Wenn er von seiner Vision einer besseren Welt spricht, in der durch seine Läden mehr Tierleid vermieden und gleichzeitig der Umwelt geholfen wird, wird man durch seine Leidenschaft für sein Tun in den Bann gezogen. Unter der Führung von Schillinger hat sich Swing Kitchen in den letzten Jahren zu einer der führenden Adressen für pflanzliche Fast-Food-Produkte etabliert. In Europa nimmt das Unternehmen eine Vorreiterrolle ein und ist Marktführer in seinem Segment. Irene und Karl Schillinger, die Gründer:innen von Swing Kitchen, haben in den letzten sieben Jahren eindrucksvoll bewiesen, dass Fast Food und Veganismus keine Gegensätze sein müssen. Ihre Vision: frisch zubereitete, klimafreundliche, 100% plastikfreie Köstlichkeiten, die nicht nur den Gaumen erfreuen, sondern auch einen positiven Beitrag für unser Klima leisten. Nach Österreich forciert Schillinger nun die Expansion in Deutschland. In Berlin, München und erst kürzlich in Leipzig wurden drei neue Standorte eröffnet, und weitere sind in Deutschland geplant. Schillinger gibt uns exklusive Einblicke in die Philosophie, die Herausforderungen und die Zukunft von Swing Kitchen.
LEADERSNET: Erzählen Sie Ihren Hintergrund. Wie sind Sie aufgewachsen? Wie haben Ihre Kindheit und Ihr Aufwachsen Ihren Weg als Unternehmer geprägt?
Karl Schillinger: Ich bin in einer ländlichen Region in Österreich aufgewachsen – mit all dem Vereinsleben und heimatlichen Bräuchen. Die Familie hatte ein Gasthaus und dort war ich auch immer präsent. Ich hatte Kontakt zu allen gesellschaftlichen Schichten und redete mit all den Menschen dort. Es war wie mein zuhause. Ich lernte dort viel – fürs Leben. Mein Vater war in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für mich. Er war ein wahnsinnig beliebter Mensch bei uns. Eines der Dinge, die er mir sagte und was ich auch für Swing Kitchen befolge: Jede Änderung, die du tust, sollte aus Sicht der Gäste vorgenommen werden. Das heißt, wie ist es für den Gast, wenn du das Gericht anführst? Wie ist es für den Gast, wenn du diesen Ablauf änderst? Wie ist es für den Gast, wenn du diesen Preis und nicht jenen Preis verlangst?
LEADERSNET: Sie blicken auf eine erfolgreiche berufliche Karriere zurück. Waren anfangs als Wertpapieranalyst tätig und nun Systemgastronomie. Wie kam es dann zu Swing Kitchen?
Karl Schillinger: Mein Vater verstarb leider zu früh. Mit unserer Gastwirtschaft kam ich sehr früh in Kontakt mit Tieren, Schlachtungen und ähnlichen Dingen. Ich hatte schon früh Mitleid zu den Tieren und baute zu diesen eine seelische Verbindung auf. Eines der Dinge die mir mein Vater hinterließ waren 3 Schweine. Ich sagte meiner Mutter, dass ich den Schweinen nichts antun könne und von da an, es muss ungefähr 1987 gewesen sein, stellten wir unser Lokal komplett auf vegetarische Küche um und wir boten den Tieren ein ganz langes, schönes Schweineleben. Meine Frau kam aus einem Akademikerhaushalt und so war es vorgegeben, dass diese etwas studiert. Sie wollte jedoch immer etwas mit Speisen, Essen und Kochen machen und dies mündete letztendlich in unseren vegangen Swing Kitchen Läden. Es brauchte viele Jahre harter Arbeit und Vorbereitungszeit. Ich schlich mich auch in Nachtschichten in andere Küchen und ließ mir Dinge von Schichtleitern zeigen und beibringen, um das ganze Ding ins Rollen zu bringen – dieser ungebrochene Wille ist es, der für den Erfolg notwendig ist.
LEADERSNET: Was sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Fehler, die in der Systemgastronomie begannen werden? Blickt man auf die Vergangenheit so gab es hier auch eine Menge von Pleiten (Vapiano, Maredo und Coa). Was machen Sie anders?
Karl Schillinger: Vapiano hat meines Erachtens zu wenig auf die unterschiedlichen Esskulturen in den Expansionsländern geachtet. Speziell die Amerikaner wollen z.B. billige Free Refill Getränke, wenn sie sich zum Essen selbst anstellen, statt teurer Getränke in Flaschen.
Hinzu kamen fehlgeleitete Expansionspläne, wenig organisches Wachstum und hohe Schulden. Ein stabiler, langfristiger Investorenkreis ist ebenso für den erfolgreichen Aufbau dieser Konzepte vonnöten. Schwierig ist sicherlich das Fachkräfte-Thema. Was machen wir anders? Unser Geschäftsmodell ermöglicht es uns nicht auf Fachkräfte angewiesen zu sein. Wir stellen Menschen nach Charakter ein: Wie freundlich ist die Person? Passt die Person ins Team und nimmt auch Rücksicht auf andere Teammitglieder?
LEADERSNET: Welche Herausforderungen haben Sie während der Gründungsphase von Swing Kitchen überwunden?
Können Sie uns einen Einblick in den Prozess geben, wie Sie die Menüauswahl für Swing Kitchen entwickelt haben? Sie hatten auch ein veganes Restaurant in einer ländlichen Gegend, welches dann schloss. Ist die ländliche Bevölkerung neuen Trends weniger aufgeschlossen? Viele Menschen wollen nicht in Städte pendeln (Umweltbelastung) oder haben erst gar nicht die Möglichkeit, nur um vegane Küche zu genießen. Planen Sie hier neues?
