"Wir haben von Anfang an viele Dinge komplett anders als andere gemacht"

Der Kinderfahrradhersteller Woom feiert dieses Jahr sein 10-jähriges Bestehen. Im Interview mit LEADERSNET blickt Co-CEO Paul Fattinger auf die Erfolgsgeschichte des Unternehmens zurück und verrät, was für die Zukunft geplant ist.

Vor mittlerweile zehn Jahren hat die Erfolgsgeschichte von Woom begonnen: Zwei fahrradbegeisterte Väter – der österreichische Industriedesigner Christian Bezdeka und der deutsche Marketingprofi Marcus Ihlenfeld – waren auf der Suche nach dem perfekten Fahrrad für ihre Kinder. Da sie es auf dem Markt nicht finden können, beschließen sie kurzerhand, es selbst zu bauen. In einer Garage in Wien gründen sie ihr Start-up und erfinden das Kinderrad neu.

Mit niedrigem Gewicht, zeitlosem Design, hochqualitativen Komponenten und auf die Bedürfnisse von Kindern angepasster Geometrie setzen woom bikes neue Maßstäbe bei Premium-Kinderfahrrädern. Paul Fattinger ist seit Oktober 2021 als kaufmännischer Geschäftsführer für Finanzen und Strategie bei Woom verantwortlich und war zuvor im Consulting für renommierte Unternehmen tätig.

LEADERSNET: Innerhalb von wenigen Jahren entwickelt sich woom vom Geheimtipp zum Marktführer. Heute ist Woom weit über die Grenzen seines Heimatlandes Österreich hinaus bekannt. In mittlerweile über 30 Ländern – bis in die USA – radeln die Kids und Teens bereits auf Woom-Bikes. 2022 haben Sie die 100-Millionen-Euro-Umsatzmarke durchbrochen – 2020 waren es noch 50 Millionen Umsatz. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Fattinger: Unser Erfolg beruht darauf, Kinderfahrräder zu entwickeln, die konsequenter und exakter an die Bedürfnisse von Kindern angepasst sind. Wir haben von Anfang an mehr Zeit und Geld in die Entwicklung unserer Produkte investiert. Vor woom waren Kinderräder oft nicht mehr als geschrumpfte Erwachsenen-Fahrräder, weil man gedacht hat, dass sich so viel Aufwand für ein Kinderrad nicht rechnet. Neben der perfekt auf Kinder angepassten Geometrie sind woom bikes auch echte Leichtgewichte und wiegen um 40 Prozent weniger als andere Kinderfahrräder.

LEADERSNET: Finanziell war das Radgeschäft zunächst kein Renner, vier Jahre lang fallen Verluste an. Wie haben Sie den Markt für Kinderfahrräder anders bearbeitet als Konkurrenten? Welche Strategie im Hinblick auf das Marketing verfolgen Sie und was haben Sie daraus gelernt? Welche Wege bestritten Sie bei der Finanzierung Ihres Unternehmens?

Fattinger: Wir haben von Anfang eine Omnichannel-Vertriebsstrategie verfolgt: woom bikes und woom Fahrradzubehör sind im Online-Shop und im stationären Fachhandel erhältlich. In den ersten Gründungsjahren haben wir uns vor allem auf das Umsatzwachstum konzentriert. Bei der Finanzierung unseres Unternehmens waren wir lange Jahre "bootstrap" finanziert und kamen ohne externe Finanzierung aus. Im Jahr 2020 haben wir dann erstmals Investoren an Board geholt. Mit diesen Partnern – darunter Bregal Unternehmerkapital, Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner und Unternehmer Stefan Kalteis – haben wir die weitere Internationalisierung und Digitalisierung vorangetrieben. Ende 2022 ist die Jebsen Group als weiterer strategischer Investor bei uns eingestiegen, damit wir unseren Wachstumskurs weitergehen können.

LEADERSNET: Mit der Jebsen Group ist ein Investor an Bord, der als Spezialist für Markteintritte in Asien gilt. Damit werden Expansionspläne in Asien verfolgt?

Fattinger: Die Jebsen Group ist der ideale Partner für die Expansionspläne von woom. Das Unternehmen hat bereits viele internationale Brands – darunter bekannte Konsumgütermarken wie Bang&Olufsen, Casio, Beurer, Porsche oder erst kürzlich Tonies Toniebox – dabei unterstützt, in Asien Fuß zu fassen und ihre Marken und Marktanteile auszubauen und ist dafür bekannt, ein langfristiger vertrauenswürdiger Partner zu sein, der integer und transparent arbeitet. Und ja, der asiatische Markt ist für uns hochinteressant und wir beschäftigen uns auch mit dem Thema Markteintritt in Asien. Aber es gibt noch keine konkreten Expansionspläne für Asien.

LEADERSNET: Sie wagten mit Ihrem Unternehmen sehr früh den Sprung auf internationales Parkett, und blickt man auf Ihre Historie, so waren Sie damit im Gegensatz zu anderen Unternehmen sehr erfolgreich. Wie kommt das?

