Man kennt das: Online macht ein Kleidungsstück einen ansprechenden Eindruck. Es wandert in den Warenkorb, geht in die Post und darf innerhalb weniger Tage zuhause in Empfang genommen werden. Es wird ausgepackt, anprobiert und passt tatsächlich gut – farblich weicht es jedoch mehr von der Darstellung am Monitor ab, als lieb ist. Kann man sich damit nicht arrangieren, faltet man das wenige 100 Gramm schwere Textilprodukt kurzum wieder zusammen, um es für die ärgerliche, aber mühelose Retour-Reise vorzubereiten.
Mit Wandfarbe stellt sich der gleiche Prozess allein aufgrund der meist mehrere Liter fassenden Eimer ungleich nervenraubender dar. Obendrauf muss ein eingeplanter Streichtermin womöglich verschoben werden, wenn der gewünschte Grünton real plötzlich viel dunkler als online wirkt. Aspekte wie diese haben lange dazu beigetragen, dass Farbe für die eigenen vier Wände als klassisches Retail-Produkt galt und im E-Commerce-Bereich eine marginale Rolle gespielt hat.
Unbedarftheit + Timing = Erfolg
Gemäß des Sprichworts "Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat‘s einfach gemacht“ ist MissPompadour vor fünf Jahren ins Leben gerufen worden. Neben einer Spur hilfreicher Unbedarftheit ist dabei auch die Zeit auf der Seite der drei Gründer Niklas Lütteken sowie Astrid und Erik Reintjes gewesen, schließlich sollte Online-Versandhandel durch eine gewisse gesundheitliche Ausnahmesituation im Jahre 2020 noch einmal eine ganz neue Selbstverständlichkeit erlangen.
"Da kam der große Hype für das Handwerken zu Hause, und davon haben wir profitiert“, erinnert sich Astrid Reintjes dem Handelsblatt gegenüber in einem lesenswerten Beitrag zum Werdegang des Unternehmens, das für dieses Jahr von einem Umsatz im 20-Millionen-Euro-Bereich ausgeht. Laut Eigenangaben umfasst das Portfolio von MissPompadour inzwischen über 90 verschiedene Farbtöne.
Die Firma sitzt im oberpfälzischen Sinzing, unterhält im zehn Kilometer entfernten Laaber einen Standort zum Anmischen, Verpacken und Verschicken von Farbe und beschäftigt außerdem ein Tech-Team in Helsinki, das für App und Online-Shop verantwortlich zeichnet. Mitgründer Niklas Lütteken hält in der finnischen Hauptstadt die Zügel in der Hand, während die Geschwister Astrid und Erik in Deutschland das Tagesgeschäft leiten.
Pinterest und Pandemie als Launchpad
Erik Reintjes steht seinerzeit vor dem Abschluss seines Mode- und Design-Management-Studiums und erschafft im Zuge der dazugehörigen Arbeit einen Online-Shop für das primär auf Möbel spezialisierte Geschäft seiner Schwester. Eben diese gehen dort jedoch kaum über die digitale Ladentheke - stattdessen herrscht unerwartet großes Interesse an der überschaubaren Farbpalette, die Astrid Reintjes offeriert. Bald bringt sie mehrere Pakete pro Tag auf den Weg, ehe das Geschäft durch einen vorteilhaften Pinterest-Link und besagte Corona-Pandemie "praktisch explodiert“.
Der Gründerin nach ist es damals ebenso von Vorteil, dass sich viele Baumärkte im Online-Segment noch zurückhalten und sie ihrer Kundschaft wiederum auf modernen Wegen – etwa durch Instagram – die nahbar wirkende Inspiration und Beratung zukommen lassen kann, die auf der weiten Fläche des Baumarkts keineswegs immer garantiert ist.
Speziell vom engen Kontakt zur Zielgruppe hat sich Sven Rittau bereits 2022 begeistert gezeigt. "Das ist doch das, wo im Onlinehandel aktuell alle hinwollen“, wird der Zooplus-Gründer vom Handelsblatt zitiert, der als Teil der Investoren-Gruppe Fure Capital eine Geldspritze in einstelliger Millionenhöhe für MissPompadour aufgezogen hat. Auch die Hamann-Brüder Stefan und Sebastian, Gründer der shopware AG, sind beteiligt.
Die Zukunft: Internationaler und in Garten-Centern
Rittau freut sich demnach darüber, dass das Trio nicht nur einen Shop, sondern eine beliebte Marke etablieren konnte und stellt dementsprechend eine wachstumsreiche Zukunft in Aussicht. Statt der momentan vier Prozent des erreichbaren Marktes wollen die Verantwortlichen bis 2026 so bereits zehn Prozent vorweisen können. Eine nicht unbedingt zuallererst mit Baumärkten assoziierte Kundengruppe hat MissPompadour längst fest in der Hand: Laut Antje Reitjes sind rund 80 Prozent der Bestellenden weiblich.
Zudem wird seit kurzer Zeit eine eigene Kreidefarben-Linie in ausgewählten Märkten der Dehner-Gruppe, die in Deutschland und Österreich mit über 130 Garten-Centern vertreten ist, angeboten. Dem Testlauf bei Europas Marktführer wohnt große Bedeutung inne, immerhin könnte er die Tür für weiterführende Kooperationen weit aufstoßen. Erik Reintjes gibt zu Protokoll, dass die Verhandlungen mit Baumärkten auf der anderen Seite zwar stattgefunden, offensichtlich jedoch nicht zu einem zufriedenstellenden Deal geführt haben.
Besser läuft es mit der Internationalisierung: Neben dem gesamten DACH-Raum ist der Dienst von MissPompadour inzwischen auch in Frankreich und den Niederlanden verfügbar; Belgien und Polen (hier zunächst probeweise über Marktplätze) sollen als nächstes folgen.
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