Dominik Roth ist einigen Lesern womöglich als Host des Karriere-Podcasts "CEO Career Code“ bekannt. Hauptberuflich ist er beim Personalberater Mercuri Urval sowohl Partner als auch Headhunter – und aus Blickwinkel des letzterem beobachtet er eine Entwicklung bei der Rekrutierung von Führungskräften, die Unternehmen neben Zeit und Nerven mitunter auch bares Geld kostet.
Ein elementares Problem sieht Roth dabei in der vermehrten Tendenz von Führungskräften, bindungsscheu und schlimmstenfalls wortbrüchig zu sein. Während früher vor allem erfahrene Manager über die Sprunghaftigkeit des Nachwuchs geklagt hätten, käme es nun in allen Altersklassen vor, dass "mündliche Zusagen nicht eingehalten, Verträge nicht unterschrieben oder Stellen nicht angetreten werden.“
Im Zeitgeist der Unverbindlichkeit
"Unternehmen sind nicht nur mit einem Mangel an passenden Kandidaten konfrontiert, sondern auch mit dem, was ich 'Zeitgeist der Unverbindlichkeit' nenne“, erklärt Roth. Diesen sieht er in drei Faktoren begründet, die sich wiederum allesamt auf die stetig voranschreitende Digitalisierung zurückführen lassen.
So habe der Pandemie-Modus ab 2020 zu einer neuen Lässigkeit geführt, in der sonst betont professionell auftretende CEOs plötzlich wie selbstverständlich in T-Shirt und Jeans im Zoom-Call saßen, um Bewerbern auf den Zahn zu fühlen. Diese wiederum verspürten durch den Mangel an direktem Kontakt eine distanzschaffende Anonymität.
Als dritten Punkt erwähnt Roth den "Informationsoverload“ unserer rundum vernetzten Welt. Er verweist darauf, dass Manager heutzutage gut und gern ein Dutzend unterschiedlicher Termine am Tag wahrnehmen, wobei sie sich nicht selten mit einer breiten Themenpalette befassen müssen. Die Zeiten, in denen zwei Termine pro Tag den Durchschnittswert darstellten, scheinen lange vorbei zu sein.
Verspielte Zeit, verpasste Chancen
Dieser "Zeitgeist der Unverbindlichkeit“ beschert betroffenen Unternehmen auf Personalsuche schnell Schwierigkeiten. Roth zufolge sind Kennenlerntermine für viele Executive-Bewerber noch reibungslos möglich, ehe die darauf aufbauenden Zweitgespräche vergleichsweise häufig gecancelled werden. Der Headhunter berichtet sogar von Executive-Bewerbern auf C1-Level, die selbst mit unterschriebenem Vertrag letztlich einfach nicht (mehr) zur Arbeit antreten.
Unternehmen verschwenden auf diese Weise nicht nur Arbeitszeit und Mühe: Der eigentliche Rekrutierungsprozess und womöglich anfallende Abfindungen im Rahmen einer Kündigung stellen direkte Betriebskosten dar. Daneben erinnert Roth an den indirekten Kostenfaktor, der in der potenziell niedrigeren Performance des nun schwächer als geplant besetzten Unternehmens besteht.
Was Unternehmen tun können
Nichtsdestotrotz sind Unternehmen dem von Roth festgestellten Zeitgeist keinesfalls hilflos ausgeliefert. Der Headhunter empfiehlt, einen persönlichen Kontakt zum Bewerber aufzubauen, was neben transparentem und aufrichtigem Auftreten auch durch Briefings und Debriefings rund um den eigentlichen Bewerbungstermin vor Ort möglich ist.
Aus ähnlicher Motivation würde Roth das Onboarding keineswegs zum ersten Arbeitstag, sondern irgendwann zwischen Vertragsabschluss und offiziellem Einstand stattfinden lassen: Durch die direkten Berührungspunkte mit dem Unternehmen und das Kennenlernen möglicher Kollegen wird eine menschliche Bindung geschaffen, die eine Absage kurz vor geplantem Jobantritt zumindest unwahrscheinlicher macht.
Zu guter Letzt rät Roth, Bewerber nach dem "Tunnel-Prinzip“ zu selektieren. Statt einer eiligen Einstellung sei es in unserer heutigen Geschäftswelt sinnvoller, aussichtsreiche Kandidaten zwar möglichst schnell für sich zu begeistern, aber auch möglichst spät tatsächlich auszuwählen.
Kommentar schreiben