Die Gründer von Pumpkin Organics im Interview
"Wir wollen Impact schaffen, keine großen Margen“

| Dagmar Zimmermann 
| 13.02.2024

Florian und Jaclyn Schnau, die Gründer von Pumpkin Organics, möchten mit ihrer gemüse-fokussierten Bio-Babynahrung die Lebensmittel-Industrie verändern. Ihre Produkte sind sowohl im Lebensmittelhandel (z.B. Müller, Alnatura, Kaufland), als auch online erhältlich. Im LEADERSNET-Interview verraten Sie, was ihr Unternehmen, in das auch Tijen Onaran investiert hat, ausmacht und wie gute Ernährung die Wirtschaft verändern könnte.

LEADERSNET: Mit Ihrem Unternehmen stellen Sie Bio-Gemüse-Quetschies, Bio-Snacks und mehr her. Treten Sie damit gegen die Big Player der Industrie an?

Florian Schnau: Nein. Die großen Player haben hier in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet. Besonders Hipp hat die ganze Kategorie Babynahrung auf ein gutes Niveau gehoben – fast alles ist jetzt Bio und ohne zugesetzten Zucker – und dadurch vielen Frauen ermöglicht, wieder arbeiten zu gehen. Es hat das Leben der Babys für immer verändert. Davor haben wir einen großen Respekt.

LEADERSNET: Wo liegen die Probleme in der Food-Industrie?

Jaclyn Schnau: Nach vielen Jahren in der Lebensmittelindustrie habe ich gelernt, dass es trotz guter Absichten schwierig ist, ein hochwertiges Produkt in die Regale zu bringen. Der Preisdruck im Supermarkt und der Margendruck der großen Konzerne führen oft dazu, dass die Qualität des Produkts leidet. Hinzu kommt, dass Zucker ein kostengünstiger Geschmacksverstärker für die Industrie ist. Es gibt Studien, die zeigen, dass man vom Zucker schneller abhängig werden kann als von Heroin. Obwohl die Auswirkungen natürlich unterschiedlich sind, ist die Geschwindigkeit, mit der die Abhängigkeit eintritt, beunruhigend. Und fast alle Produkte enthalten zu viel Zucker.

LEADERSNET: Hier setzen Sie mit Ihren Produkten an?

Florian Schnau: Absolut! Laut Ärzten, Ernährungswissenschaftlern und Studien werden Gewohnheiten – genauso wie das Sprechen – in den ersten drei Lebensjahren geprägt. In diesen ersten 1000 Tagen, beginnend am ersten Tag der Schwangerschaft, werden Geschmackspräferenzen und der Stoffwechsel geprägt, was auch als Metabolic Programming oder Metabolic Imprinting bezeichnet wird. Dies bildet die Grundlage für den Rest des Lebens. Wir möchten Eltern dabei helfen, dass ich ihre Kinder in Gemüse verlieben und nicht zu viel Zucker essen. Daher ist Gemüse bei uns dominant und unsere Produkte enthalten viel weniger Fruchtzucker als die anderen. Was viele vergessen, Fruchtzucker ist auch Zucker – auch wenn es vielleicht besser klingt.

LEADERSNET: Investoren wie Unternehmerin Tijen Onaran und Schauspielerin Wolke Hegenbarth glauben an Sie. 2023 kamen in einer neuen Finanzierungsrunde 4,3 Millionen Euro zusammen.

Florian Schnau: Es macht uns stolz, dass so fantastische Personen uns und unserer Mission unterstützen. Sie sind mit Herzblut und Überzeugung dabei. Sie öffnen viele Türen und bringen Aufmerksamkeit. Wenn wir die Ernährung von Kindern nachhaltig verbessern wollen, hilft diese Aufmerksamkeit enorm.

LEADERSNET: Könnte bessere Ernährung Probleme in der Wirtschaft lösen?

Florian Schnau: Wir haben in Deutschland keine Rohstoffe, die Menschen sind unser größtes Kapital. Die Deutschen sind gut ausgebildet und fleißig, aber sie müssen auch gesund sein. In der Geschäftswelt wird oft darüber gesprochen, wie gestresst und müde sie sind. Ich denke, es wäre sowohl für die Wirtschaft als auch für die Politik hilfreich, sich besser zu ernähren. Vermutlich dürfte das aber schwierig werden: Wir erinnern uns, als Volkswagen einen vegetarischen Tag einführen wollte hat sogar Gerhard Schröder getwittert: "Die Currywurst ist der Motor der deutschen Wirtschaft."

