Prominente erzählen in den Zeitungen von ihren depressiven Episoden. In den Sozialen Medien tauschen sich Betroffene über das Thema aus, auf X etwa hat sich das Hashtag #NotJustSad etabliert. Nun tauchen auch auf LinkedIn zunehmend Berichte von psychischen Erkrankungen auf. Ist das Thema im beruflichen Umfeld auch nicht mehr tabu?
So einfach ist das nicht
Fest steht: Es ändert sich was im Umgang mit dem Thema, auch in den Unternehmen. Dennoch empfiehlt die Arbeitspsychologin Laura von Gilsa in der WirtschaftsWoche gut abzuwägen, ob man so eine Erkrankung offenlegen soll oder nicht. Von Gilsa lehrt an der Hochschule Fresenius und arbeitet als Coach. Sie berichtet, dass einerseits Betroffene dadurch auf Verständnis und im besten Fall auf Unterstützung, etwa von Kollegen hoffen könnten. Missverständnisse würden aus dem Weg geräumt und die Erkrankten müssten sich dann nicht mehr verstellen. Letzteres kann für diese eine große Erleichterung sein, zumal die Schauspielerei viel Stress und Mühe mit sich bringt. Nicht zuletzt kann es passieren, dass dann auch andere Menschen, die selbst schon Erfahrungen damit gemacht haben, sich einem anvertrauen. Das kann die schlimme Einstellung abschwächen, selbst für seinen Zustand verantwortlich zu sein.
Andererseits riskierten die Beschäftigten, die Kontrolle über ihre Stellung im Job zu verlieren, wenn sie dort von ihren Depressionen erzählen. „Unter Umständen werden sie bei Entscheidungen übergangen, oder ihnen werden interessante Tätigkeiten entzogen, weil man sie für weniger leistungsfähig hält“, sagt die Expertin. Außerdem ist für manche Betroffenen gerade das Büro der letzte Ort, in dem nicht die Erkrankung die Hauptrolle spielt. „Wer dieses Stück Normalität nicht gefährden will, fährt vielleicht besser damit, nichts zu sagen.“
Was die Statistik sagt
Immerhin: 70 Prozent der Betroffenen, die am Arbeitsplatz offen über ihr Problem gesprochen haben, haben gute Erfahrungen damit gemacht. Aber: Über ein Viertel hat die Erfahrung gemacht, dass im Anschluss nicht mehr die Leistung, sondern die Erkrankung im Vordergrund gestanden ist.
Wie tickt der/die Vorgesetzte?
Ausschlaggebend ist in den allermeisten Fällen das Gespräch mit dem Vorgesetzten – und somit die Frage, wie dieser „drauf“ ist. Ist er wirklich interessiert daran, wie es seinen Mitarbeiter:innen geht? Nimmt er sich Zeit für persönlichen Austausch? Macht er Mut und unterstützt er seine Leute? Wenn diese Eigenschaften zutreffen, dann spricht einiges dafür, sich ihm anzuvertrauen.
Job: Ursache oder unterstützend in der Heilung?
Auf viele an einer Depression leidenden Menschen wirkt die Arbeit überfordernd. Das führt jedoch dem Psychiatrieprofessor Ulrich Hegerl zufolge nicht selten zu einem Fehlschluss - nämlich, dass der Job die Ursache für die Erkrankung sei. Das kann stimmen, oder zumindest kann beruflicher Stress ein Trigger für eine Depression sein. Doch in der Mehrheit der Fälle stellt Arbeit für Menschen mit entsprechender Veranlagung einen stabilisierenden Faktor dar, weiß der Experte.
Fix ist indes, dass die meisten Betroffenen in der Regel dann über ihre Depressionen sprechen, wenn sie gerade nicht mittendrin stecken. Denn in einer akuten Phase sind sie schlicht nicht in der Lage, mit ihrem Arbeitgeber darüber zu reden.
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