"Last-Chance-Tourismus" ist ein Begriff, der seit einigen Jahren in Reisekreisen die Runde macht und dem die globale Erwärmung derzeit einen Popularitätsschub verleiht. Ein Ort, der davon „betroffen“ ist, ist Island: Wer dorthin reist, besucht für gewöhnlich die blaue Lagune, steigt auf den Gipfel der Hallgrimskirkja, schnorchelt in Silfra oder macht einen Roadtrip entlang der Küste, mit Stopps in Reynisfjara und in Breiðamerkursandur. Ersterer ist ein Strand, der für seinen schwarzen Sand und seine riesigen Basalttürme berühmt ist, letzterer für die Eisberge, die an die Küste gespült werden und einen starken Kontrast zum schwarzen Sand bilden.
Dass all dies vergänglich ist, und in Zeiten wie diesen noch viel mehr, diesem Gefühl können sich viele Besucher dort nicht erwehren. Noch viel mehr, darum, weil die isländischen Gletscher mit einer Geschwindigkeit von über 150 Metern pro Jahr schmelzen. Den Ort noch einmal erleben, bevor er buchstäblich verschwindet, das gibt dieser Form von Urlaub in den Augen vieler noch einen besonderen Reiz.
Island, die Alpen, die Antarktis
Gleich verhält es sich in manchen Gebieten in den Alpen (s. Guardian-Artikel), oder auch in der Antarktis. Seit den frühen 90er Jahren hat der Tourismus in der Antarktis kontinuierlich zugenommen. Nach Angaben der International Union for Conservation of Nature hat sich die Zahl der Touristen zwischen 1992 und 2020 verzehnfacht und ist in der Saison 2019-20 auf 75.000 und in der Saison 2022-23 auf 104.897 gestiegen. Die Erreichbarkeit in den letzten Jahren spielt dabei sicherlich eine Rolle, aber auch die Anzahl der Menschen, die unter dem Vorwand, es sei ihre letzte Chance, zum südlichsten Kontinent der Erde reisen, ist nicht zu vernachlässigen.
Positiv-Beispiel Indien
Nur leider richtet dieser „Last-Chance-Tourism oft noch größeren Schaden an bereits bedrohten Orten an. Sowohl in der Antarktis, oder wie im berühmtesten Beispiel, dem Great Barrier Reef in Australien – wo die tausenden Besucher den Korallenriffen den letzten Rest geben. Andererseits gibt es auch Reiseziele - wie die Root Bridges in Cherrapunji, Indien (Brücken aus Wurzeln und anderen Pflanzen)- die ohne menschliches Zutun wahrscheinlich verschwunden wären.
Unter dem Strich ist Tourismus ein mächtiges Instrument, das Aufmerksamkeit und Geld verschafft. Er kann dies auf sehr positive oder sehr negative Weise tun. Es geht also eher darum, die eigenen Reisen so zu kalibrieren, dass sie möglichst positiv verlaufen, meint Dylan Thuras, Mitbegründer der Medien- und Reiseplattform Atlas Obscura. Tourismus könne auch eine Kraft für das Gute sein, wenn er es sein möchte, ist sich der Experte sicher.
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