LEADERSNET: Wie viel ist in Ihrem Business Herz, wie viel Kopf?

Florian Schnau: Zu 100 Prozent ist es ein Herzens-Business. Natürlich müssen die Zahlen stimmen, wir müssen Mitarbeitende bezahlen, Investoren sind mit an Bord. Aber wir machen das nicht, weil wir dafür so viel Geld bekommen, wir wollen für unsere Kinder und ihre Spielkameraden eine bessere Welt schaffen.

LEADERSNET: Was macht Sie als Gründer-Paar aus?

Jaclyn Schnau: Pumpkin Organics ist 24/7 ein Thema bei uns. Dazu kommt, dass wir uns blind vertrauen.

LEADERSNET: Was treibt Sie an?

Jaclyn Schnau: Unsere Mission ist es, die Gesellschaft zu verbessern, weil wir den enormen Impact guter Ernährung auf die Lebensqualität und die Gesellschaft erkennen. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 65 Milliarden Euro für die klinischen Folgen von Übergewicht ausgegeben. 65 Milliarden Euro! Es sind viele schlechte Ernährungsgewohnheiten, die uns zu diesem Problem geführt haben. Wir haben nicht im Ernährungsbereich gegründet, weil dies die besten Margen bietet oder das schnellste Wachstum verspricht, sondern um dieses Problem zu adressieren, sozusagen „am Anfang“ an der Wurzel.

LEADERSNET: Welche Rolle spielt die Diät-Industrie?

Florian Schnau: Die Diät-Industrie ist eine riesige, mehrere Billionen Euro schwere Industrie. Sie verspricht die Pille, die schlank macht, das Buch, das in 28 Tagen die perfekte Figur verspricht. Wenn wir Kindern von Anfang an die richtige Ernährung beibringen würden, bräuchten wir all das nicht. Ich glaube übrigens, dass die Zuckerlobby die Zigarettenlobby unserer Zeit ist.

LEADERSNET: Was sind die großen Herausforderungen?

Jaclyn Schnau: Das generelle Wissen um Ernährung ist unsere größte Herausforderung. Weil wir mit dem systematischen Glauben kämpfen, dass Fruchtzucker okay ist. Wir würden gerne mehr Aufklärung betreiben, aber wir sind eine noch kleine Firma, wir können nicht überall sein und keine großen Kampagnen starten. Und trotzdem: Unser Packaging und unser Storytelling löst bei interessierten Eltern Fragen aus.

Florian Schnau: Wir haben in Westeuropa kein Erkenntnisproblem. Wir wissen, was wir essen sollen und was wir nicht essen sollten. Wir haben auch Zugang zu den Produkten. Wir können sie im Supermarkt in der Regel kaufen. Und die meisten können es sich auch leisten. Zwar nicht jeden Tag, aber regelmäßig. Also das ist nicht das Problem. Das Problem sind der innere Schweinehund also die Gewohnheiten, die uns immer wieder dazu bringen, das Falsche zu essen.

LEADERSNET: Ist es ein finanzielles Thema, sich gesund zu ernähren?

Florian Schnau: Es hat eher etwas mit Ernährungswissen zu tun. Wir sind überzeugt, dass gesunde Ernährung kein Privileg der Reichen sein darf, und ungesunde Ernährung nicht vererbt werden sollte. Wir diskutieren oft, welche Rolle Kitas oder Kindergärten spielen. Man könnte alle Kinder im Alter von 12 bis 36 Monaten erreichen, weil hier bereits mindestens eine Mahlzeit am Tag angeboten wird. Das wäre eine große Chance, aber dafür braucht es politischen Willen. Andere Länder gehen andere Wege, z.B.  Chile oder Mexiko mit ihrer Zuckersteuer, denn wenn Bio-Gemüse günstiger ist als Schokolade und Chips fällt die Verhaltensänderung leichter.

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