Niklas Östberg Mitgründer und CEO von Delivery Hero, erklärte unlängst die neue Strategie seines Unternehmens mit bedachter Zurückhaltung. Der „klare Fokus“ liege darauf, „das Geschäft in die Profitabilität zu bringen“, betonte er kürzlich in einer Telefonkonferenz mit Analysten. Diese vorsichtige Haltung steht im starken Kontrast zu früheren Zeiten.
Im Juni 2021, während einer Hauptversammlung, reagierte Östberg auf die Forderung eines Investors, endlich Gewinn zu erzielen, noch scharf. Eine solche Ausrichtung sei „sehr verantwortungslos“, sagte er damals. „Geldgeber, die das anders sehen, sollten nicht investieren.“ Damals schien Delivery Hero unbesiegbar: Der Börsenwert stieg auf knapp 40 Milliarden Euro, und das Unternehmen war in den DAX aufgestiegen. Die Überzeugung im Management war klar: „Wir können alles!“
Doch die makroökonomische Lage änderte sich und Delivery Hero erlebte einen dramatischen Absturz. Innerhalb von sechs Monaten verlor das Unternehmen fast 80 Prozent seines Börsenwertes. Das Wachstum stockte, und die Verluste häuften sich.
Inzwischen strebt Östberg nicht mehr nach Wachstum um jeden Preis, berichtet das manager magazin. Der Aktienkurs bleibt jedoch niedrig, und Delivery Hero ist mittlerweile im MDAX gelistet. Der kürzliche Verkauf des Taiwan-Geschäfts führte zwar zu einem Kurssprung, doch insgesamt bleibt die Situation angespannt. Die mächtigen US-Rivalen DoorDash und Uber Eats haben seit Anfang 2023 stark an Wert gewonnen, während Delivery Hero weiter an Boden verliert.
Ein 13 Jahre alter Dinosaurier
Delivery Hero ist zwar erst 13 Jahre alt, gilt aber in der Branche bereits als „Dino“. Kaum jemand, außer Just-Eat-Takeaway-Boss Jitse Groen,, hat länger durchgehalten als Östberg. Doch die Probleme häufen sich. Trotz eines bereinigten operativen Gewinns von 254 Millionen Euro für 2023 stehen unbereinigt enorme Verluste von 2,3 Milliarden Euro zu Buche. Die Schuldenlast ist hoch, und die Unzufriedenheit der Investoren wächst.
Ein deutliches Zeichen der zunehmenden Ungeduld der Aktionäre war die Ankündigung, dass Scott Ferguson, Chef des New Yorker Hedgefonds Sachem Head, Mitte Juni in den Aufsichtsrat einziehen soll. Ferguson hält 3,6 Prozent der Anteile und hatte Anfang April Druck gemacht, indem er öffentlich seine Enttäuschung über die operative Performance und die Möglichkeit, Östberg zu ersetzen, kundtat.
Der talentierte Dealmaker
Östberg gilt als talentierter Dealmaker, und sein Unternehmen funktioniert oft eher wie ein hochspezialisierter Hedgefonds als ein gewöhnliches Unternehmen. Er hat Milliarden aufgenommen, um in Lieferdienste in über 70 Ländern zu investieren, Märkte mit Rabatten zu erobern und Margen in anderen Ländern zu erhöhen. Doch dieses Modell gerät zunehmend unter Druck.
Die Expansion von Delivery Hero in zahlreiche Länder hat auch Managementfehler offengelegt. 2021 versuchte Östberg in Japan und Deutschland Fuß zu fassen, zwei hochkompetitive Märkte. Beide Versuche endeten in Abschreibungen von über 270 Millionen Euro.
Besonders problematisch ist der hohe Schuldenstand. Zwar konnte Finanzchef Emmanuel Thomassin im März die Schulden restrukturieren, um kurzfristige Liquiditätsengpässe zu vermeiden, doch die langfristigen Zinszahlungen bleiben hoch. Delivery Hero muss in den nächsten Jahren rund eine halbe Milliarde Dollar zusätzlich an Zinsen zahlen, was die ohnehin knappen Ressourcen weiter belastet.
Östberg versucht nun, das Portfolio zu straffen. Der Verkauf des Taiwan-Geschäfts brachte 950 Millionen Dollar ein, und weitere Verkäufe sind geplant. Die neue Aufsichtsratschefin Kristin Skogen Lund soll den Konzernumbau unterstützen. Es wird spekuliert, dass Großinvestor Prosus, der rund 29 Prozent der Anteile hält, Delivery Hero die Lieferdienste in Südamerika abnehmen könnte.
Sorgenkind Quick-Commerce
Operativ muss Delivery Hero das Quick-Commerce-Geschäft mit Lebensmitteln in den Griff bekommen. Diese zweite Säule des Geschäfts hat 2023 mehr als 200 Millionen Euro operativen Verlust gebracht. Gelingt es, die gewaltige Infrastruktur kostendeckend zu betreiben, könnte Östberg potenziell lukrative Werbedeals sichern.
Östberg selbst betont das Wachstum der Werbeeinnahmen, die 2023 fast die Eine-Milliarde-Euro-Marke erreichten. Langfristig strebt er Werbeerlöse von 3 bis 5 Prozent des Bestellvolumens an. Doch dieses Ziel ist ambitioniert und hängt stark von der Marktposition und der Konkurrenz ab.
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