu finden oder einen Standortwechsel zu akzeptieren, wird Letzteres die bevorzugte Option sein."

Diese Situation zwingt vielversprechende Unternehmen wie das Fusionstechnologie-Start-up Marvel Fusion oder die Flugtaxifirma Lilium zu Überlegungen, ihren Standort ins Ausland zu verlagern, wo bessere Finanzierungsbedingungen herrschen.

Vier Maßnahmen für mehr Innovation

Die Studie von BDI und Roland Berger identifiziert vier zentrale Maßnahmen, die Deutschland ergreifen muss, um seine Innovationsfähigkeit wieder zu stärken:

  1. Der Staat als Ankerkunde
    Der Staat könnte als bedeutender Auftraggeber für innovative Start-ups auftreten. Beispiele wie das Raumfahrt-Start-up Isar Aerospace zeigen, wie öffentliche Aufträge zusätzliche Investoren anziehen und Unternehmen langfristig stabilisieren können. Isar Aerospace erhielt vom Deutschen Luft- und Raumfahrtprogramm elf Millionen Euro für die Raketenentwicklung und konnte dadurch insgesamt 400 Millionen Euro von Investoren sichern. "Und auf einmal habe ich elf Millionen Euro Steuergeld um den Faktor 40 gehebelt", erklärt CEO Daniel Metzler.

  2. Vereinfachte staatliche Förderung
    Die aktuelle Förderlandschaft gleicht einem Flickenteppich: Zahlreiche Programme sind nicht aufeinander abgestimmt und erfordern aufwendige Bürokratie. So müssen Start-ups seit Kurzem ihre Innovationsausgaben detailliert im Voraus angeben – eine Hürde, die kaum zu bewältigen ist, da innovative Projekte schwer vorhersehbar sind. "Deutschlands Innovationsförderung gleicht einem Flickenteppich", bemängelt BDI-Präsident Russwurm.

  3. Mehr Risikokapital mobilisieren
    Deutschland braucht dringend mehr und größere Risikokapitalfonds. Experten fordern einen tieferen Kapitalmarkt und eine europäische Kapitalmarktunion, um größere Fonds und mehr Investitionsmöglichkeiten zu schaffen. Fabian Heilemann vom Deeptech-Investor Aenu sieht darin eine wichtige Chance: "Es geht vor allem darum, liquide und funktionierende Börsenplätze zu schaffen, die in der Lage sind, Tech-Unternehmen aufzunehmen und ausreichend zu kapitalisieren, wie die Nasdaq es als Paradebeispiel seit Jahrzehnten vormacht."

  4. Militärische Forschung einbeziehen
    Eine weitere potenzielle Innovationsquelle liegt in der militärischen Forschung. In den USA treibt das Verteidigungsministerium mit der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) seit Jahrzehnten technologische Innovationen voran. Diese Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung besteht in Deutschland weiterhin, bietet aber Chancen für die Zukunft. "Das US-Verteidigungsministerium tritt in den USA aktiv als Kunde auf", lobt Russwurm und verweist auf die Vorbildfunktion.

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