Fattinger: Mathias Ihlenfeld – der Bruder des Woom-Gründers Marcus – hat Woom USA ab 2014 aufgebaut und ein starkes Team in den USA entwickelt. Im Jahr 2021 haben wir Woom USA und Woom Europe zu einer Firma – nach dem Motto "onewoom" – zusammengeschlossen. Unser Team umfasst weltweit über 240 Woomsters – davon arbeiten rund 180 in Klosterneuburg bei Wien und 60 in Austin/Texas.

LEADERSNET: Sie kamen durch Ihre Reisen viel umher. Welche Erfahrungen haben Sie mit Asien und Osteuropa gemacht? Die Menschen verdienen dort weniger als bei uns, jedoch empfindlich niedriger sind deren Lohnnebenkosten. Wir befinden uns in einem globalen Wettbewerb und viele Unternehmen wollen sich das zu Nutze machen. Herrscht dort immer noch Aufbruchsstimmung?

Fattinger: Wir verfolgen seit einigen Jahren eine diversifizierte Produktionsstrategie mit Partnerfabriken in mehreren Ländern. Mit Standorten in Bangladesch, Kambodscha und Vietnam sowie – seit Anfang 2021 – zwei Fabriken in Polen können wir auf Störungen bei den Lieferketten schnell reagieren. Diese Strategie hat sich für uns bewährt. Woom-Bikes und -Komponenten werden in Klosterneuburg entwickelt und designed und von Produktionspartnern in der ganzen Welt hergestellt, vieles kommt aus Asien. Diese Aufteilung ist für uns ein gutes Modell. Wir haben im vergangenen Jahr etwa 400.000 Fahrräder verkauft, da muss man eine gewisse Diversifizierung haben, auch was die Abhängigkeit in der Produktion betrifft.

LEADERSNET: Sie produzieren wie die gesamte Fahrrad-Branche hauptsächlich in Asien – aber zum Teil auch in Polen. Die größten Produktionspartner sitzen in Bangladesch, Vietnam und Kambodscha. Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG)? Was trägt Ihr Unternehmen dazu bei? Wie stellen Sie sicher, dass es dort adäquate Arbeitsstandards gibt?

Fattinger: In unseren weltweiten Geschäftsaktivitäten achten wir darauf, dass unsere Werte gelebt und unsere Standards eingehalten werden. Das Gleiche erwarten wir von unseren Geschäftspartnern. Unsere Partner in Bangladesch, Kambodscha, Vietnam und Polen gehören zu den größten Fahrradherstellern weltweit und arbeiten für viele namhafte Hersteller und betreiben modernste Fabriken. Als wir uns für diese Partner entschieden haben, waren für uns nicht nur deren Know-how bei der Fahrradherstellung wichtig, sondern auch faire Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit. Unsere Vertragspartner und Vertragspartnerinnen vor Ort unterwerfen sich einem Woom-"Code of Conduct", in dem wir faire Rahmenbedingungen für die Produktion festhalten.

LEADERSNET: Was würden Sie sagen, ist eine Eigenschaft, die Sie und Ihre Team haben, die es Ihnen ermöglicht hat, dieses Geschäft derart erfolgreich aufzubauen. Waren Sie schlauer als andere oder arbeiteten Sie härter?

Fattinger: Eines unserer Erfolgsgeheimnisse ist unser starker Wille zur Innovation. Wir haben von Anfang an viele Dinge komplett anders als andere gemacht und letztlich die Spielregeln für den Kinderräder-Markt disruptiv verändert. Das beginnt beim zeitlosen Design unseres Produkts, für das wir mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden sind, etwa dem "Red Dot Award", dem "German Design Award", dem "iF Design Award" u.v.m. Das betrifft aber genauso die Qualität unserer Produkte – woom bikes sind leichter und kompromisslos auf die Bedürfnisse von Kindern abgestimmt. Auch in den Ausbau und die Optimierung unseres Kundenservice stecken wir viel Zeit und Energie.

LEADERSNET: Erzählen Sie mir etwas von Ihren Lieblingsbüchern. Was lesen Sie gerade?

Fattinger: Ich lese unter der Woche momentan leider viel zu wenig, weil ich einfach nicht dazu komme. Ich hole das dann in Urlauben und auf Flügen nach. Und da ist von Business Literatur, da hat mir in letzter Zeit "The Hard Things About Hard Things" oder "Atomic Habits" sehr gut gefallen, über Bücher von Ferdinand von Schirach bis zu wirklichem Action-Schund alles dabei. Ein schöner Mittelweg sind auf wahren Begegnungen basierende Romane mit Business-Hintergrund wie die von Michael Lewis oder die Geschichte, die das Buch "The Billion Dollar Whale" erzählt.

LEADERSNET: Was wissen Sie heute über die Unternehmenswelt, was Sie gerne bereits vor 30 Jahre darüber gewusst hätten wie Sie damit angefangen haben?

Fattinger: Ich finde John Doerrs Zugang zu "Objectives and Key Results" spannend, weil es ein super Tool ist, um eine Organisation zu fokussieren. Beim Priorisieren hilft mir die Eisenhower-Matrix – also das Sortieren der Tasks nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. Was mir bei all dem Trubel und Stress außerdem hilft: Fokus-Zeiten für konzentriertes Arbeiten einzuplanen.

www.woom.com

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV