Medienberichten zufolge untersuchen die EU-Kommission und das Bundeskartellamt die Bündelung der Kommunikationslösung Teams mit dem Office365-Paket von Microsoft. Durch diese Bündelung haben viele Office-Kunden die Kommunikationslösung Teams ohne Aufpreis als zusätzliche Komponente ihres Software-Pakets erhalten. Das könnte den Zugang zu Kunden und damit den Vertriebsprozess für Microsoft erheblich vereinfachen, aber eben auch den Wettbewerb beschränken. Die Untersuchungen wegen unlauteren Wettbewerbs gehen angeblich auf die Beschwerde von Slack aus dem Jahr 2020 zurück. Der Messaging-Anbieter, aber auch andere Wettbewerber wie Nextcloud haben einen etwaigen Missbrauch der Marktmacht von Microsoft prüfen lassen.
Ein heikles Thema
Aus unserer Sicht als deutscher Anbieter einer Kommunikations- und Kollaborationssoftware sind derartige Bündelungen tatsächlich ein heikles Thema. Als Microsoft Teams auf den Markt kam und zusammen mit Office365 angeboten wurde, bestand für uns kaum eine Chance, wirklich damit zu konkurrieren. Unsere Kunden sagten, sie bekämen Teams durch die Bündelung kostenlos dazu und benötigten keine weitere Kommunikationslösung. Nicht einmal dann, wenn ein alternatives Produkt passgenaue Funktionalitäten mitbringt, sich optimal für die Anwendungsfälle des Kunden eignet und obendrein noch Datenschutz und Sicherheit nach deutschem Verständnis bietet. Dann kann man als Anbieter nur noch bei wenigen ausgewählten Unternehmen und Kunden punkten. Das Argument "kostenlos" ist einfach schwer zu schlagen.
Vor allem im Mittelstand und in den Konzernen wurden alternative Lösungen in solchen Szenarien nicht einmal mehr evaluiert. Denn Microsoft Teams ist grundsätzlich ein gutes Produkt und kann insofern eine geeignete Lösung für ein Unternehmen und dessen wesentliche Anwendungsfälle sein. Zudem kosten die Evaluierungs- und Beschaffungsprozesse von IT-Lösungen Unternehmen und deren IT-Abteilung in der Regel eine Menge Zeit. Zeit, die man sich sparen kann, wenn man ein gutes Produkt ohne jeglichen Evaluierungsaufwand dazu bekommt.
Was bleibt, ist die Nische
Im Ergebnis kann sich ein Anbieter wie Microsoft durch eine solche Bündelung sicherlich einen größeren Teil des Marktes sichern – ohne wirklichen Wettbewerb. Anbieter wie Slack, Threema, Nextcloud oder Teamwire mit ähnlichen Produkten fokussieren sich dann auf Marktnischen oder ausgewählte Branchen, wo man mit differenzierenden Produkteigenschaften und Dienstleistungen noch überzeugen kann.
Bei Teamwire haben wir uns beispielsweise auf Behörden, Polizei, Gesundheitswesen und Anbieter kritischer Infrastrukturen fokussiert, deren Anwendungsfälle wir mit innovativen Funktionen ganzheitlich abdecken. Darüber hinaus sind das alles Organisationen mit hohen Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen, was die offizielle Nutzung von Messengern wie WhatsApp & Co. vom Grundsatz her ausschließt. Doch nicht selten entwickelt sich eine gefährliche Schatten-IT in der mobilen Zusammenarbeit, wenn Unternehmen ihren Mitarbeitenden keine DSGVO-konforme und sichere Alternative bieten. Als deutscher Anbieter haben wir uns genau darauf spezialisiert und sind mit unserer Strategie die letzten Jahre gut gefahren und zufriedenstellend gewachsen.
Weitreichende Folgen für die gesamte Wirtschaft
Doch das Problem der Bündelungen hat weitreichende Folgen für die gesamte Wirtschaft: Erstens sorgt die genannte Marktmacht also dafür, dass andere Anbieter ihre Strategie dann auf Marktnischen ausrichten müssen. Dadurch wird der Wettbewerb in den Nischen aufgrund des beschränktem Marktpotentials größer. Das kann für Kunden natürlich von Vorteil sein, wenn die Anbieter versuchen, sich mit Produktnutzen zu über- und mit den Preisen zu unterbieten. Allerdings wirkt dies in einem begrenzten Nischenumfeld nur kurzfristig. Denn die wenigsten Anbieter überleben solch einen harten Konkurrenzkampf dort auf Dauer.
Zweitens kommen Innovationen ins Stocken. Denn bei vielen Nischen-Anbietern handelt es sich um deutsche oder europäische Start-ups und IT-Firmen, die mit ihren neuen und teilweise disruptiven Geschäftsideen die Digitalisierung vorantreiben wollen und die digitale Souveränität der EU sichern sollen. Durch die gegebene Wettbewerbssituation können solche Unternehmen in der Nische jedoch nicht ihr Wachstumspotential entfalten und werden verhältnismäßig kleine Anbieter bleiben – und das, obwohl man doch in Europa starke Wettbewerber etablieren will. Die in der Öffentlichkeit häufig diskutierten Themen Digitalisierung und digitale Souveränität bleiben dann deutlich unter den Möglichkeiten und werden nicht dem gerecht, was wir in Deutschland und der EU eigentlich benötigen.
Und drittens wäre der Markt ohne solche Bündelungen wahrscheinlich vielfältiger. Es gäbe mehr Anbieter von innovativen IT-Produkten und branchenfokussierten Lösungen. Die Anbieter würden sich besser auf die individuellen Bedürfnisse von Unternehmen und Branchen ausrichten. Die Anwender könnten stärker von spezifischen Lösungen für ihre Einsatzszenarien profitieren und ihre digitalen Herausforderungen besser meistern. Insgesamt würde die Produktivität dieser Unternehmen steigen und sie könnten auch ihre eigenen Kunden besser bedienen, wovon letztendlich die gesamte Volkswirtschaft profitieren würde.
Schnellere Reaktion nötig
Insgesamt mag das stark aus der Perspektive eines deutschen Anbieters betrachtet erscheinen. Hier müssten Politik und Aufsichts-, insbesondere die Kartellbehörden viel schneller reagieren. Bis in Europa eine Reaktion auf solche Praktiken passiert, vergehen Jahre. Im Fall von MS Teams dauert es – falls eine Reaktion kommt – vermutlich drei bis vier Jahre. Bis dahin ist der Markt verteilt, und Kunden werden in den wenigsten Fällen wechseln beziehungsweise sich nach einer alternativen Lösung umschauen. Das heißt, selbst wenn eine Firma wie Microsoft ein Milliardenstrafe bekommen würden, zahlen sie das aus der Portokasse und haben dafür aber einen großen Teil vom Markt bekommen. Das zieht sich so durch viele Marktsegmente in der IT. Und die großen amerikanischen Anbieter sind dadurch in der Lage, sich viele wichtige Zukunftsmärkte zu sichern. In den USA und China haben Politik und Aufsichtsbehörden ausländische Anbieter viel stärker im Blick und würden deutlich schneller reagieren, damit sich diese nicht „so breit machen" können und dadurch heimische Anbieter verdrängen.
Wichtig für die Zukunft ist es daher, dass Entscheider in Unternehmen verstehen, wie sich solche Bündelungen grundsätzlich auswirken können, und dabei kritisch hinterfragen, welche IT-Lösungen für die Anwendungsfälle und Digitalisierungspläne des eigenen Unternehmens wirklich geeignet sind.
www.teamwire.eu
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