Musik als Kunstobjekt
Wu-Tang Clan-Album "Once Upon a Time in Shaolin“: NFT-Kollektiv monetarisiert das legendäre Unikat

| Redaktion 
| 18.06.2024

Das Material der wortwörtlich einzigartigen Doppel-CD darf eigentlich erst im nächsten Jahrhundert kommerziell verwertet werden – doch mit Segen der Band können Fans gegen Geld nun am Uhrzeiger drehen.

"Once Upon a Time in Shaolin”, das siebte Studioalbum des Wu-Tang Clan, gilt als das teuerste Musikwerk der Menschheitsgeschichte. Geschuldet ist es seiner Rarität: Statt einer handelsüblichen Veröffentlichung hat die New Yorker Rap-Gruppe vor zehn Jahren lediglich eine einzige Kopie des Albums angefertigt, die seine insgesamt 110 Minuten an Songmaterial auf zwei CDs bündelt. Die Master-Tapes sind anschließend vernichtet worden.

2015 entschied Martin Shkreli, seinerzeit Hedgefonds-Manager und CEO von Turing Pharmaceuticals, eine offizielle Auktion für sich und durfte das schon früh sagenumwobene Einzelstück in Empfang nehmen. Eine Vervielfältigung und kommerzielle Auswertung des Albums wurde Shkreli im Zuge einer Vereinbarung bis ins Jahr 2103 untersagt; lediglich das Abspielen auf Listening Parties war prinzipiell gestattet.

"Es gibt eine Menge Dinge, die reiche Leute tun, um anzugeben", verriet Shkreli dem Business Insider vor acht Jahren zu seiner Motivation. "Das mit der Presse ist ein Teil davon, aber es geht auch darum, seinen Freunden oder seiner letzten Firma zu zeigen: 'Hey, ihr könnt mich mal, ich habe ein Zwei-Millionen-Dollar-Album'. Das machen die Leute die ganze Zeit."

Musik soll wieder zeitgenössische Kunst sein

Die ungewöhnliche Form der Veröffentlichung war auch innerhalb der Gruppe umstritten. Bandkopf RZA und Co-Producer Cilvaringz gelten als Initiatoren; ein Statement auf der Webseite des Wu-Tang Clan begründete das Vorgehen damals wie folgt:

"Die Musikindustrie befindet sich in einer Krise. Der intrinsische Wert der Musik ist auf Null gesunken. Zeitgenössische Kunst ist aufgrund ihrer Exklusivität Millionen wert... indem wir einen 400 Jahre alten, an die Renaissance angelehnten Ansatz für Musik wählen; sie als Auftragsware anbieten und ihr einen ähnlichen Weg von der Entstehung über die Ausstellung bis zum Verkauf ermöglichen, hoffen wir, dringende Debatten über die Zukunft der Musik anzuregen und zu intensivieren.“

Der Fall (des) Martin Shkreli

Der oft als "Pharma Bro“ geschmähte Martin Shkreli sorgte nach dem Kauf von "Once Upon a Time in Shaolin” unter anderem durch eine 50-fache Preissteigerung für das Medikament Daraprim oder seine Verurteilung wegen Wertpapierbetrugs für unrühmliches Aufsehen; durch Aktienmanipulation hatte er den Wert seiner Hedgefonds künstlich aufgebläht. Shkreli wanderte ins Gefängnis, wurde zu Strafzahlungen in Höhe von etwa 70 Millionen US-Dollar verdonnert und seine Besitztümer von einem Bundesgericht beschlagnahmt – das kostbare Wu-Tang-Unikat inklusive.

Um Shkrelis Schuldenberg zu tilgen, hat das US-amerikanische Justizministerium "Once Upon a Time in Shaolin” im Juli 2021 an das NFT-Kollektiv PleasrDAO verkauft – für mehr als vier Millionen Dollar, womit es seinen ohnehin schon gehaltenen Status als teuerstes Musikwerk überhaupt eindrucksvoll untermauern konnte. Nun, gut drei Jahre später, verfolgen die Verantwortlichen von PleasrDAO ihre damals geäußerte Hoffnung, das Album einer breiteren Menge zugänglich machen zu können, aktiver denn je.

Listening Session im tasmanischen Museum

So wohnte Sian Cain von The Guardian einer kürzlich abgehaltenen Listening Session im Museum of Old and New Art (kurz MONA) in Hobart im australischen Tasmanien bei. Im Rahmen einer einwöchigen Kunstausstellung hatten 500 ausgewählte Gäste, die sich vorher auf einer Warteliste eingetragen haben mussten, die seltene Gelegenheit, Songs aus "Once Upon a Time in Shaolin” zu hören. Alle Anwesenden wurden gefilzt und mussten eine Erklärung unterschreiben, dass sie keine verdeckten Aufnahmen machen.

Präsentiert wurde ihnen ein eigens für den Anlass angefertigter, halbstündiger Mix von Cilvaringz, der demnach stilecht von einer Original-Playstation aus den Neunzigern abgespielt wurde – angeblich aufgrund der audiophilen Eigenschaften der CD-betriebenen Konsole, auf welcher der Clan vor einem Vierteljahrhundert ebenfalls mit einem eigenen Beat’em-Up namens "Wu-Tang: Shaolin Style“ vertreten war.

Das sagenumwobene Album, präsentiert im Promo-Clip von PleasrDOA

Im Guardian-Bericht beschreibt Cain, der das vorgestellte Material grundsätzlich gut gefällt, die Stimmung vor Ort: "Die meisten Leute haben die Augen geschlossen und konzentrieren sich ganz auf das, was sie in diesem Moment hören. Das steht in krassem Gegensatz dazu, wie wir heutzutage Musik hören: Eine Art Muzak für unsere gestressten Gehirne; ein Mittel, um die Welt um uns herum auszublenden.“

Nach dem exklusiven Erlebnis wurden die ultra-raren Silberlinge sorgsam wieder verpackt und flankiert von zwei Sicherheitsmännern in einem Safe deponiert.

Die Zukunft: NFT-Sample und ein Countdown

Begleitend zur MONA-Präsentation in Tasmanien hat PleasrDAO außerdem eine Möglichkeit vorgestellt, "die Musik auf eine Art und Weise zu veröffentlichen, die den Wu-Tang Clan ehrt und ihnen Geld einbringt, während wir das Streaming-Oligopol umgehen“, wie es das Kollektiv auf X (ehemals Twitter) beschreibt.

Diese Möglichkeit besteht darin, dass User ab sofort ein fünfminütiges Sample des Albums als NFT erstehen können. Im selben Atemzug ziehen sie mit jedem investierten US-Dollar 88 Sekunden von einem Countdown ins Jahr 2103 ab, sodass sie die "richtige“ Veröffentlichung der Platte vorziehen können.

Als dieser Beitrag entsteht, führt ein User namens Meaningful Chieftain die auf der dazugehörigen Homepage geführte Rangliste an: Allein er hat einen klassischen Release von "Once Upon a Time in Shaolin” bisher eine Woche, fünf Tage und 13 Stunden näher rücken lassen – das entspricht einem Investment von 12.310 US-Dollar.

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