Karl Schillinger: Um so tief wie möglich in Produktionsprozesse und die Systemgastronomie eintauchen zu können, schmierte ich Schichtleiter. Ebenso brauchte es jahrlanger Vorbereitung und Tests, um die Menüauswahl nachhaltig, umweltfreundlich und auf höchstem Niveau für unsere Kunden auf die Beine zu stellen. Die ländlichen Regionen kommen für uns derzeit nicht in Frage, da hier die Frequenzen nicht in dem Maße zu erreichen sind, wie in City-Lagen. Unser ländliches Lokal bekam zwei goldene Falstaff Gabeln und diverse Auszeichnungen. Gäste aßen dort im Schnitt vier Gänge und erlesene Weine. Ich konnte dort nicht immer vor Ort sein und Systemgastronomie war dort, auch aus familiären Gründen, keine Option.
LEADERSNET: Stefan Tewes ist mit seinem Systemgastronomie-Konzept Coffee Fellows in Deutschland überaus erfolgreich.
Er sagte, dass Ecklage, Süd-West-Terrasse, Hotels und Touristen in der Nähe, für den Erfolg seiner Läden entscheidend sind (vor allem in City-Lagen). Dies beruht auf Erfahrungswerten von mehr als 15 Jahren. Dennoch schreiben einiger seiner Standorte Verluste. Was ist bei Swing Kitchen entscheidend für den Erfolg?
Karl Schillinger: Coffee Fellows ist ein Verweillokal, wir sind ein Quicklokal. Ganz großer Unterschied, nicht? Du sitzt dort vielleicht mit Laptop oft drei vier Stunden und bei Kaffee. Das hat aus meiner Sicht Starbucks-Charakter. Wir sind ein schnelles Lokal. Bei uns ist keine längere Verweildauer geplant. Wir haben Fast-Food-Möbel sozusagen. Das ist ganz anderer Zugang. Deswegen haben wir auch keinen Alkohol, weil es bei uns überhaupt nicht nachgefragt werden würde. Ich habe das getestet. Überhaupt kein Thema. Zu den Standorten: Im Vorfeld von neuen Standorten führen wir umfangreiche Tests und Studien durch. Was es braucht ist eine Frequenz von zumindest 12.000 Passanten. Studierende, Touristen und besser verdienende Office-Angestellte sollten sich darunter ebenso befinden.
LEADERSNET: Welche Rolle spielt die tierfreundliche Philosophie von Swing Kitchen in der Unternehmenskultur?
Karl Schillinger: Swing Kitchen ist ein ethisches Projekt, würde ich fast sagen. Swing Kitchen wurde nur zu einem einzigen Zweck gegründet: Maximal viel Tierleid zu vermeiden. Um maximal viel Tierleid vermeiden zu können, wollen wir maximal viele Filialen öffnen, weil das Hand in Hand geht. Und um maximal viele Filialen eröffnen zu können, müssen maximal viele Filialen auch profitabel laufen und deshalb steht bei uns aus ethischer und auch aus ökologischer Sicht die Wirtschaftlichkeit an oberster Stelle. Nur wenn man gut wirtschaftet, kann man idealisieren, kann man skalieren und das ist das Ziel. Je mehr Swing Kitchen es gibt, umso mehr Tierleid wird verringert und dafür kämpfen wir mit aller Kraft.
LEADERSNET: Inwiefern hat sich die pflanzliche Esskultur seit der Gründung von Swing Kitchen verändert, und wie tragen Sie dazu bei? Welche Trends und Entwicklungen sehen Sie in der Branche der pflanzlichen Ernährung, und wie reagiert Swing Kitchen darauf? „Hermann fleischlos“ wurde eingestellt und vegane Unternehmen wie Beyond Meat und viele andere kämpfen mit Schwierigkeiten...
Karl Schillinger: Das Problem sind hier häufig die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten, viele Nachahmer und der intensive Wettbewerb. Wachstum bedeutet nicht immer Profitabilität. Diese Unternehmen haben oft auch viel Geld verprasst und nicht immer auf das richtige Pferd gesetzt. Gamechanger erleiden oft das Schicksal, dass sie kopiert werden und von Firmen, die nicht diese hohen Entwicklungskosten haben, dann am Markt unterboten werden. Ich denke, dass könnte z.B. auch Tesla passieren.
LEADERSNET: Welche Pläne haben Sie für die Zukunft von Swing Kitchen, sowohl in Bezug auf Expansion als auch auf neue Initiativen?
Karl Schillinger: Wir setzen auf Expansion, Erweiterung uns ständige Verbesserungen für unsere Kunden. Weitere Läden in Deutschland sind geplant. Das Problem sind häufig die exorbitant hohen Mieten, die teilweise um das Doppelte zwischen Anbieter und Nachfrager auseinandergehen. Oft stehen dann freie Flächen jahrelang einfach leer….
LEADERSNET: Wenn Sie Ihr Unternehmen nicht leiten und nicht der Vater von zwei Kindern sind, und Sie sich nicht um Ihren Hund kümmern, was machen Sie sonst da draußen?
Karl Schillinger: Unser Hund Alf ist leider von uns gegangen. Meine Frau rettete einen armen Hund aus Osteuropa, den unsere Familie mittlerweile ins Herz geschlossen hat. Ich habe viele Pläne im Hinblick auf die Vermeidung von Tierleid und für eine bessere Umwelt. Dazu plane ich einen Film. Dieser sollte Themen beleuchten, wie den Umstieg auf vegane Ernährung, wie Bäume helfen könnten, das Klima zu retten und wie so die CO₂-Emissionen massiv reduziert werden könnten…
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